EU-Führerschein beim BVerwG: Schon der 2. Führerschein des Klägers ist weg!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.12.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2189 Aufrufe

Der Kläger hatte seine Fleppe in Deutschland verloren. Erst kaufte er sich in Polen eine neue Fahrerlaubnis, die dann aber dort später wieder einkassiert wurde. Dann besorgte er sich eine Fahrerlaubnis in Tschechien. Die gab einen Tschechischen Wohnistz an. Hierzu verklagte er die Fahrerlaubnisbehörde auf Umtausch in einen hiesigen Führerschein. Und was weiß man über den Erwerb in Tschechien? Nicht viel - aber auch nicht zu wenig. Genug Durcheinander, jedenfalls um die erste Instanz zu einem Klagestattgebenden Urteil zu veranlassen. Die Berufung der Faherlaubnisbehörde war dagegen erfolgreich - und das BVerwG hat das Berufungsurteil nicht beanstandet:

 

  

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. April 2019 wird zurückgewiesen.

 Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.

 Gründe: 

 Der Rechtsstreit betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen deutsche Behörden und Gerichte davon ausgehen dürfen, dass der Inhaber eines von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht im Ausstellungsmitgliedstaat hatte.

 1. Der 1969 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, er erwarb 1988 eine Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3, die später auf die Klassen 1 und 2 erweitert wurde. Wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,18 Promille verurteilte ihn das Amtsgericht Aichach mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Dezember 2003 zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von acht Monaten an.

 Im Juli 2007 erhielt der Kläger einen polnischen Führerschein. Nach den Eintragungen im Fahreignungsregister widerriefen die polnischen Behörden diese Fahrerlaubnis im Mai 2010, weil sie unter Täuschung über den in Polen begründeten Wohnsitz und die Durchführung einer Fahrausbildung erteilt worden war.

 Am 10. März 2008 stellten tschechische Behörden (MeU Nepomuk) dem Kläger einen bis zum 10. März 2018 befristeten Führerschein für die Klassen A1, A und B aus, in dem ein tschechischer Wohnsitz (Cizkov) eingetragen ist. Nachdem das Landratsamt Aichach-Friedberg Kenntnis von diesem Führerschein erlangt und überprüft hatte, dass er nach Ablauf der in Deutschland festgesetzten Sperrfrist erteilt worden war, teilte es dem Kläger im Jahr 2014 mit, er dürfe mit dem tschechischen Führerschein auch im Bundesgebiet fahren. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren unterblieb.

 Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 bat das Landratsamt den Kläger um Vorsprache. Da er seit 1999 durchgängig mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet sei, bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des tschechischen Führerscheins. Die daraufhin vom Kläger beantragte Anerkennung der Fahrerlaubnis zur Klarstellung lehnte das Landratsamt ab.

 Im Dezember 2017 erhob der Kläger Klage. Er begehrte zunächst die Feststellung, dass er mit seinem tschechischen Führerschein berechtigt sei, im Bundesgebiet fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen; zuletzt beantragte er die Verpflichtung des Beklagten, seinen tschechischen Führerschein in ein deutsches Dokument umzutauschen.

 Im Klageverfahren legte das Landratsamt eine Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 22. Februar 2018 vor, die einen von der Fahrerlaubnisbehörde in Nepomuk ausgefüllten Fragebogen enthält. Darin wird bestätigt, dass an der im Führerschein genannten Adresse eine Unterkunft existiert und der Kläger mindestens sechs Monate Student gewesen sei. Alle übrigen Fragen sind verneint („Place where person usually lives for at least 185 days each calendar year“, „Place of close family members“, „Place where business is conducted“, „Place of property interests“, „Place of administrative links to public authorities and social services“). Des Weiteren legte das Landratsamt eine Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit vom 8. Mai 2018 vor; danach war der Kläger vom 9. Januar bis 2. März 2008 in Prestice und vom 3. März bis 31. Dezember 2008 in Cizkov gemeldet.

