Zum Mietendeckel, oder: darf der Berliner Landesgesetzgeber sich vordrängeln?

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 09.05.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-Recht|4750 Aufrufe

Kaum ein Tag vergeht, in dem nicht in den Medien die Frage der Zulässigkeit und Notwendigkeit eines "Mietendeckels" in Berlin diskutiert wird. Dabei soll es an dieser Stelle nicht um politische oder rechtspolitische Meinungen gehen - da halte ich mich heraus oder jedenfalls bedeckt. Hoch spannend ist vielmehr die juristische Frage, ob dem Landesgesetzgeber die Kompetenz i.S.d. §§ 70ff GG einzuräumen ist, ein eigenes (Landes-)Mietpreisrecht zu schaffen, oder ob dafür nicht allein der Bund zuständig ist. Ich räume ein, dass ich landesrechtlichen Alleingängen gegenüber aus verfassungsrechtlichen Gründen eher skeptisch eingestellt war.

Ich bin aber umgeschwenkt. 

Ausgangspunkt für meine Meinungsänderung sind insbesondere zwei Beiträge, die sich zu lesen lohnen:

Zum einen ein gerade erschienener Aufsatz von Putzer in der NVwZ 2019, 283ff zu dem Thema ("Ein Mietendeckel für Berlin"). Putzer - der Richter ist, offenbar noch Richter zur Probe beim VG Berlin - kommt zu dem überzeugend hergeleiteten Ergebnis, dass eine kompetenzrechtliche Befugnis des Landesgesetzgebers besteht. Insbesondere falle das öffentliche Mietpreisrecht nicht unter Art. 74 I Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft). Letztlich gehe es um die Abgrenzung von sozialem Mietrecht und öffentlichem Preisrecht - selbst sich widersprechende Regelungen - gäbe es sie - würden jedoch der originären Länderzuständigkeit für das Wohnungswesen nicht entgegenstehen.

Dieser Ansatz wird ausführlich geteilt in einem Rechtsgutachten, von den Prof. Mayer und Artz (für die Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus von Berlin am 16.3.2019) erstellt. Auch unter Außerachtlassung des Umstands, dass das Gutachten von einer Fraktion erstellt wurde, die einem Mietendeckel in Berlin nahe steht, bleibt ein überzeugender Eindruck. Insbesondere zeigen die Autoren auf, dass es schon immer öffentlichrechtliche Regulierungen im Mietrecht gab und bringen historisch argumentierend dafür zahlreiche Beispiele. Zutreffend wird auch auf die Staatszielbestimmung in der Berliner Verfassung (Art. 28 : Recht auf Wohnen) und den Folgerungen daraus verwiesen (Anm. des Autors: ähnliche Regelungen finden sich auch in anderen Länderverfassungen). 

Eine ganz andere, von den Autoren ganz überwiegend nicht diskutierte Frage ist, ob andere Aspekte dem "Deckel" entgegenstehen (z.B. Art. 14 GG). Jedenfalls aber wird man nun nicht mehr einfach die "Deckelfrage" mit einer einfachen Handbewegung und Verweis auf Art. 74 GG wegwischen können. Insofern: der "Deckel" ist nicht tot!

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