BSG: Honorarärzte sind abhängig Beschäftigte-Kostenintensive Konsequenzen für Kliniken

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 05.06.2019
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtWeitere ThemenMedizinrecht1|4207 Aufrufe

Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, müssen wie abhängig Beschäftigte behandelt werden. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) - B  12 R 11/18 R als Leitfall- am 04.06.2019 entschieden. Damit ist die freie Mitarbeit durch Ärzte in der Klinik nur noch in wenigen Ausnahmefällen möglich.

Insgesamt stehen 17 Fälle zum Thema Scheinselbständigkeit auf dem Prüfstand. Zu entscheiden hatten die Bundessozialrichter u.a. über eine Klage eines Landkreises in Bayern, der zwei Krankenhäuser betreibt. Dort arbeitete eine Anästhesistin auf Stundenbasis.

Nicht überzeugen ließen sich die höchsten Sozialrichter durch das Argument, dass die Krankenhäuser aufgrund der angespannten Personaldecke der Kliniken auf den Einsatz von Honorarkräften angewiesen seien. Auch sei eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht von vornherein wegen der Qualität der ärztlichen Heilkunde als Dienst "höherer Art" ausgeschlossen, argumentierten die Richter. Für die Beurteilung einer abhängigen Beschäftigung ist die Gesamtwürdigung mehrerer Indizien ausschlaggebend. Entscheidend sei, ob die Ärzte weisungsgebunden bzw. in eine Arbeitsorganisation eingegliedert seien. Das sei bei der Tätigkeit im Krankenhaus regelmäßig der Fall, sagten die Richter. Ärzte, wie auch die Anästhesistin im Leitfall, seien Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeite. Unternehmerische Entscheidungsspielräume gebe es dabei nicht. Die Höhe des Honorars sei nur eines der zu berücksichtigenden Indizien. (Dazu erstmalig das BSG mit Urteil vom 31.03.2017 - Az.: B 12 R 7/15, nachzulesen im Beitrag).

Was sind Honorarärzte?

Honorarärzte werden häufig nebenberuflich oder für eine Vielzahl von Auftraggebern (Kliniken) beschäftigt. Ihre Tätigkeit ist zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet. Sie werden je nach Vereinbarung eingesetzt beim Operationsdienst (mit einem Schwerpunkt bei der Fachgruppe der Anästhesisten), im Stationsdienst (am Tag) und/oder im Bereitschaftsdienst (nachts und am Wochenende).  Oft werden sie über Agenturen vermittelt und arbeiten für einen vorher festgelegten Stundensatz. Der durchschnittliche Verdienst von Honorarärzten beträgt 90 Euro in der Stunde, wobei die Spanne zwischen etwa 75 bis 110 Euro reicht. Das ist teilweise mehr als das Doppelte eines nach Tarif bezahlten, festangestellten Arztes.

Praxishinweise

Die Beschäftigung von Honorarärzten ist seit Jahren mit Risiken behaftet. Bisher war die Rechtsprechung nicht einheitlich. Eine höchstrichterliche Auseinandersetzung mit dem Thema Selbständigkeit von Honorarärzten fehlte bislang. Die sogenannte Statusfeststellung nach § 7 a SGB IV war eine Möglichkeit, um Unsicherheiten zu klären. Genutzt wurde sie eher selten. Denn in der Regel war mit einem negativen Bescheid zu rechen.

Die Folgen sind erheblich für die Krankenhäuser. Sie reichen von Nachforderungen der Sozialversicherungsträger für die letzten vier Jahre oder des Finanzamtes bis hin zu strafrechtlichen Ermittlungen wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer. Der Arzt kann hingegen rückwirkend nur für drei Monate in Regress genommen werden. 

Viele Kliniken weichen inzwischen bereits auf Arbeitnehmerüberlassung oder eine befristete Festanstellung aus. Für Einsätze von zwei oder drei Wochen ist das allerdings ein enormer Aufwand.

Am 7. Juni 2019 wird das BSG über die  Tätigkeiten von Honorarpflegefachkräften in stationären Pflegeeinrichtungen entscheiden. Die Pressemitteilung des BSG finden Sie hier

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Erstaunlich, wie streng das Bundessozialgericht die Kriterien für abhängige Beschäftigung versteht. Das Bundesarbeitsgericht ist ist für die gleiche Branche seinerzeit der Auffassung gewesen, dass nicht einmal Mitarbeiter an der Rezeption in den Betrieb eingegliedert sind, so dass zumindest eine mitbestimmungspflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Hier: https://www.bag-urteil.com/12-11-2016-1-abr-57-14/

0

Kommentar hinzufügen