 Der Kläger gab an, er sei in Tschechien nie Student gewesen. Er habe als Vermittler für eine Unternehmerin gearbeitet.

 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 18. Juni 2018 verpflichtet, den am 10. März 2008 ausgestellten tschechischen Führerschein in eine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen A1, A und B umzuschreiben. Unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats, aus denen sich ein Wohnsitzverstoß ergebe, lägen nicht vor. Im Führerschein sei ein tschechischer Wohnsitz angegeben, dementsprechend bestätige die Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit einen ausreichend langen Meldezeitraum. Auch dem Fragebogen lasse sich entnehmen, dass an der genannten Adresse eine Unterkunft vorhanden sei. Dass die tschechische Führerscheinstelle die übrigen Fragen verneint und dabei unzutreffend angegeben habe, der Kläger sei Student, ändere hieran nichts.

 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das verwaltungsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gelte die Berechtigung, mit einer EU-Fahrerlaubnis im Inland Kraftfahrzeuge zu führen, nicht für Inhaber, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Dies sei beim Kläger der Fall.

 Für die Prüfung dieser Voraussetzungen hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, die Begründung eines Scheinwohnsitzes müsse nicht bereits aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen abschließend erwiesen sein. Vielmehr reiche es aus, wenn diese Informationen auf einen Verstoß „hinweisen“ würden. In diesem Fall seien die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats berechtigt, auch inländische Umstände zu berücksichtigen.

 Ein Indiz dafür, dass sich der Kläger nur zum Zweck des Erwerbs einer Fahrerlaubnis in Tschechien angemeldet habe, ohne dort einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass er diesen Wohnsitz erst kurz vor der Ausstellung angemeldet habe. Ein weiterer Hinweis folge aus dem von der tschechischen Fahrerlaubnisbehörde ausgefüllten Fragebogen. Sowohl ein Aufenthalt von mehr als 185 Tagen im Kalenderjahr als auch persönliche oder berufliche Bindungen des Klägers im Meldeort seien dort ausdrücklich verneint worden. Aus den von den tschechischen Behörden stammenden Informationen ergäben sich daher erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung einen ordentlichen Wohnsitz in Tschechien gehabt habe.

 Bei ergänzender Heranziehung „inländischer Umstände“ verbleibe kein Zweifel an dem angenommenen Wohnsitzverstoß. Der Kläger sei dauerhaft, und damit auch im Zeitpunkt der Erteilung seines tschechischen Führerscheins, mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet gewesen. Er habe sich überdies bereits im Jahr 2007 eine polnische Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip verschafft. Diese Tatsachen habe der Kläger nicht zu entkräften vermocht, vielmehr seien die Angaben zu seinem Aufenthalt in Tschechien widersprüchlich und unsubstantiiert. Trotz Aufforderung habe er auch weder Unterlagen zu den angemieteten Wohnungen in Cizkov und Prestice noch Belege für die behauptete Berufstätigkeit vorgelegt - wie etwa Arbeitsverträge, Kontoauszüge, Krankenversicherungs- oder Steuerunterlagen.

 2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Sie hat weder eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch den behaupteten Verfahrensmangel des Berufungsurteils (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) aufgezeigt.

 a) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen zum Umtausch einer EU-Fahrerlaubnis und insbesondere zu den Voraussetzungen, unter denen deutsche Behörden und Gerichte davon ausgehen dürfen, dass der Inhaber eines von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz zum Ausstellungszeitpunkt nicht im Ausstellungsmitgliedstaat hatte, sind in der Rechtsprechung bereits geklärt, soweit sie einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sind. Neuen oder zusätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Ihre Angriffe zielen in der Sache vielmehr auf die Würdigung des Einzelfalls durch das Berufungsgericht.

