Ruhig an den Betroffenen zustellen, auch wenn er einen Verteidiger hat

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.12.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|4620 Aufrufe

Für Verteidiger sind solche Sachverhalte wirklich ärgerlich. Sie haben sich als Verteidiger gemeldet - gleichwohl wird weiter an den Betroffenen selbst förmlich zugestellt. Ist möglich - selbst dann, wenn eine Vollmacht vorliegt:

 

 

 

Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 21. Mai 2019 wird als unbegründet verworfen.

 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 Die Entscheidung des Senats ist nicht anfechtbar.

 Gründe: 

 I.

 Das Amtsgericht Perleberg hat gegen den Betroffenen auf die in seiner Anwesenheit und der Anwesenheit seiner Verteidigerin stattgefundenen Hauptverhandlung vom 13. März 2019 wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit, nämlich vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinwirkung gemäß § 24a Abs. 1 StVG eine Geldbuße in Höhe von 500,00 € festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Das Bußgeldgericht hatte festgestellt, dass der Betroffene am … Juni 2018 gegen 18:40 Uhr den L…in C…mit dem Pkw … mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,28 mg/l befahren habe.

 Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit dem bei Gericht am 20. März 2019 angebrachten Anwaltsschriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt und Akteneinsicht beantragt.

 Nach Abfassung des schriftlichen Urteils hat der Bußgeldrichter mit Verfügung unter dem Datum des 10. April 2019 die förmliche Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils an den Betroffenen gegen Zustellungsurkunde und die Übersendung einer einfachen Urteilsabschrift an die Verteidigerin verfügt, darüber hinaus die Aktenübersendung für „2 x 24 Stunden“ an die Verteidigerin gegen EB. Eine schriftliche Vollmachtsurkunde der Verteidigerin ist nicht zu den Akten gereicht worden. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde das Urteil dem Betroffenen am 12. April 2019 zugestellt.

 Mit Anwaltsschriftsatz vom 17. Mai 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Betroffene sein Rechtsmittel mit Anträgen versehen und begründet.

 Mit Beschluss vom 21. Mai 2019 hat das Amtsgericht Perleberg die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wegen Fristversäumung gemäß § 346 Abs. 1 StPO iVm. 79 Abs. 3 OWiG verworfen, da die Begründung des Rechtsmittels nicht innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG bei Gericht angebracht worden sei.

 Der Beschluss wurde dem Betroffenen mit Zustellungsurkunde am 22. Mai 2019 förmlich zugestellt, die Verteidigerin wurde formlos davon unterrichtet.

 Mit dem bei Gericht am 28. Mai 2019 eingegangenen Anwaltsschriftsatz beantragt der Betroffene Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der Betroffene ist der Ansicht, dass das Rechtsmittel fristgerecht eingelegt worden sei, da die Urteilsabschrift, die Abschrift des Hauptverhandlungsprotkolls und die Akte zur Akteneinsicht am 17. April 2019 bei der Verteidigerin eingegangen seien und dies das für die Fristberechnung maßgebliche Datum sei.

 Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat unter dem Datum des 9. Juli 2019 beantragt, den Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zurückzuweisen.

 II.

 Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.

 1. Der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nach § 346 Abs. 2 StPO iVm. § 80 Abs. 4 Satz 2 OWiG statthaft, innerhalb der Wochenfrist bei Gericht angebracht worden und auch im Übrigen zulässig.

 2. In der Sache ist der Rechtsbehelf unbegründet.

 a) Die Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtbeschwerde beträgt gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 79 Abs. 3 OWiG einen Monat ab Zustellung der Entscheidung. Im vorliegenden Fall wurde das Urteil des Amtsgerichts Perleberg vom 13. März 2019 dem Betroffenen am 12. April 2019 wirksam förmlich zugestellt. Die Zustellungsurkunde weist dies gem. § 1 Brb VwZG iVm. §§ 2, 3 VwZG und § 182 ZPO nach. Sie ist eine öffentliche Urkunde gem. § 415 ZPO, die volle Beweiskraft gem. § 418 ZPO entfaltet. Soweit nach § 415 Abs. 2 ZPO der Nachweis der Unrichtigkeit der durch zu Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen möglich ist, ist ein solcher Nachweis nicht geführt worden. Auch erfolgte die Zustellung auf Anordnung der Gerichtsvorsitzenden (§ 36 Abs. 1 S. 1 StPO iVm. § 71 OWiG).

