"Vertrauensvolle Zusammenarbeit" (§ 2 BetrVG) sieht sicher anders aus

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 18.06.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3048 Aufrufe

So hatte sich der Gesetzgeber die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 2 Abs. 1 BetrVG) sicher nicht vorgestellt:

Die Beklagte (zu 1.) betreibt verschiedene Senioreneinrichtungen. Gemeinsam mit einem Rechtsanwalt (Bekl. zu 2.) entwickelte sie 2012 ein Strategiekonzept zur Entfernung der ihr unliebsamen Betriebsratsmitglieder. Danach sollten eingeschleuste Lockspitzel die Betriebsratsmitglieder in Verruf bringen, Kündigungsgründe provozieren und erfinden. Ein vom ArbG Gießen als Zeuge vernommener Detektiv bestätigte den Vorwurf, man habe der Klägerin einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot untergeschoben, um ihre fristlose Kündigung gerichtlich betreiben zu können. Zur strategischen Umsetzung habe auch gehört, dass die Betriebsratsvorsitzende von zwei weiteren Detektiven durch Beschimpfen und Bespucken zu Tätlichkeiten provoziert werden sollte. Als diese nicht zuschlug, verletzte einer der Detektive den anderen und bezichtigte die Betriebsratsvorsitzende dieser Tätlichkeiten.

Eine der auf diese Weise angegangenen Mitarbeiterinnen (die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende) hat jetzt beim ArbG Gießen Schadensersatz in Höhe von 20.000 Euro erstritten. Die 3. Kammer des Gerichts verurteilte die Arbeitgeberin und den Rechtsanwalt als Gesamtschuldner. Das Gericht wertete die "strategische Vorgehensweise" der Arbeitgeberin und ihres Rechtsberaters als schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung (§ 823 Abs. 1, § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) und verurteilte sie zu gemeinschaftlicher Schmerzensgeldzahlung.

ArbG Gießen, Urt. vom 16.5.2019 - 3 Ca 433/17 (mit Material der Pressemitteilung des Gerichts)

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