 aa) Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980) in der hier maßgeblichen aktuellen Fassung vom 11. März 2019 (BGBl. I S. 218) setzt der Umtausch keine gültige EU-Fahrerlaubnis voraus. Da der Betroffene nach einem Wohnsitzwechsel keine Verlängerung im Ausstellungsmitgliedstaat mehr erhalten kann, hätte das Erfordernis einer bestehenden Gültigkeit zur Folge, dass der Betroffene nach Ablauf der Geltungsdauer seines Führerscheins eine Fahrerlaubnis nur noch unter den Bedingungen der Ersterteilung im neuen Wohnsitzmitgliedstaat erhalten könnte. Dies erschien dem Verordnungsgeber als unzulässige Beeinträchtigung der Freizügigkeit (vgl. BR-Drs. 443/98 S. 288 f.). Eine befristete EU-Fahrerlaubnis der Klassen A und B (einschließlich ihrer Unterklassen AM, A1, A2, BE und B1) kann daher gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 FeV auch noch umgetauscht werden, wenn ihre Gültigkeit nach Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland abgelaufen ist. Eine zeitliche Beschränkung sieht die Regelung nicht mehr vor (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 30 FeV Rn. 5).

 Für die Ausstellung eines deutschen Führerscheins auf der Grundlage einer EUFahrerlaubnis ist erforderlich, dass der Antragsteller Inhaber einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten EU- oder EWR-Fahrerlaubnis ist, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat (§ 30 Abs. 1 Satz 1 FeV). Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ergibt sich im vorliegenden Fall des Wohnsitzwechsels aus § 28 FeV. Danach dürfen die Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen, sofern keiner der in § 28 Abs. 4 FeV normierten Ausnahmetatbestände vorliegt.

 bb) Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben.

 Der Berechtigungsausschluss folgt bereits aus der Nichtbeachtung der den ordentlichen Wohnsitz betreffenden Vorschriften für sich, eines Verkehrsverstoßes oder sonstiger Voraussetzungen bedarf es nicht (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:050718U3C9.17.0] - BVerwGE 162, 308 Rn. 35). Er gilt unmittelbar kraft Gesetzes, ohne dass hierfür ein konstitutiver Verwaltungsakt im Einzelfall erforderlich wäre (BVerwG, Urteil vom 25. August 2011 - 3 C 25.10 - BVerwGE 140, 256 Rn. 16 ff.).

 Die Regelung - und insbesondere die eingeschränkte Prüfbefugnis des Aufnahmemitgliedstaats - geht auf unionsrechtliche Vorgaben zurück (vgl. BR-Drs. 851/08 S. 6 sowie BVerwG, Urteil vom 25. August 2011 - 3 C 25.10 - BVerwGE 140, 256 Rn. 11).

 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nur der Ausstellungsmitgliedstaat für die Überprüfung zuständig, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestanforderungen, insbesondere die Voraussetzungen hinsichtlich des ordentlichen Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Beweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber am Tag der Ausstellung diese Ausstellungsvoraussetzungen erfüllte. Andere Mitgliedstaaten sind daher nicht befugt, die Beachtung der unionsrechtlich aufgestellten Anforderungen nachzuprüfen (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 - C-9/18 [ECLI:EU:C:2019:148], Meyn - Rn. 29 f.).

 Hat ein Aufnahmemitgliedstaat triftige Gründe, die Ordnungsgemäßheit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu bezweifeln, so hat er dies dem Ausstellungsmitgliedstaat mitzuteilen. Es ist allein Sache dieses Mitgliedstaates, geeignete Maßnahmen in Bezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass ihre Inhaber die vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllten (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a. [ECLI:EU:C:2008:366], Wiedemann und Funk - Rn. 56 f.).

 cc) Zu der eigenständigen Entscheidung, dem in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein in seinem Hoheitsgebiet die Anerkennung zu versagen, ist ein Aufnahmemitgliedstaat jedoch befugt, wenn aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die unionsrechtlich vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung nicht beachtet wurde (EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - Rn. 72 und - C-334/06 u.a. [ECLI:EU:C:2008:367], Zerche u.a. - Rn. 69 sowie vom 26. April 2012 - C-419/10 [ECLI:EU:C:2012:240], Hofmann - Rn. 48 ff. m.w.N.).

