"Freiwillige" Kontrolle von Schülerhandys?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 07.02.2020

Ein Fall in einer hessischen Kleinstadt hat – für die Ermittler wohl unerwartet – eine breite Diskussion im Netz ausgelöst.

Hintergrund ist der Verdacht einer nicht näher bezeichneten Sexualstraftat an einer Schülerin, die vom Täter bzw. den Tätern gefilmt worden sein soll. Es bestand offenbar der Verdacht, dass dieser Film unter Schülern eines hessischen Gymnasiums verbreitet wurde. (Quelle: Usinger Anzeiger, 5.2.20, Pressemitteilung der Polizei vom 31.01.)

Die polizeilichen Ermittler gingen in die betr. Schulklassen ( 6. bis 8. Klasse, hier: FAZ) und forderten die Schüler auf, ihre Handys/Smartphones zu entsperren und für eine Durchsicht zur Verfügung zu stellen. So sollte wohl festgestellt werden, ob sich der Verdacht, das Video sei unter den Schülern verbreitet worden, bestätigen ließ. Ggf. sollte auch die weitere Verbreitung verhindert werden.

Eltern einiger der betroffenen Schüler äußerten im Netz (u.a. auf Twitter) ihr Unverständnis. Sie seien vorab nicht gefragt oder informiert worden. Dass die Herausgabe der Telefongeräte durch die Schüler wirklich „freiwillig“ erfolgt sei, stellten sie in Frage.

Im Usinger Anzeiger wird die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M heute so zitiert:

"Tatsächlich ist es so, dass die Durchsicht auf freiwilliger Basis eine normale strafprozessuale Maßnahme und ein gebilligtes Mittel der Durchsuchung ist" sagte der Vertreter der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft im Gespräch mit dem UA. Und diese Maßnahme sei angesichts einer Sexualstraftat auch entsprechend verhältnismäßig." Da der Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, um welche Form von sexuellen Übergriff es geht, kann damit alles gemeint sein: von einer einfachen unsittlichen Berührung bis hin zu der Vergewaltigung in einer Gruppe. Gerade in einem solchen Fall kann schnelles Handeln mitunter unerlässlich sein, um zu verhindern, dass sich strafrechtlich relevante Videos weiterverbreiten."

(Quelle: Usinger Anzeiger vom 7.2.2020)

Zumindest auf Twitter wurde jedoch auch unter Juristen heftig diskutiert, ob die polizeiliche Maßnahme rechtmäßig gewesen sei.

Max Ballauf und Freddy Schenk vom Kölner Tatort hätten wohl nicht lange gefackelt und sich das Smartphone eines irgendwie beteiligten Jugendlichen einfach gegriffen und nachgeschaut. In der polizeilichen Wirklichkeit müssen Ermittlungsbeamte wissen, dass es so einfach nicht ist: Das Smartphone ist mittlerweile als umfassendes Kommunikations-, Speicher- und elektronisches Allroundmedium das Werkzeug, das die alltäglichen Aktivitäten, Kontakte und Lebensgewohnheiten eines Menschen am besten wiedergibt: Es enthält Notizen, Kalender, Telefondaten, Chats und die Bedienungsdaten von Apps verschiedenster Funktionen. Es ist daher viel mehr als ein bloßes Telefon mit Fotoapparat und neben den unzähligen banalen Daten sind darauf bei vielen Menschen, und gerade bei pubertierenden Schüler-inne-n,  private und initime Daten gespeichert, die teilweise auch über das hinausgehen, was immer noch kontroverser Gegenstand der „Tagebuch“-Diskussion über Beweisverwertungsverbote ist. Fazit: Einfach so polizeilich sich das Handy geben lassen um „mal zu gucken“, ob sich dort irgendeine ermittlungsrelevante Tatsache findet, das geht nicht.

