Netzneutralität verletzt: OVG NRW - vorläufiges Aus für den Dienst "StreamOn"

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 15.07.2019

Das Thema Netzneutralität hatten wir schon im Blog u.a. hier. Das OVG NRW hat am Freitag in einem durch die Telekom Deutschland GmbH gegen die Bundesnetzagentur angestrengten Eilverfahren die erstinstanzliche Entscheidung des VG Köln bestätigt (AZ 13 B 1734/18). StreamOn ist ein Zusatzangebot für Telekom-Mobilfunkkunden, mit denen diese unter anderem Musik und Videos ausgewählter Partner streamen und Spiele spielen können, ohne dass dies auf das vertraglich vereinbarte Datenvolumen angerechnet wird.

Aus der Pressemitteilung des OVG:

Zur Begründung führte der 13. Senat aus, der Grundsatz der Netzneutralität verpflichte die Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Gleichbehandlung allen Datenverkehrs. Hiergegen werde verstoßen, wenn die Übertragungsgeschwindigkeit für Videostreaming gegenüber anderen Diensten oder Anwendungen gezielt gedrosselt werde. Da der Grundsatz der Neutralität ein grundlegendes Funktionsprinzip des Internets zugunsten sämtlicher Nutzer schütze, sei es auch unerheblich, ob der Kunde mit der Buchung von "StreamOn" in die Drosselung eingewilligt habe.

Außerdem sei es nach europäischen Roaming-Regeln verboten, für Roaming-Dienste im europäischen Ausland ein zusätzliches Entgelt gegenüber dem inländischen Endkundenpreis zu verlangen. Die Antragstellerin verletze dieses Verbot, soweit sie den Datenverkehr für Audio- und Videostreaming bei Nutzung im europäischen Ausland abweichend zu einer Nutzung im Inland auf das Inklusivdatenvolumen anrechne. Für den Kunden bestehe damit bei Nutzung im europäischen Ausland ein ungünstigerer Entgeltmechanismus.

Da die Entscheidung der Bundesnetzagentur aus diesen Gründen voraussichtlich rechtmäßig sei, könne sie auch bereits vor einer endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren vollzogen werden.

Was halten Sie von dieser Begründung, abgesehen von dem Roaming-Argument?

Interessant ist, dass es auf die Einwilligung des Nutzers nicht ankommt. Mit anderen Worten: Der Nutzer kann nicht selbst bestimmen, dass er mit der gezielten Drosselung im Gegenzug zu einem günstigen Tarif einverstanden ist, selbst wenn die Dienste der Contentpartner der Diensteanbieterin (ISP) nicht auf das mit dem Mobilfunktarif vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen angerechnet werden.

Ist diese Beschränkung der Vertragsfreiheit gerechtfertigt?

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3 Kommentare

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Die Telekom verschickt weiter locker SMS, die StreamOn bewerben:

"Lieber Herr [...], jetzt Instagram, Facebook, WhatsApp, YouTube und viele mehr mobil nutzen, ohne an das Datenvolumen zu denken. Für 24 Monate kostenlos für Sie! Ihr Vertrag verlängert sich dadurch nicht, die Option endet automatisch. Gleich die neue StreamOn Social und Chat-Option kostenlos in der MeinMagenta App zubuchen: [Link]. Ihre Telekom"

Die sind sich wirklich für nichts zu schade.

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Hier eine Zusatzinformation: Die Bundesnetzagentur ihren Jahresbericht zur Netzneutralität veröffentlicht. Darin wird die Einhaltung der Vorgaben aus der Verordnung  (EU) 2015/2120, der sog. TSM-VO, für den Zeitraum von Mai 2018 bis April 2019 betrachtet. Sie nimmt hierin zu den einzelnen Beschwerdefällen Stellung, auf die sie im zurückliegenden Zeitraum u. a. durch Verbraucherbeschwerden aufmerksam geworden ist.

Die Kundenzufriedenheit bei Breitband scheint in Deutschland eher zu sinken Zitat Rn. 98:

"Die Endkunden bewerteten die Anbieter erneut weit überwiegend mit Noten von 1 bis 3(74,7%). Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist der Anteil jedoch rückläufig (2016/2017: 76,6 %) ... Der im Rahmen der Breitbandmessung ermittelte Verhältniswert lag bezogen auf die Ergebnisse im Mobilfunk wieder auf einem geringen Niveau. Dies legt weiterhin den Schluss nahe, dass die Nutzer bei mobilen Breitbandanschlüssen eher die Mobilität und die zur Verfügung stehende Performance bewerten als das Erreichen der in Aussicht gestellten Datenübertragungsrate."

Sehen Sie das auch so?

Link: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Breitband/Netzneutralitaet/Netzneutralitaet_Jahresbericht%202018_2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Der Volltext der Entscheidung ist jetzt online: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2019/13_B_1734_18_Beschluss...

Dort heißt es u.a. zur vertraglichen Abdingbarkeit:

"Demgegenüber würde die von der Antragstellerin favorisierte Lösung, vertragliche Vereinbarungen zwischen Anbietern von Internetzugangsdiensten und Endnutzern über die gewerblichen und technischen Bedingungen und die Merkmale von Internetzugangsdiensten allein dem Maßstab des Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 2015/2120 zu unterwerfen, dem Gebot zur Gleichbehandlung des Datenverkehrs aus Art. 3 Abs. 3 VO (EU) 2015/2120 in erheblicher Weise die praktische Wirksamkeit nehmen. In der Folge dieser Lösung stünden die Einhaltung des Gebots zur Gleichbehandlung des Datenverkehrs und die Beachtung der Voraussetzungen für im Ausnahmefall zulässige Verkehrsmanagementmaßnahmen grundsätzlich zur Disposition der zwischen den Internetzugangsanbietern und ihren Endkunden getroffenen Vereinbarungen. In Anbetracht der zentralen Bedeutung, die der Unionsgesetzgeber dem Gebot zur Gleichbehandlung des Datenverkehrs ausweislich des Verordnungstextes selbst und der ihren Entstehungsprozess dokumentierenden Materialien beigemessen hat, und unter Berücksichtigung der eng und in einem abschließenden Sinne gefassten Ausnahmetatbestände für zulässige Verkehrsmanagementmaßnahmen kann kaum angenommen werden, dass eine solche Auslegung dem Willen des Unionsgesetzgebers gerecht würde."

Sehen Sie das auch so?

 

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