 Um derartige Auskünfte darf der Ausstellungsmitgliedstaat ersucht werden (EuGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - C-445/08 [ECLI:EU:C:2009:443], Wierer - Rn. 58 sowie Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10 [ECLI:EU:C:2012: 112], Akyüz - Rn. 71 f.). Sie können auch dann berücksichtigt werden, wenn sie erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens eingeholt worden sind (BVerwG, Urteile vom 25. Februar 2010 - 3 C 15.09 - BVerwGE 136, 149 Rn. 19 ff., vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - BVerwGE 146, 377 Rn. 24 und vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 - BVerwGE 162, 308 Rn. 34).

 Ob die von nationalen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats herrührenden Informationen belegen, dass der Inhaber des Führerscheins zum Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellungsmitgliedstaat hatte, muss vom zuständigen Gericht bewertet und beurteilt werden. Ergeben die vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden Informationen Hinweise auf einen Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im maßgeblichen Zeitpunkt, kann es alle Umstände des bei ihm anhängigen Verfahrens berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10, Akyüz - Rn. 74 f.). Ist die durch die Ausstellung des Führerscheins begründete Annahme, das Wohnsitzerfordernis sei zum Ausstellungszeitpunkt erfüllt gewesen, durch aus dem Ausstellungsmitgliedstaat herrührende Informationen erschüttert, können deshalb auch die Einlassungen des Führerscheininhabers sowie Erkenntnisse aus Quellen des Aufnahmemitgliedstaates, wie etwa den Meldebehörden, miteinbezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - BVerwGE 146, 377 Rn. 30).

 Für die Begründung entsprechender Zweifel reicht es nicht aus, wenn die Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats mitteilen, dass sie die Wohnsitzvoraussetzungen nicht geprüft hätten (EuGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - C-445/08, Wierer - Rn. 55). Die bloße Nichtprüfung schafft kein positives Indiz, das zur Erschütterung der durch die Führerscheinausstellung begründeten Vermutung erforderlich wäre. Entsprechendes gilt daher für die Auskunft, dass Einzelheiten zu den tatsächlichen Gegebenheiten der Wohnsitznahme nicht bekannt sind (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 9. Januar 2018 - 16 B 534/17 - juris 22; zu weitgehend daher OVG Koblenz, Beschluss vom 15. Januar 2016 - 10 B 11099/15 - NJW 2016, 2052 Rn. 6 sowie OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. März 2018 - 12 ME 15/18 - NJW 2018, 1769 Rn. 8).

 Ausreichende Hinweise für einen Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes können sich aber aus der vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden Information ergeben, dass der Inhaber des Führerscheins sich nur kurze Zeit im Gebiet dieses Staates aufgehalten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10, Akyüz - Rn. 75). Ergibt sich aus den vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden Informationen, dass die Wohnungsmeldung die erforderliche Mindestdauer nur wenig überschreitet und erst kurz vor der Ausstellung des Führerscheins stattfand oder bereits kurz nach Erwerb des Führerscheins wieder aufgegeben wurde (vgl. UA Rn. 26 sowie VGH München, Beschluss vom 4. März 2019 - 11 B 18.34 - juris Rn. 23), oder verneinen die zuständigen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats auf Nachfrage einen mindestens 185-tägigen Aufenthalt sowie persönliche oder berufliche Bindungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - BVerwGE 146, 377 Rn. 23 ff.), sind ausreichende Zweifel an der Richtigkeit des durch die Führerscheinausstellung begründeten Anscheins eines ordentlichen Wohnsitzes begründet. Derartige Umstände weisen darauf hin, dass der Inhaber des Führerscheins nur einen fiktiven Wohnsitz zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen.

