Best Practice Principles für Stimmrechtsberater 2019 veröffentlicht

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 19.08.2019

Die Best Practices Principles Group (BPPG) – ein Zusammenschluss mehrerer für den europäischen Markt relevanter Stimmrechtsberater (u. a. ISS, Glass Lewis) – hat am 22. Juli 2019 eine überarbeitete Fassung ihrer Best Practice Principles for Providers of Shareholder Voting Research & Analysis veröffentlicht. Die Stimmrechtsberater, sog. Proxy Advisors, beraten institutionelle Investoren bei der Stimmabgabe in der Hauptversammlung börsennotierter Unternehmen.

Die erste Fassung der Best Practice Principles wurde 2014 veröffentlicht. Grundlage der jetzt erfolgten Überarbeitung war eine bereits 2015 und 2016 von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) durchgeführte Evaluation und eine im Anschluss 2017 von der BPPG selbst durchgeführte Konsultation. Für die aktualisierten Best Practice Principles 2019 gilt Folgendes:

Beibehaltung der grundsätzlichen drei Prinzipien

Inhaltlich liegt der Schwerpunkt weiterhin auf den folgenden drei Prinzipien:

  • „Service Quality“: Stimmrechtsberater sollen ihre Research-Methoden offenlegen, insbesondere welche Methoden und Quellen sie nutzen, welche Qualitätssicherungsmaßnahmen bestehen sowie inwiefern regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.
  • „Conflicts-of-Interest Avoidance or Management“: Stimmrechtsberater sollen interne Richtlinien zur Behandlung von möglichen Interessenkonflikten bei der Beratung erarbeiten und veröffentlichen.
  • „Communications Policy“: Stimmrechtsberater sollen Richtlinien zur rechtzeitigen Kommunikation mit Emittenten, Aktionärsvertretern, anderen Stakeholdern und Medien entwickeln und veröffentlichen.

Ergänzt werden die Grundprinzipien jeweils durch präzisierende Leitlinien („Guidance“), denen dasselbe Gewicht zukommt wie den Grundprinzipien selbst.

Anwendung der Principles: „Apply and Explain“

Anders als nach den 2014 veröffentlichten Principles („Comply or Explain“) sollen die Stimmrechtsberater nun bei der Anwendung der Principles dem Grundsatz „Apply and Explain“ folgen. Ob sich hieraus grundlegende Änderungen für die von den teilnehmenden Stimmrechtsberatern zu veröffentlichenden „Statements of Compliance“ ergeben, bleibt jedoch abzuwarten. Denn einerseits beinhalteten bereits die früheren Principles Pflichten, sich über die spezifische Anwendung zu erklären, und andererseits erlauben auch die neuen Principles punktuelle, erklärungsbedürftige Abweichungen.

Rechtsnatur und Bedeutung der Principles im Rahmen der Aktionärsrechterichtlinie II

Obwohl sich die Bedeutung der Principles formal unverändert auf eine freiwillige Selbstregulierung beschränkt, erhöht sich ihr Stellenwert mittelbar durch die Zweite Aktionärsrechterichtlinie (EU) 2017/828. Deren Umsetzung wird u. a. Stimmrechtsberater EU-weit dazu verpflichten, sich über die Anwendung eines „Verhaltenskodex“ zu erklären (Art. 3j Abs. 1 der Richtlinie bzw. § 134d Abs. 1 AktG-E i. d. F. des RegE ARUG II; siehe hierzu mein Beitrag vom 7. Juni 2017). Dieser Erklärungspflicht kommt etwa ISS bereits jetzt durch einen Verweis auf ihr aktuelles Statement of Compliance in Bezug auf die Principles nach. Auch in der Begründung zum Regierungsentwurf des ARUG II wird diese mögliche Funktion der Principles ausdrücklich erwähnt (BT-Drs. 19/9739, S. 105).

Ähnliche Parallelen ergeben sich im Hinblick auf die in der Richtlinie vorgegebene – und in den Principles näher umschriebene – Offenlegung von Informationen über Recherchen, Beratungen und Stimmempfehlungen (Art. 3j Abs. 2 der Richtlinie bzw. § 134d Abs. 2 AktG-E) sowie den Umgang mit Interessenkonflikten (Art. 3j Abs. 3 bzw. § 134d Abs. 4 AktG-E). Verbindlich hergestellt wird dieser Zusammenhang jedoch weder von gesetzlicher Seite noch in den Principles selbst.

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