Ministerium plant gesetzliche Regelung zur Erfassung von Arbeitszeit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 17.01.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht3|5778 Aufrufe

Nach dem „Stechuhr-Urteil“ des EuGH vom 14.5.2019 (NZA 2019, 683 - CCOO)  ist der deutsche Gesetzgeber am Zug. Es zeichnet sich nun ab, dass dies noch in dieser Legislaturperiode geschehen könnte. Wie die „Zeit“ (online vom 13.1.2020) und andere Medien berichtet gibt es im Arbeitsmininisterium bereits konkrete Pläne.

Zur Erinnerung: Die Entscheidung des EuGH war auf die Vorlage eines spanischen Gerichts ergangen. In dieser Entscheidung führte der EuGH aus, die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Allerdings obliege es den Mitgliedstaaten, im Rahmen des ihnen insoweit eröffneten Spielraums, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere dessen Form, festzulegen. Dabei können durchaus Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten bestimmter Unternehmen (zB ihre Größe) berücksichtigt werden. Das deutsche Arbeitszeitgesetz sieht bisher lediglich die Pflicht des Arbeitgebers vor, die über die Regelarbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen (§ 16 II ArbZG). Ob die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes fortan unionsrechtskonform auszulegen sind  oder ein Anpassungsbedarf durch den deutschen Gesetzgeber besteht, wird derzeit lebhaft diskutiert.

Die „Zeit“ zitiert nun eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums, wonach die Vorarbeiten für die Umsetzung des EuGH-Urteils laufen. Zu diesem Zweck hat das BMAS ein Rechtsgutachten bei dem Passauer Arbeitsrechtsprofessor Bayreuther in Auftrag gegeben (siehe aus dessen Beitrag in NZA 2020, 1). Sein Vorschlag für eine Neufassung des § 16 ArbZG lautet wie folgt:

(1) 1Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit, (sowie die nach § 4 zu gewährenden Ruhepausen) bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages (jeweils am Tag der Arbeitsleistung) aufzuzeichnen.

(2) 1Der Arbeitgeber kann die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer mit der Aufzeichnung der Arbeitszeit beauftragen (soweit dessen ungeachtet eine zuverlässige Erfassung der Arbeitszeit gesichert ist [oder:] soweit sich die tägliche Arbeitszeit nur auf diesem Weg erfassen lässt). 2In diesem Fall hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen anzuleiten. 3Der Arbeitgeber hat sich die Aufzeichnungen spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aushändigen zu lassen, diese in angemessenen Umfang zu kontrollieren und die übermittelten Daten innerhalb einer Woche nach ihrem Erhalt so aufzubereiten, dass sie den Anforderungen des Abs. 1 genügen.

(3) Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer hat das Recht, in die über ihn geführte Zeiterfassung in angemessenem Umfang Einsicht zu nehmen.

(4) Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

(5 f.) Eventuell: Verordungsermächtigung oder Öffnung für Kollektivvertragsparteien.

Die Ministeriumssprecherin sagte, es müsse nicht alles komplett auf den Kopf gestellt werden, aber einzelne Elemente müssten angepasst werden. Ressortchef Hubertus Heil (SPD) hatte gesagt, die Umsetzung des EuGH-Urteils solle verhältnismäßig geschehen und übermäßige Bürokratie vermeiden. Die Stellungnahmen aus den Reihen der Parteien sprechen sich ebenfalls für eine Novellierung aus, setzen allerdings unterschiedliche Akzente: Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke forderte: "Bundesarbeitsminister Heil sollte jetzt schleunigst ans Werk gehen und das Arbeitszeitgesetz entsprechend ändern." Der FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel forderte Heil auf, nun auch eine freiere Einteilung der Arbeitszeit in der Woche zu ermöglichen. SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte, Arbeitgeber müssten künftig ein System einrichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden könne.  Laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung machten die Beschäftigten in Deutschland im dritten Quartal 2019 im Durchschnitt 6,2 bezahlte Überstunden und 5,4 unbezahlte Überstunden.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Wenn die arbeitende Bevölkerung ein Stück Freiheit hat, wird es durch die Bürokraten wieder kassiert... Ansonsten regiert der Datenschutz-Wahnsinn, hier werden extra Daten erfasst.

0

Gast schrieb:
<p>Wenn die arbeitende Bevölkerung ein Stück Freiheit hat, wird es durch die Bürokraten wieder kassiert....</p>

Die Freiheit besteht allerdings häufig nur darin, geleistete Arbeit nicht aufzuzeichnen und in der Folge auch nicht bezahlt zu bekommen. Wo, außer bei Richtern, Professoren und Wahlbeamten, hat denn der zur Dienstleistung Verpflichtete die Möglichkeit, tatsächlich zu entscheiden, dass er auch einmal nicht arbeiten möchte?

0

Ich hoffe mal, der Gesetzgeber nimmt das zum Anlass, die Aufzeichnungspflichten zur Arbeitszeit dann einmal anzugleichen bzw. alle bis auf eine abzuschaffen. (MiLoG, AEntG ...)

Z.B.: Ein Elektrohandwerksbetrieb (dort gibt es ein Mindestentgelt nach AEntG) muss also derzeit
Aufzeichnen nach § 17 MiLoG - es sei denn der Mitarbeiter verdient mehr als 2956 Euro (MiLoDokV),
Aufzeichnen nach § 19 AEntG - für alle Mitarbeiter, die unter den Tarifvertrag fallen,
und künftig zusätzlich noch
Aufzeichnen nach dem neuen Gesetz - unter Berücksichtigung der dort geregelten Ausnahmen.

(Kein Wunder, dass man keinen Termin beim Handwerker bekommt, die kommen vor lauter Bürokratie nicht zum Arbeiten.)

Kommentar hinzufügen