BSG: Arbeitsunfall während "Probearbeit"

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.08.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|4554 Aufrufe

Während einer Probearbeit steht der Arbeitende als sog. Wie-Beschäftigter (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein infolge der Probearbeit erlittener Unfall ist daher von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anzuerkennen. Das hat das BSG entschieden.

Der Kläger bewarb sich um eine Stelle als LKW-Fahrer bei der Firma X (Beigeladene). Nach einem Vorstellungsgespräch einigten sich der Kläger und X darauf, dass zwei Tage später ein "Probetag" stattfinden sollte. Eine Vergütung sollte der Kläger dafür nicht erhalten. An diesem Probearbeitstag stürzte der Kläger von der Ladebordwand des LKW und verletzte sich unter anderem am Kopf, mit der Folge eines epiduralen Hämatoms. Die beklagte Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik lehnte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Bei dem Kläger habe bei dem Probetag das Eigeninteresse im Vordergrund gestanden, den Arbeitsplatz zu erhalten.

Die dagegen gerichtete Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Zwar ist der Kläger kein "Beschäftigter" iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, § 7 Abs. 1 SGB IV, weil er an dem Probetag (noch) nicht in den Betrieb von X eingegliedert war. Er war aber als "Wie-Beschäftigter" gesetzlich unfallversichert. Das BSG schreibt dazu in seinem Terminbericht: "Die Voraussetzungen einer 'Wie-Beschäftigung', dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich ist, lagen vor. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (Sachsen-Anhalt - Verf.) diente die unfallbringende Verrichtung des Klägers einem fremden Unternehmen - dem Entsorgungsunternehmen des Beigeladenen - und entsprach zugleich dessen Willen. Das LSG hat ausdrücklich festgestellt, dass das Entsorgungsunternehmen aufgrund schlechter Erfahrungen mit Bewerbern, denen die Arbeit jeweils zu anstrengend oder schmutzig gewesen war, den 'Probetag' eingeführt hatte. Die Tätigkeit hatte damit auch einen wirtschaftlichen Wert für den Beigeladenen, der zum einen durch den Probetag einen 'kostenlosen' Mitarbeiter erhielt, der bei der Erfüllung der Aufgaben gegenüber den Auftraggebern tätig war, zum anderen sich vor ungeeigneten Bewerbern schützen konnte. (...) Die Tätigkeit des Klägers, der bei dem Transport der Mülltonnen mit Hand anlegte, ging insoweit über das Erstellen eines (letztlich wertlosen) Probestücks hinaus und hatte nach den Feststellungen des LSG objektiv einen wirtschaftlichen Wert für den Beigeladenen. Bei einer zu starken Fokussierung auf den privaten und damit unversicherten Charakter des Wunsches, einen Arbeitsplatz zu erhalten, würde zudem der Schutzbereich des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII zu stark eingeschränkt."

BSG, Urt. vom 20.8.2019 - B 2 U 1/18 R, becklink 2013911

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Die LTO-Presseschau:

BSG zu Arbeitsunfall: community.beck.de (Christian Rolfs) stellt ein Urteil des Bundessozialgerichts vor, nach dem ein infolge der Probearbeit erlittener Unfall von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anzuerkennen ist, da der Arbeitende bei der Probearbeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Zwar sei der Kläger kein "Beschäftigter" im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB). Er sei aber als "Wie-Beschäftigter" im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert. 

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