Dass sich eine solche Maßnahme (allein) auf § 160 StPO stützen lässt, ist daher zu verneinen. Für die „Durchsicht“ eines Smartphone -Speichers (etwa Chatverläufe und Fotogalerien), selbst wenn dies nur oberflächlich geschieht und nicht in sachverständiger Weise (aufwändige Komplettuntersuchung unter Einbezug z.B. früher gelöschter Daten), bedarf es einer hinreichend bestimmten konkreten Rechtsgrundlage. Es liegt nahe, diese in § 94 Abs.2 StPO zu sehen, zumal, jedenfalls bei beschlagnahmten Computern sich die Rechtsgrundlage für die „Durchsicht von … elektronischen Speichermedien“ in einer gesonderten Norm, § 110 StPO, in demselben Abschnitt der StPO befindet. Dem Gesetzgeber war also die Problematik bekannt.  § 94 Abs.2  sieht jedoch vor, auf die förmliche Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, zu verzichten, wenn diese "freiwillig" herausgegeben werden. Ob damit auch alle anderen Kautelen der förmlichen Beschlagnahme derogiert werden können, ist m.E. zu bestreiten, aber es ist eine Frage, auf die die Kommentarliteratur mE nur unzureichend Antwort gibt. Aber jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird schon für die bloße Aufforderung zur Herausgabe gelten müssen.

Auch ob die „Freiwilligkeit“ bei strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen mit der nach § 51 i.V.m. § 46 Nr.17 BDSG für Datenerhebungen erforderlichen „Einwilligung“ identisch ist, wird kontrovers beurteilt. Teilweise wird bestritten, dass § 51 BDSG überhaupt für die bloße visuelle Durchsicht eines Smartphonespeichers Geltung habe, denn diese stelle selbst noch keine Datenverarbeitung dar, gehe derselben allenfalls voraus. Andere meinen, das BDSG gelte ohnehin nicht für strafprozessuale Maßnahmen, die in der StPO ihre (abschließende) Regelung fänden.

Nach längerem Nachdenken meine ich, dass sich aus dem § 51 BDSG für diesen Fall keine spezifischen Einschränkungen ergeben: Ich bitte ggf. die datenschutzrechtlich gebildeteren Leser um ihre Argumente und Einwände in der Diskussionsspalte (siehe jetzt unten den Kommentar von Tobias Singelnstein und meine Antwort).

Wird man im vorliegenden Fall die Freiwilligkeit des Gewahrsamsinhabers als Mindestvoraussetzung ansehen, dann kann man aus zwei Gründen im vorliegenden Fall an der Voraussetzung „freiwillig“ zweifeln:

1. Die Situation, in der die „freiwillige“ Herausgabe einschl.  Entsperrung der Geräte gefordert wurde, schien eine Weigerung nicht zuzulassen, denn ggf. mussten die Smartphone-Besitzer damit rechnen, dass man ihnen das Smartphone dann beschlagnahmt mit weit ausgeprägteren praktischen Folgen (wochenlanges Warten auf Rückgabe dieses heute nahezu lebenswichtigen Geräts) . Aber dieses Herausgabemotiv  – Vermeidung einer Beschlagnahme – ändert nach allg. Auffassung nichts an der Freiwilligkeit der Herausgabe. Dies zeigt natürlich auch, dass die Freiwilligkeit ggf. nur eine Arbeitserleichterung für die Strafverfolgungsbehörden bedeutet, aber nichts mit der Bedeutung zu tun hat, die die meisten juristischen Laien damit verbinden.

Bei einem Smartphone handelt es sich aber nicht um ein offenkundiges (mögl.) Beweismittel wie etwa ein Tatwerkzeug (Messer), ein Glas mit Fingerabdrücken o.ä. Daher kann es leicht vorkommen, dass sich ein freiwillig sein Telefon herausgebender Schüler gar nicht bewusst ist, welchen Zugriff auf sein Privatleben er den Verfolgungsbehörden damit gewährt. Und ebenso leicht kann es sein, dass sich ein Polizeibeamter oder ein Staatsanwalt gar keine Gedanken über die Verhältnismäßigkeit macht, wenn sie darum bitten, ein Smartphone "freiwillig" herauszugeben. Ist ja auch gar nicht nötig, denn was freiwillig herausgegeben wird, bedarf keiner näheren juristischen Prüfung. Die wäre ja erst bei einer Weigerung nötig und würde dann möglicherweise auch zu einem anderen Ergebnis führen.

