Auslagenerstattung der Nebenklage im Urteil vergessen: Kostenfestsetzungsantrag kann auch Beschwerde sein...ist es aber nicht immer!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.11.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|4209 Aufrufe

Heute mal eher allgemeines strafprozessrecht. Das AG Hamm hatte den Angeklagten verurteilt. Der Angeklagte ging in Berufung. Diese Berufung nahm er dann zurück. Das LG Dortmund musste dann noch eine Kostenentscheidung treffen. Die war wohl falsch - eine Entscheidung zu den Auslagen der Nebenklage fehlte. Hätte die Nebenklägerin rechtzeitig gehandelt, hätte sie sofortige Beschwerde einlegen können. Hat sie aber nicht. Später ging dann der Kostenfestsetzungsantrag der Nebenklägerin ein. Das OLG Hamm dazu: Dieser Antrag kann eine sofortige Beschwerde gegen das Fehlen der Kostengrundentscheidung darstellen...im vorliegenden Falle war das aber nicht der Fall!

 

 

Der Senat hat nur eine Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin vom 12.03.2019 sowie über die Beschwerde der Nebenklägerin vom 01.07.2019 zu treffen. Beide Rechtsmittel sind unzulässig.

1.

Eine Entscheidung des Senats über eine etwaige, zugleich mit dem Kostenfestsetzungsantrag der Nebenklägerin vom 19.11.2018 eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht veranlasst. Denn in dem – innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO beim Amtsgericht eingegangenen – Kostenfestsetzungsantrag kann entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft keine sofortige Beschwerde gegen die im Berufungshauptverhandlungstermin vom 16.11.2018 unterbliebene Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin gesehen werden.

Zwar ist es grundsätzlich möglich, einen innerhalb der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (hier beim i.S.d. § 306 StPO unzuständigen Gericht) eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag gemäß § 300 StPO in eine sofortige Beschwerde gegen die (unterbliebene) Auslagenentscheidung umzudeuten. Denn nach § 300 StPO ist ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels unschädlich.

Nach einer Auffassung soll eine solche Umdeutung regelmäßig möglich sein, ohne dass es hierfür besonderer weiterer Voraussetzungen bedürfte. Dies folge daraus, dass mit dem Kostenfestsetzungsantrag das Ziel verfolgt werde, die nach dem Kostenrecht zustehenden Auslagen zu erhalten. Da das Begehren im Falle einer unrichtigen oder teilweise unterbliebenen Kostenentscheidung erfolgreich nur mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Kosten- oder Auslagenentscheidung erreicht werden könne, sei ein solcher Kostenfestsetzungsantrag regelmäßig nach § 300 StPO als sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 2 S. 1 StPO auszulegen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.04.1993 – 1 Ws 110/93 –, Rn. 4, juris; Beschluss vom 05.04.2001 – 4 Ws 76/2001 –, Rn. 6, juris; LG Zweibrücken, Beschluss vom 09.07.2008 – Qs 79/08 –, Rn. 11 ff., juris).

Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass zwar § 300 StPO über seinen Wortlaut hinaus für alle Rechtsbehelfe und Anträge im Strafverfahren gilt, jedoch für eine entsprechende Auslegung erforderlich ist, dass innerhalb der für die Einlegung des Rechtsmittels geltenden Frist ein Wille erkennbar wird, ein Rechtsmittel einzulegen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. A., § 300 Rn. 1 ff. m. w. N.). Bei Rechtskundigen ist eher als bei Rechtsunkundigen auf den gewählten Wortlaut abzustellen (KG Berlin, Beschluss vom 26.02.2004 – 5 Ws 696/03 –, Rn. 8, juris). Daher folgt der Senat der Auffassung, wonach ein von einem Verteidiger, dem bekannt ist, dass das Kostenfestsetzungsverfahren nicht zur Korrektur der Kostengrundentscheidung führen kann, gestellter Kostenfestsetzungsantrag nur dann als sofortige Beschwerde ausgelegt werden kann, wenn hiermit zugleich in irgendeiner Weise –erkennbar- die Kostengrundentscheidung beanstandet wird (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 14.10. 2010 – 2 Ws 350/10 –, Rn. 11 f., juris, m. w. N.; KG Berlin, Beschluss vom 26.02.2004 – 5 Ws 696/03 –, Rn. 9, juris). Deutet in einer abgegebenen Erklärung jedoch kein Wort auf einen Anfechtungswillen hin, ist der Anwendungsbereich des § 300 StPO insoweit nicht eröffnet (OLG Celle, Beschluss vom 14.10.2010 – 2 Ws 350/10 –, Rn. 12, juris; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.11.1990 – 2 Es 577/90 –, juris). Denn die regelmäßige Auslegung eines Kostenfestsetzungsantrags als Anfechtung der Kostengrundentscheidung würde den Anwendungsbereich des § 300 StPO in unzulässiger Weise ausweiten, die Rechtsanwendung in diesem Rahmen überspannen (OLG Celle, Beschluss vom 14.10.2010 – 2 Ws 350/10 –, Rn. 12, juris) und zur Unterstellung eines bei Abgabe der Erklärung tatsächlich nicht vorhandenen Anfechtungswillens führen.

