Alleinrennen: Mit 150 km/h durch die Berliner Innenstadt - das reicht für den § 315d StGB!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.05.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|4270 Aufrufe

§ 315d StGB ist eine der Normen, an denen sich gerade viele Autoren und Gerichte abarbeiten müssen. Gerade das "Alleinrennen" ist vollkommen unklar. Hierzu heißt es in § 315d ABs. 1 Nr. 3 StGB:

 Wer im Straßenverkehr...sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft  

Nun ist die Frage: Was bedeutend diese teils eigenartig formulierten Tatbestandsmerkmale? Welche tatsächlichen Feststellungen sind nötig?

Das KG hat sich damit gerade befasst, ohne jedoch für endgültige Klarheit zu sorgen. Jedenfalls reichte es bei diesem "Raser" aus:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Dezember 2018 wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

 Die Stellungnahme des Verteidigers vom 9. April 2019 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Insbesondere folgt der Senat nicht der darin vertretenen Auffassung, der Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und namentlich das subjektive Merkmal der „höchstmöglichen Geschwindigkeit“ erfordere ein „volles Ausreizen“ eines Kraftahrzeugs. Ein solches Erfordernis würde den Täter, der ein hochmotorisiertes Fahrzeug führt und sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht, ohne an das Limit der technischen Leistungsfähigkeit zu gehen, unangemessen und sinnwidrig begünstigen. Das Gesetz stellt hier auf die „relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit“ ab (vgl. BeckOK/Kulhanek, 41. Ed. 1.2.2019, StGB § 315d Rn. 42; MüKo/Pegel, StGB 3. Aufl., § 315d Rn. 26; vgl. auch BT-Drs. 18/12964, 5). Dies fasst insbes. die fahrzeugspezifische Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit (wobei diese nicht erreicht sein muss), das subjektive Geschwindigkeitsempfinden, die Verkehrslage und die Witterungsbedingungen zusammen (BT-Drs. 18/12964, 5). Auf diese Weise sollen der nachgestellte Renncharakter manifestiert, bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen hingegen nicht von der Strafbarkeit umfasst werden, auch wenn sie erheblich sind (BT-Drs. 18/12964, 6). Gerade nicht erforderlich ist demnach, dass der Täter tatsächlich mit der fahrzeugspezifisch höchstmöglichen Geschwindigkeit gefahren ist (vgl. Schönke/Schröder/ Hecker, StGB 30. Aufl., § 315d Rn. 9).

 Ergänzend merkt der Senat noch an:

 Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) ist eine zurückhaltende Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB angezeigt. Angesichts des außergewöhnlichen Tatgeschehens ist die Verwirklichung des objektiven („nicht angepasste Geschwindigkeit“) und subjektiven („um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“) Tatbestands der Vorschrift hier jedoch manifest. Denn nach den durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung getragenen Feststellungen - insoweit wird ausdrücklich auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Bezug genommen - wollte der Angeklagte, „um sich zu profilieren“ und seinen Beifahrern „zu imponieren“ (UA S. 8), einen mit 605 PS motorisierten Mietwagen „einmal austesten“ (UA S. 8) und raste hierzu über eine Strecke von zumindest 3,8 km durch das innerstädtische Berlin, wobei er eine Geschwindigkeit von „mindestens 150 km/h“ (UA S. 7) erreichte. Es galt durchgehend die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Durch aggressivruckartiges Lückenspringen zwang der Angeklagte andere Verkehrsteilnehmer immer wieder dazu abzubremsen. Diese und weitere im Urteil anschaulich geschilderte Feststellungen zeigen, dass die Tat über eine bloße Geschwindigkeitsüberschreitung hinausgeht (vgl. BT-Drs. 18/12964, 6). Sie tragen auch bei zurückhaltender Auslegung die Anwendung der neuen Strafvorschrift des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB.

 Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

KG Beschl. v. 15.4.2019 – (3) 161 Ss 36/19 (25/19), BeckRS 2019, 8319

 

 

 

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Klingt doch ganz gut. Wäre erfreulich, wenn die Rspr. aus dieser schwierigen Norm durch praktische Anwendung eine handhabbare Regel formt. Diese Entscheidung klingt mir nach einem gutem Startschuss dafür.

0

Kommentar hinzufügen