2. Es handelte sich bei den Gewahrsamsinhabern um Minderjährige.

Ob der möglicherweise schon strafmündige, aber jedenfalls noch minderjährige Gewahrsamsinhaber eine solche (ausdrückliche oder konkludente) Erklärung überhaupt allein  „freiwillig“ abgeben kann, ist umstritten. Während Gerhold (BeckOK StPO § 94 Rn.16) generell das Einverständnis des gesetzlichen Vertreters für erforderlich hält, lässt die Mehrheit der Kommentare die Freiwilligkeit des Minderjährigen genügen, sofern er verfügungsberechtigt ist (z.B. Meyer-Goßner/Schmitt § 94 Rn. 12; LR-Menges § 94 Rn.35). Nach Eisenberg (Beweisrecht Rn. 2330c) schließlich soll regelmäßig die Einwilligung des verständigen minderjährigen Gewahrsamsinhabers den Ausschlag geben. Allerdings beziehen sich alle diese Kommentierungen auf § 94 insgesamt und damit generell auf alle Gegenstände, nicht speziell auf Smartphones. Ein bereits strafmündiger Jugendlicher, über dessen private und intime Aktivitäten auf dem Computer oder Smartphone wahrscheinlich nur er selbst Bescheid weiß, muss über die Herausgabe des Telefons mitentscheiden können, aber ohne dass dadurch die Schutzfunktion der Erziehungsberechtigten ausgehebelt wird. Deshalb müssen diese m.E. zusätzlich ihr Einverständnis geben, wenn der Jugendliche zur Herausgabe bereit ist. Der Einwand, dies werfe ggf. erhebliche praktische Probleme auf, muss demgegenüber zurücktreten: Gibt der Jugendliche sein Smartphone freiwillig heraus, muss dann eben vor der Durchsicht auch noch ein Erziehungsberechtigter zustimmen; dieser kann in der Regel angerufen werden. Ein solcher Anruf entfällt, wenn der Jugendliche ohnehin nicht zur freiwilligen Herausgabe bereit ist.

Merkwürdig erscheint mir, dass es einerseits hieß, die Polizei habe sich diese Maßnahme in dem Neu-Anspacher Gymnasium vorab von der Staatsanwaltschaft genehmigen lassen (FAZ vom 6.2.), doch die GenStA noch immer davon spricht, man wisse gar nicht „um welche Form des sexuellen Übergriffs“ es sich handele (Usinger Anzeiger, wie oben zitiert). Für eine Entscheidung über die Maßnahme ist aber die (vermutete) Schwere der Tat enorm wichtig.

Auch weitere Fragwürdigkeiten in diesem Fall müssen im Prinzip über das Verhältnismäßigkeitsprinzip verhandelt werden. War die konkrete Tat so schwer, dass damit ggf. Eingriffe in die Intimsphäre einer großen Gruppe von Schülern legitimiert werden konnte? Erfolgte die Durchsicht mit „größtmöglicher Zurückhaltung“, die das BVerfG (BVerfGE 80, 367, 375) als geboten ansieht, wenn ein Verwertungsverbot in Betracht kommt, insbes. bei höchstpersönlichen Eintragungen/Notizen/Fotografien, die die Intimsphäre des Inhabers betreffen, und im Smartphonespeicher keine Seltenheit sind?

Die Beantwortung dieser Fragen ist angesichts der (noch) nicht völlig bekannt gewordenen Einzelheiten an dieser Stelle nicht möglich.

 

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14 Kommentare

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Lieber Tobias,

ja, der Fall gibt Anlass dazu zu überlegen, ob Definition und Folgen der "freiwilligen" Herausgabe wegen der Datenschutzregeln, die über § 500 StPO einbezogen sind, nun anders (enger) gedeutet werden müssen. Wegen der geschilderten Besonderheiten des Smartphones (gilt ebenso natürlich für Tablets und Laptops) und deren unmittelbaren Bezug zur Datenverarbeitung tendiere ich dazu, im Lichte des Datenschutzes "Freiwilligkeit" (auch in § 94 Abs.2) enger auszulegen. Bisher wird an die freiwillige Herausgabe ja kaum eine Anforderung geknüpft, selbst Vierjährige sollen einwilligen können (vgl. Eisenberg BR 2330c) und die Drohung mit Beschlagnahme soll nichts an der Freiwilligkeit ändern. 

