OLG Stuttgart zu Traffistar S 350: Saarlandrechtsprechung gilt bei uns nicht...allein schon aus revisionsrechtlichen Gründen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.09.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|4410 Aufrufe

Mich überzeugt die Argumentation des OLG Stuttgart nicht richtig, da es sich mit der eigentlichen Argumentationslinie des VerfGH des Saarlandes nicht auseinandersetzt. Sie ist aber praxistauglich und streng OWiG-Konform. Letztlich ist zu hoffen, dass irgendwann einmal der BGH oder das BVerfG klarstellen, wie es mit den OWi-Verfahren weitergehen soll.

Der Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 7. Januar 2019 wird verworfen, weil es weder geboten ist, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen noch das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, Abs. 4 OWiG).

 Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

 Gründe:

 Anlass für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts war insbesondere auch nicht deshalb gegeben, weil - wie die Betroffene geltend macht - an der Messstelle eine mit Blick auf die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung irrtumsbegünstigende Situation vorgelegen habe, weshalb vorliegend grundsätzliche Erwägungen zur Frage der Voraussetzungen für ein Herabsetzen der Regelsätze des Bußgeldkatalogs anzustellen wären.

 Ein Abweichen von den Regelsätzen des Bußgeldkatalogs erfordert ein deutliches Abweichen vom dort zugrunde gelegten Normalfall (Göhler, OWiG, 17. Auflage, § 17 Rn. 28b). In Anbetracht der vorliegend eindeutigen Beschilderungssituation, der sich aus ihrer Einlassung ergebenden Kenntnis der Betroffenen von der Geschwindigkeitsbegrenzung im kurz zuvor passierten Baustellenbereich und der verhältnismäßig geringen Distanz zwischen den beiden Baustellenabschnitten mit geänderter Verkehrsführung, liegt eine solche Annahme hier jedoch fern.

 Soweit sich die Betroffene im Rahmen ihrer Gegenerklärung auf eine - den Senat nicht bindende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17) - beruft und erstmalig die Auffassung vertritt, dass das Verfahren wegen fehlender Speicherung der Rohmessdaten durch das eingesetzte Messgerät Traffistar S 350 des Unternehmens Jenoptik, was einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des fairen Verfahrens darstelle und zur Unverwertbarkeit der Messung führe, „einzustellen“ sei, greift ihr Vorbringen nicht durch.

 Dieser behauptete Verstoß wäre im Rahmen einer fristgerecht und formwirksam erhobenen Verfahrensrüge (vgl. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, §§ 344, 345 StPO) geltend zu machen gewiesen, was vorliegend nicht der Fall ist.

 Zudem ist ein Verstoß gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht ersichtlich. Die verteidigte Betroffene hat - im Unterschied zu dem durch den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes entschiedenen Verfahren - zu keinem Zeitpunkt die (sachverständige) Überprüfung des Messergebnisses begehrt oder das Fehlen von Rohmessdaten gerügt und dadurch den Wunsch zum Ausdruck gebracht, sich mit den tatsächlichen Grundlagen des erhobenen Vorwurfs und deren Validität auseinanderzusetzen. Somit kam ein Eingriff in die effektive Verteidigung der Betroffenen durch die Verwertung des Messergebnisses im Rahmen der amtisrichterlichen Entscheidung von vornherein nicht in Betracht.

OLG Stuttgart Beschl. v. 18.7.2019 – 6 Rb 28 Ss 618/19, BeckRS 2019, 16424

 

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2 Kommentare

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In manchen Ländern, deren Rechtsstaatlichkeit eher weniger bezweifelt wird, genügt die messungslose Behauptung eines Polizisten, man sei zu schnell gefahren, für eine erhebliche Buße aus. Persönlich habe ich daran ganz erhebliche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit. Aber warum die Verwertung der Messergebnisse aus einem amtlich getesteten Messverfahren nicht rechtsstaatlich sein soll, leuchtet mir beim besten Willen nicht ein. Dass man nicht immer weiter nachfragen und nachforschen kann, ist jedem praktischen Verfahren inne. Übrigens wird ein Belastungszeuge in einem Mordverfahren auch nicht bis ins Letzte untersucht und auseinandergenommen. Dass Zeugen psychiatrisch und anatomisch untersucht würden, wäre mir jedenfalls neu. Und die Geschwindigkeitsmessautomaten sind allemal zuverlässiger als Zeugen.

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Standadisiertes Messverfahren?! "Da lachen die Hühner!" Statt mit Fotos über die Einmessung eine sichere Dokumentation im Rahmen der Rechtsstaaatlichkeit zu gewährleisten, verlassen wir uns auf nicht nur mangelhafte , sondern sogar falsche (bewußt/unbewußt?) falsche Protokolle, deren Richtigkeit von den eingesetzten Mitarbeitern bei zeugenschaftlicher Vernehmung als richtig bestätigt werden, frei nach dem Motto, "was nicht sein darf, das nicht sein kann"! Ähnliches gilt für die Laserfreihandmessungen. Ein "Rechtsstaat" ist die BRD? Andere EUländer haben längst die preisgünstigen Fotodokumentationen unter der Laserpistole, um den Vorwurf überprüfbar zu machen. Warum ist das inb der BRD nicht möglich? Wir müssen uns stattdessen auf das fragwürdige Aussageverhalten über die Ordnungsmäßigkeit der Durchführung einer Messung durch Polizeibeamte verhalten? Deren Motto: siehe oben!

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