 Es obliegt dann dem Inhaber der Fahrerlaubnis, substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellungsmitgliedstaat sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen zu machen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - BVerwGE 146, 377 Rn. 30). Dies gilt in besonderer Weise, wenn der Inhaber des Führerscheins gleichzeitig einen Wohnsitz in Deutschland beibehalten hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 3 B 21.14 - DAR 2015, 30 Rn. 3).

 dd) Auf Grundlage dieser Maßstäbe können die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden.

 Sowohl die Auskünfte in dem vom tschechischen Verkehrsministerium übersandten Fragebogen als auch die durch eine Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit bestätigte Anmeldung des Klägers (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15. August 2013- 3 B 38.13 - DAR 2013, 594 Rn. 3 sowie Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 - BVerwGE 162, 308 Rn. 15) nur kurz vor der Ausstellung des Führerscheins sind vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen, die Hinweise auf einen Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins ergeben.

 Die vom Kläger insoweit beanstandete Würdigung der vom tschechischen Verkehrsministerium übersandten Auskünfte der Fahrerlaubnisbehörde, die den tschechischen Führerschein ausgestellt hatte, betrifft die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die fehlerhafte Angabe zum Studentenstatus des Klägers ändere nichts daran, dass die sonstigen Auskünfte Hinweise auf eine unzutreffende Annahme der Voraussetzungen eines ordentlichen Wohnsitzes belegen, ist indes nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als der Hintergrund der Falschauskunft nicht bekannt ist.

 Diese Erschütterung der durch die Ausstellung des Führerscheins begründeten Annahme eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins rechtfertigt eine Berücksichtigung aller Umstände des Verfahrens. Die möglicherweise fehlerhaft erteilte Auskunft der Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats wird dabei nicht „zu Lasten“ des Inhabers des Führerscheins gewertet; sie verhindert lediglich nicht die Indizwirkung der von den Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats im Übrigen gegebenen Auskünfte. Auch insoweit führen die Erkenntnisse im Übrigen nur zur Zulässigkeit der Berücksichtigung weiterer Umstände, nämlich auch derjenigen aus Quellen, die nicht vom Ausstellungsmitgliedstaat herrühren.

 Der vom Kläger als verletzt gerügten Pflicht zur Amtsermittlung ist das Berufungsgericht damit gerade nachgekommen. Es hat alle verfügbaren Umstände berücksichtigt; insbesondere auch die Angaben des Klägers selbst. Zu einer wiederholten Anfrage bei den Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats war das Berufungsgericht bei dieser Sachlage nicht verpflichtet. Auch insoweit handelt es sich im Übrigen um eine Frage der zutreffenden Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall.

 Aus dem Umstand, dass der Kläger mit seinem tschechischen Führerschein über einen Zeitraum von fast zehn Jahren beanstandungsfrei am Straßenverkehr in Deutschland teilgenommen hat, folgt nicht, dass der Beklagte daran gehindert wäre, den beantragten Umtausch in einen deutschen Führerschein abzulehnen. Zum einen gilt der Berechtigungsausschluss aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV unmittelbar kraft Gesetzes, ohne dass es eines Verkehrsverstoßes oder sonstiger Maßnahmen bedürfte (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 - BVerwGE 162, 308 Rn. 35). Zum anderen folgt aus dem zunächst unterbliebenen Einschreiten kein Vertrauenstatbestand, der den Beklagten verpflichten würde, auch künftig an der fehlerhaften Praxis festzuhalten.