Im vorliegenden Fall wird durch den Kostenfestsetzungsantrag der Bevollmächtigten der Nebenklägerin vom 19.11.2018 weder ausdrücklich eine Ergänzung und damit eine Korrektur der Kosten- und Auslagenentscheidung des Landgerichts begehrt, noch ist dem Antrag ein Wille zu entnehmen, die Kostengrundentscheidung überhaupt zu beanstanden. Obgleich der Kostenbeschluss der Berufungskammer auch in Anwesenheit der Bevollmächtigten der Nebenklägerin verkündet worden ist, ist der Antrag auf Kostenfestsetzung auch für die Berufungsinstanz offensichtlich in der (unzutreffenden) Annahme gestellt worden, es gebe eine Kostengrundentscheidung auch in Bezug auf die der Nebenklägerin erwachsenen notwendigen Auslagen. Gegen einen Anfechtungswillen der Bevollmächtigten der Nebenklägerin spricht vorliegend nicht zuletzt, dass der Kostenfestsetzungsantrag nur an den Kostenbeamten des erstinstanzlichen Gerichts gerichtet ist. Dass sich die Bevollmächtigte der Nebenklägerin mit der diese beschwerenden Kostengrundentscheidung nicht abfinden will, ergibt sich demgegenüber erst aus ihrem Schriftsatz vom 12.03.2019 an das Landgericht Dortmund, in dem sie unter Bezugnahme auf die Kostenentscheidung in dem ihr zwischenzeitlich auf Verlangen übermittelte Hauptverhandlungsprotokoll vom 16.11.2018 um Klarstellung gebeten hat, dass die Kosten der Nebenklage damit umfasst seien, und andernfalls beantragt hat, über die Kosten der Nebenklage zu entscheiden. Eine Umdeutung (schon) des Kostenfestsetzungsantrages in eine sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung scheidet damit vorliegend aus.

Da hiernach mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 19.11.2018 nicht zugleich eine sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung im Sinne von § 464 Abs. 3 S. 1 StPO eingelegt worden ist, bedarf es insoweit einer Senatsentscheidung nicht.

2.

Die nach dem Vorstehenden erst in dem an das Landgericht Dortmund gerichteten Antrag vom 12.03.2019 enthaltene sofortige Beschwerde gemäß § 464 Abs. 3 S. 1 StPO gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung nach § 472 StPO im Kostenbeschluss der 45. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 16.11.2018 war als unzulässig zu verwerfen.

Denn sie ist nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 Hs. 1 StPO, die gemäß §§ 311 Abs. 2 Hs. 2, 35 Abs. 1 StPO mit der Bekanntmachung durch Verkündung des Beschlusses in Anwesenheit der Nebenklägerin und ihres Beistands zu laufen begann, bei dem Gericht, das die Entscheidung erlassen hat (§ 306 Abs. 1 StPO), eingegangen.

Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen (§ 45 Abs. 2 S. 3 StPO) gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist kein Raum, da keinerlei Anhaltspunkte für eine unverschuldete Fristversäumung vorgetragen oder ersichtlich sind.

Das Hindernis war im Übrigen bereits mit dem Hinweis des Rechtspflegers vom 16.01.2019, wonach es an einer Kostengrundentscheidung in der Berufungsinstanz hinsichtlich der Kosten der Nebenklägerin fehle, spätestens aber nach erfolgter Akteneinsicht auch in das Hauptverhandlungsprotokoll, die am 18.01.2019 beantragt sowie am 12.02.2019 verfügt worden ist, weggefallen. Die versäumte Handlung wurde indessen nicht gemäß § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 StPO innerhalb einer Woche nach Wegfall des Hindernisses, sondern erst mit Schriftsatz vom 12.03.2019 nachgeholt. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Frist infolge einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 44 S. 2 StPO) versäumt wurde.

3.

Die als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete (einfache) Beschwerde der Nebenklägerin vom 01.07.2019 gegen den Beschluss der 45. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 14.06.2019 war ebenfalls als unzulässig zu verwerfen.

Denn die mit Antrag der Nebenklägerin im Schriftsatz ihres Beistands vom 12.03.2019 begehrte Entscheidung des Landgerichts (Klarstellung bzw. nachträgliche Ergänzung der Kosten- und Auslagenentscheidung) ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vielmehr ist es ausgeschlossen, unvollständige Grundentscheidungen des erkennenden Gerichts oder fehlerhafte Auslagenentscheidungen im Falle der Nebenklage durch dieses Gericht zu korrigieren (Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. A., § 464 Rn. 29 m. w. N.). Eine Ergänzung bzw. Abänderung ist nur durch die sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 S. 1 StPO zu erreichen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. A., § 464 Rn. 12, 16), die vorliegend – wie ausgeführt – verspätet eingelegt wurde. Daher ist gegen einen trotzdem ergangenen ablehnenden Beschluss des Landgerichts auch kein statthaftes Rechtsmittel gegeben.

 

OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.2019 - 2 Ws 102/19

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