 Die Antragsfrist endete gemäß § 43 Abs. 1, 2 StPO iVm. 71 OWiG, da das eigentliche Fristende auf einen Sonntag (12. Mai 2019) fiel, mit Ablauf den 13. Mai 2019 (Montag). Damit war der am 17. Mai 2019 bei Gericht eingegangene Anwaltsschriftsatz zur Begründung der Rechtsbeschwerde verspätet erfolgt.

 Der Betroffene kann nicht damit gehört werden, dass die Urteilsabschrift die Verteidigerin erst am 17. April 2019 erreicht hat. Die Übersendung der Urteilsabschrift an die Verteidigerin ist - wie sich auch der richterlichen Verfügung vom 10. April 2019 zweifelsfrei ergibt (Bl. 28 Gerichtsakte) - formlos erfolgt. Die förmliche Zustellung des Urteils an den Betroffenen und nur formlose Übersendung an die Verteidigerin ist gemäß § 145a Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG zu Recht erfolgt, da die Verteidigerin eine schriftliche Vollmachtsurkunde nicht zu den Akten gereicht hat und sich auch bis heute nicht bei den Akten befindet. Maßgeblich für die Fristberechnung ist daher allein die am 12. April 2019 bewirkte förmliche Zustellung an den Betroffenen.

 Unbeachtlich ist, dass die Aktenübersendung an die Verteidigerin gegen Empfangsbekenntnis erfolgte. Dies war auch erforderlich, um die Versendung der Akten nachzuweisen und die Rücksendung der Akten an das Gericht sicherzustellen. Damit ist jedoch nicht zugleich eine förmliche Zustellung der Urteilsabschrift einhergegangen, wie sich zweifelsfrei aus der oben erwähnten schriftlichen Verfügung des Bußgeldrichters vom 10. April 2019 ergibt (Bl. 28 GA). Da der Verteidigerin des Betroffenen nach dem 10. April 2019 erneut Akteneinsicht gewährt worden war, hätte sie dies ohne weiteres erkennen können und fristgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde sicherstellen müssen.

 Aus den vorgenannten Gründen ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen nicht veranlasst. Eine solche ist auch nicht in der Frist des § 45 Abs. 1 StPO iVm. § 71 OWiG beantragt worden.

 bb) Der Senat sieht sich zu folgender Ergänzung veranlasst:

 Die Vorschrift des § 145a Abs. 1 StPO ist eine bloße Ordnungsvorschrift und begründet - ungeachtet der Tatsache, dass die schriftliche Vertretungsurkunde nicht zu den Akten gereicht worden ist - keine Rechtspflicht, Zustellungen für den Betroffenen an dessen Verteidiger zu bewirken (allgemeine Ansicht, Senatsbeschluss vom 1. April 2019, (1 Z) 53 Ss-OWi 104/19 (76/19), vgl. auch statt vieler: vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. Mai 2007, 4 Ws 210/07). Daher sind auch an den Betroffenen vorgenommene Zustellungen wirksam und setzen Rechtsmittelfristen in Gang (vgl. BVerfG NJW 2001, 2532; BGHSt 18, 352, 354; BayObLG VRS 76, 307; OLG Düsseldorf NStZ 1989, 88; OLG Frankfurt StV 1986, 288; OLG Karlsruhe VRS 105, 348; OLG Köln VRS 101, 373; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 145a Rn 6).

 III.

 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Kostenverzeichnis dafür keine Gebühr vorsieht und Auslagen nicht entstehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 346 Rdnr. 12).

OLG Brandenburg BeckRS 2019, 23706

 

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