 b) Die Beschwerde legt auch keinen Verfahrensmangel dar, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

 aa) Soweit mit der Beschwerde die fehlerhafte Ablehnung eines „Beweisantrags“ geltend gemacht wird (Beschwerdebegründung S. 7), geht dies fehl. Denn im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist ausweislich der Niederschrift der Sitzung vom 1. April 2019 - die insoweit Beweiskraft entfaltet (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2, § 165 ZPO) - ein Beweisantrag nicht gestellt worden. Entsprechendes behauptet auch die Beschwerde nicht. Die Anforderungen an die Beweisablehnung nach § 86 Abs. 2 VwGO gelten indes nur für einen „in der mündlichen Verhandlung“ gestellten Beweisantrag (BVerwG, Beschluss vom 30. August 2017 - 2 B 34.17 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2017: 300817B2B34.17.0] - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 51 Rn. 7).

 Der Hinweis, die mit Schriftsatz vom 19. September 2018 beantragte Zeugenvernehmung sei in der mündlichen Verhandlung „nicht zurückgenommen“ worden, geht daher ebenfalls fehl. Der schriftsätzlich angekündigte Beweisantrag ist in der maßgeblichen Verhandlung vielmehr nicht gestellt worden.

 Im Übrigen ist auch im Schriftsatz vom 19. September 2018, der noch das Berufungszulassungsverfahren betraf, keine Beweiserhebung dazu angeregt worden, „dass dem Kläger durch das Landratsamt Aichach-Friedberg schriftlich mitgeteilt wurde, dass er von der streitgegenständlichen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen dürfte“, wie nunmehr behauptet. Seinerzeit hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers vielmehr vorgetragen, die damalige Sachbearbeiterin möge „gegebenenfalls als Zeugin befragt werden, auf welcher Grundlage sie diesen Aktenvermerk gefertigt hat“.

 bb) Die Nichtdurchführung der nun vermissten Beweiserhebung kann daher allenfalls gegen die auch dem Berufungsgericht (vgl. § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) obliegende Verpflichtung verstoßen haben, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Da die Aufklärungsrüge aber kein zulässiges Mittel dafür darstellt, eigene Versäumnisse in der Tatsacheninstanz nachzuholen (BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2014 - 2 B 20.14 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 381 Rn. 14), liegt ein Mangel des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich nur vor, wenn sich die weitere Beweiserhebung dem Berufungsgericht auch ohne förmlichen Antrag der Beteiligten hätte aufdrängen müssen.

 Darlegungen dazu, warum sich dem Berufungsgericht weitere Aufklärungen zu dem vom Kläger behaupteten Schreiben des Landratsamts hätten aufdrängen müssen, obwohl dieses vom Kläger nicht vorgelegt werden konnte und Anhaltspunkte für ein entsprechendes Schreiben in den Akten nicht ersichtlich sind, enthält die Beschwerde nicht. Ausweislich der Führerscheinakte ist lediglich der Polizeiinspektion vielmehr am 10. September 2014 telefonisch mitgeteilt worden, dass der Kläger mit seinem Führerschein auch im Bundesgebiet fahren dürfe. Dem lag zugrunde, dass der tschechische Führerschein erst nach Ablauf der in Deutschland festgesetzten Sperrfrist erteilt wurde und auf ihm ein tschechischer Wohnsitz angegeben ist (vgl. Bl. 55 der Führerscheinakte). Hinweise auf eine fehlerhafte Annahme der Voraussetzungen eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Ausstellung des tschechischen Führerscheins lagen damals noch nicht vor.

 Schließlich war die Aufklärung auf Grundlage der für die Beurteilung von Verfahrensfehlern maßgeblichen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> und vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 25) Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Da sich die fehlende Berechtigung, von einer EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, im Fall des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, scheide die Zusicherung, einen Verwaltungsakt diesen Inhalts nicht zu erlassen, bereits aus Rechtsgründen aus (UA Rn. 34; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2019 - 3 C 19.17 [ECLI:ECLI:DE: BVerwECLI:G:2019:160519U3C19.17.0] - juris Rn. 43).

 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 46.1 bis 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

BVerwG BeckRS 2019, 29034

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