Männliche Sportlehrer beim Schulsport für Mädchen?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.06.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht4|10892 Aufrufe

Eine Privatschule, die eine Stelle zur Betreuung ihrer Schülerinnen beim Sportunterricht ausschreibt, darf den Kreis der Bewerber auf Frauen beschränken. Das weibliche Geschlecht stellt hier eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG dar. Ein abgelehnter männlicher Bewerber kann weder Schadensersatz noch Entschädigung beanspruchen. Das hat das LAG Nürnberg entschieden.

Die Beklagte hatte verschiedene Stellen für Lehrkräfte ausgeschrieben. Während diejenigen für naturwissenschaftliche Fächer und Sprachunterricht an weibliche und männliche Bewerber gerichtet waren, wurde für den Sportunterricht der Mädchen explizit und ausschließlich eine "Fachlehrerin Sport (w)" gesucht. Der Kläger bewarb sich und erhielt eine Absage. Seine auf § 15 Abs. 1 und 2 AGG gestützte Klage blieb erst- und zweitinstanzlich erfolglos:

(Für die sachliche Rechtfertigung einer nach dem Geschlecht differenzierenden Stellenbesetzung iSv. § 8 Abs. 1 AGG) ist weniger darauf abzustellen, dass die Notwendigkeit eintreten kann, dass eine Lehrkraft die Umkleideräume betritt. Dies ist zwar nicht ausgeschlossen, da eine Lehrkraft auch eine Aufsichtspflicht hat. Die Aufsichtspflicht ist indes im Verhältnis zur eigentlichen Lehrtätigkeit nur von untergeordneter Bedeutung. So hat es nach dem Sachvortrag des Klägers, der seinem Bekunden nach bereits seit 13 Jahren als Sportlehrer tätig ist, keinen einzigen Fall gegeben, in dem es erforderlich war, den Umkleideraum zu betreten, um der Aufsichtspflicht nachzukommen. Aus dem Sachvortrag des Beklagten ergibt sich nicht, dass und in welchem Umfang dies anders ist. Entscheidend für die Tätigkeit eines Sportlehrers ist vielmehr der Sportunterricht. Anders als bei den außerhalb des Sports bestehenden Lehrfächern ist der Sportunterricht durch besondere Körperlichkeit geprägt. Dies bezieht sich zum einen auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Schüler, zum anderen darauf, dass beim Sportunterricht körperliche Kontakte erforderlich sind, vor allem wenn es darum geht, beim Geräteturnen Hilfestellung zu geben. Diese beschränkt sich nicht nur auf den Schulter- und Armbereich. Vielmehr erstreckt sie sich, z.B. beim Turnen am (Stufen) Reck oder (Stufen) Barren auch auf das Gesäß. Dies kann für beide Seiten - den Schüler wie den Lehrer - unangenehm sein. Gerade bei Mädchen prägt sich das Schamgefühl ab Beginn der Pubertät stärker aus, was einerseits dazu führt, dass körperliche Berührungen durch das andere Geschlecht schneller als unangemessen empfunden werden, andererseits solchen Berührungen eine Bedeutung zugemessen werden kann, die weder beabsichtigt ist noch objektiv über den Zweck der Hilfestellung hinausgeht. Dazu kommt, dass körperliche hormonelle Umstellungen bzw. damit verbundene Unpässlichkeiten, z.B. Menstruationsbeschwerden, sich auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken können, was ungern mit einem männlichen Sportlehrer erörtert wird.

LAG Nürnberg, Urt. vom 20.11.2018 - 7 Sa 95/18, BeckRS 2018, 43031

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4 Kommentare

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Ich hatte als Mann (bzw. Junge) wiederholt Sportlehrerinnen. Im Nachhinein fühle ich mich sexuell belästigt oder jedenfalls gefährdert.

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Das BAG hat das Urteil jetzt aufgehoben. Das war unzulässig, entschied nun das Bundesarbeitsgericht (BAG). Grundsätzlich sei auch die Sportlehrertätigkeit geschlechtsunabhängig zu sehen, urteilten die Bundesrichter. Einem allein wegen des Geschlechts abgelehnten männlichen Bewerber stehe daher eine Entschädigung zu (Urt. v. 19.12.2019 Az. 8 AZR 2/19). (LTO 20.12.2019)

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Sehr schade. Erscheinen mir doch die Erwägungen des LAG ausgesprochen vernünftig und realitätsnah.

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