BAG zur Befangenheit eines Richters

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 24.10.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht3|8656 Aufrufe

1. Die Mitwirkung eines Richters am Bundesarbeitsgericht an der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer ständigen Rechtsprechung stellt keinen Befangenheitsgrund dar.

2. Es widerspricht der Funktion des Befangenheitsrechts, wenn sich eine Prozesspartei eine ihr genehme Richterbank verschaffen will, um eine Entscheidung zu ihren Gunsten zu erwirken.

Das hat der Dritte Senat des BAG entschieden.

Die beklagte Arbeitgeberin hatte, soweit für das Verfahren noch von Interesse, einen Rechtsstreit über die Berechnung einer Betriebsrente beim LAG Köln verloren. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen hat sie Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Im Laufe dieses Beschwerdeverfahrens hat sie einen Richter des Dritten Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieser sei „Urheber“ und „Bewahrer“ sowie „Perpetuierer“ der Rechtsprechung des Senats zu den bei ihr geltenden Versorgungsregeln. Diese Rechtsprechung sei verfahrensrechtlich und materiellrechtlich zu ihrem Nachteil falsch. Sie werde jedoch von den Vorinstanzen weiter im Sinne eines Fallrechts bzw. „case law“ praktiziert, ohne dass sie sich dagegen wehren könne. Nichtzulassungsbeschwerden seien beim Bundesarbeitsgericht erfolglos geblieben. An den maßgeblichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts sei der abgelehnte Richter durchgängig beteiligt gewesen.

Mit diesem Vorbringen blieb sie ohne Erfolg:

Das Vorbringen der Beklagten weist nicht auf Voreingenommenheit, sondern auf Rechtsüberzeugung und Mitwirkung bei der Entwicklung der Rechtsprechung sowie der Vermeidung inhaltlicher Widersprüche in der Entscheidungspraxis hin. Rechtsüberzeugungen zu haben und auf die Rechtsprechung einzuwirken, ist originäre Aufgabe eines Richters an einem Bundesgericht und kein Befangenheitsgrund. Dass die Beklagte dies subjektiv auf der Basis ihrer Rechtsansicht anders einschätzt, ist ohne Bedeutung. Die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der einer Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsanwendung ist - von Fallgestaltungen einer offensichtlichen Unhaltbarkeit abgesehen - nicht geeignet, eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

BAG, Beschl. vom 20.8.2019 - 3 AZN 530/19 (A), BeckRS 2019, 23230

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Wie würde es sich verhalten, wenn ein Richter auf Honorarbasis bezahlte Seminare für eine bestimmte Berufsgruppe hält und dann als Richter Urteile in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten fällt, an denen diese bestimmte Berufsgruppe beteiligt ist?

Die LTO-Presseschau:

BGH zu Befangenheit: Für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit eines Richters genügt es, wenn dieser eigene Ansprüche gegen eine Prozesspartei ernsthaft in Erwägung zieht. Dies entschied (anders als das OLG Frankfurt/M. als Vorinstanz) Ende Juli der Bundesgerichtshof. Wie LTO berichtet, hatte der Vorsitzende Richter eines Berufungssenates den Parteien eines Streits um Ansprüche wegen des Dieselskandals mitgeteilt, eigene Ansprüche durch einen Vertragsanwalt des ADAC prüfen zu lassen. Hiermit sei laut BGH die Grenze der bloßen Gruppenbetroffenheit überschritten worden.

Die LTO-Presseschau:

BGH zu Befangenheit: Über die BGH-Entscheidung zur Befangenheit von Richtern berichtet nun auch die SZ (Wolfgang Janisch). Für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit eines Richters genüge es, wenn dieser eigene Ansprüche gegen eine Prozesspartei ernsthaft in Erwägung zieht, zum Beispiel weil er einen Diesel-PKW fährt und sich vom ADAC über eine Klage gegen den Hersteller beraten ließ. 

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