Ob eine Neuinterpretation im vorl. Fall bedeutet, dass die Polizei und StA sich rechtswidrig verhalten haben, kann ich allerdings nicht sagen. Ob und wie genau wurden die betr. Schüler belehrt, wäre eine dazu relevante Frage.

Beste Grüße

Henning

Ich teile die Auffassung, dass die Datenschutzregeln des Teil 3 BDSG hier eindeutig anzuwenden sind. Ob sie anders oder enger sind als die früher geltenden? Man weiß es nicht, dafür waren die früher geltenden Regeln einfach zu unbestimmt. Nun sind die jedenfalls gesetzlich ausformuliert und damit klarer. Da in den Chatverläufen der Schüler vermutlich auch Hinweise auf ihre politische oder weltanschauliche Einstellung bzw. auf ihr Sexualleben zu finden gewesen sein dürfte, hätte sich eine etwaige Einwilligung ausdrücklich auf solche Daten beziehen müssen (§ 50 Abs. 5 BDSG) bzw. hätten besondere Schutzmechanismen (§ 48 Abs. 2 BDSG) für diese intimen Daten gewährleistet sein müssen.

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Leider blenden Sie den Aspekt der Gefahrenabwehr vollkommen aus. Bekanntlich ist es in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen weltweit immer wieder zu Schülerselbstmorden gekommen, weil die Betroffenen wissen, dass die Bilder und Filme von den an ihnen begangenen Sexualdelikten, wenn sie einmal im Internet und auf den Handys der Peer Group Verbeitung gefunden haben, nie wieder verschwinden werden. Und da soll es  -  einen substantiellen Verdacht vorausgesetzt  -  im Ernst unverhältnismäßig sein, wenn zwei Beamte mit minimalem Zeitaufwand pro Handy mal eben kontrollieren, ob solche Bilder/Filme vorhanden sind? Die haben da doch nicht die Liebesbriefe gelesen.

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Sehr geehrter St. Ivo,

den Aspekt der Gefahrenabwehr habe ich nicht vollkommen ausgeblendet, sondern im dritten Absatz erwähnt, dass es auch um die Verhinderung einer weiteren Verbreitung ging. Da die Polizei sich das Vorgehen aber von der Staatsanwaltschaft genehmigen ließ, ging ich von einem Schwerpunkt in der Strafverfolgung aus, wie wohl auch der Generalstaatsanwalt Frankfurt a.M. Ob es eine spezielle Rechtsgrundlage im hessischen Polizeirecht gibt, worauf sich die Maßnahme (auch) stützen ließ, bin ich - zugegebenermaßen - überfragt. Im Übrigen haben Sie natürlich insofern recht, dass auch Gefahrenabwehraspekte in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einfließen. Dies gehört dann zu den am Ende meines Beitrags erwähnten offenen Fragen und ich wollte/will hier auch nicht über Suizidgefahren spekulieren.  

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Ich teile die Auffassung von St. Ivo.

Auch der Einwand von Herrn Zicht, dass die früher (ohne Verweis auf das Datenschutzrecht) geltenden Regeln "einfach zu unbestimmt waren" und diese nun "jedenfalls gesetzlich ausformuliert und damit klarer" seien überzeugt mich nicht. Nicht nur im Datenschutz- und Sicherheitsrecht ist es ein Trugschluss, dass der Verzicht auf Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe mehr Rechtssicherheit - für Bürger und Behörden - bringen würde. Das Gegenteil ist oftmals der Fall wie auch der hier diskutierte Fall zeigt. Immerhin ist gerade die Frage der (un-)freiwilligen Herausgabe von Smartphones auch im Datenschutzrecht nicht geregelt; sie gehört auch nicht dort hin, sondern unterfällt dem Sicherheitsrecht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Sicherheitsbehörden auch deshalb in der Praxis auf die Mitwirkung von Zeugen und Beschuldigten angewiesen sind, weil die Beschlagnahme eines Smartphones schon wegen der zunehmenden Geräte- und Kommunikationsverschlüsselung noch keinen Zugang zu seinen Inhalten schafft (s. die Diskussion um ein "Recht auf Verschlüsselung").

Generalklauseln bzw. die Formulierung von Grundregeln haben generell den Vorteil, die ratio legis in wenigen Worten widerzugeben und den Geltungsgrund ggf. zusätzlich einschlägiger Spezialregelungen im Allgemeinen auch für Laien nachvollziehbar zu umreißen. Sie erlauben gerade Sicherheitsbehörden, die einen prinzipiell weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraum bei der Umsetzung relevanter Generalklauseln brauchen, der jeweiligen Situation angepasst reagieren zu können. Ihre Maßnahmen sind voll justiziabel und der richterlichen Prüfung unterworfen. ME erlaubt nur ein solches System eine Einzelfallgerechtigkeit, die gerade im Bereich der Ausbalancierung von Freiheitsrechten und Sicherheitsinteressen so wichtig ist.

Daneben ist nichts dagegen zu sagen, etwa über gesetzliche Regelfallbeispiele oder Rechtsverordnungen Konkretisierungen der Grundregeln bzw. Ermächtigungsnormen für bestimmte, praktisch besonders relevante Bereiche zu formulieren und somit mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Solche Konkretisierungen müssten sich aber immer am Kerngehalt der jeweiligen Grundnorm messen lassen und dürften diese nicht konterkarieren. Das gilt auch für die hier diskutierte Frage der mehr oder weniger freiwilligen und oberflächlichen Auswertung von Schülerhandys und anderen Datenträgern.

Vielen Dank für Ihren Kommentar, Frau Kaufhold.

Sie halten ebenso wie St. Ivo die Bitte um Herausgabe der Handys für eine kurze Durchsuchung nach einem Tatvideo aus Gefahrenabwehrgründen für verhältnismäßig und legitim. Das ist durchaus plausibel. Jnteressant wird es für mich in dem Moment, in dem eine nach Sicherheitsrecht/Gefahrenabwehrrecht verhältnismäßige kurze Überprüfung tatsächlich ergibt, dass auf einem Schülerhandy das inkriminierte (oder ein anderes einen Tatverdacht auslösendes) Video "gefunden" wird und nun ein Strafverfahren eingeleitet werden soll:

Darf dann die ohne Belehrung vorgenommene "freiwillige" Durchsuchung des Smartphones verwertet werden?
Darf das Smartphone nun ohne förmliche Sicherstellung forensisch untersucht werden (weil ja "freiwillig" herausgegeben)?
Ob und wann müssen Eltern einbezogen werden?

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Vielen Dank, Herr Müller. Das sind natürlich berechtigte Fragen, die ebenfalls einer Antwort bedürfen. Vielleicht bietet es sich an, ab dem von Ihnen genannten Zeitpunkt (in dem der Verdacht sich ja erhärtet) in der Tat eine förmliche Sicherstellung zu verlangen. Wenn das geltende Recht auch hierauf keine Antwort gibt, ist der rechtspolitische Handlungsbearf wohl noch größer als ich dachte.

Auch aus diesen Sachverhalten zeigt es sich, dass das Recht von der Politik abhängt, und um mit Ernst-Wilhelm Bockenförde zu sprechen, der es so sagte: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“

Das gilt auch für die Rechtsprechung und für die Justiz, auch die leben von Voraussetzungen, die sie selber nicht garantieren können.

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Im Übrigen sehe ich eine Verächtlichmachung des säkulären Staates wegen seiner inneren Widersprüchlichkeiten genau so ablehnend kritisch wie eine Verächtlichmachung von Rechtsprechung und Justiz wegen ihrer inneren Widersprüchlichkeiten, denn diese sind alle systemimmanent und können nicht beseitigt werden. Das müsste jedem vernünftigen Menschen, zu denen ich prinzipiell auch noch Rechtskundige mit einem, oder mit beiden Staatexamina (m/w/d) zähle, doch einleuchten.

Mit systemimmanenten Widersprüchen muss gelebt werden können.

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