Trotz Fahrverbots im Ausland fahren? - nicht mit dem OVG Lüneburg

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.03.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht3|2166 Aufrufe

Einmal wieder etwas Verwaltungsrecht. Der Betroffene wollte während des Fahrverbots schön ins Ausland - und da wohl nicht auf seinen Führerschein verzichten. Er wollte so eine Art "Ersatzführerschein" zur Vorlage in den U.S.A. Das OVG Lüneburg fand das nicht ok.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer - vom 20. September 2019 wird zurückgewiesen.

 Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.

 Gründe: 

 I.

 Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass es die Vorinstanz durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Dokument auszustellen, das ihn als Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis ausweist, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen in den USA im Zeitraum vom 30. September 2019 bis zum 18. Oktober 2019 berechtigt, soweit es den Zeitraum vom 2. bis 18. Oktober 2019 betrifft. Das hinter dem Antrag stehende Anliegen des Antragstellers ist es, dass er den Beginn eines gegen ihn rechtskräftig verhängten Fahrverbotes durch entsprechende Wahl des Zeitpunktes der Abgabe seines Führerscheins nach § 25 Abs. 2a StVG so steuern möchte, dass das Fahrverbot in den Zeitraum seines geplanten Auslandsaufenthalts fällt. Er meint zudem, dass das Fahrverbot im Ausland nicht gelte und er deshalb dort aufgrund seiner deutschen Fahrerlaubnis weiterhin zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt sei. Vor diesem Hintergrund beansprucht er die begehrte Bescheinigung zum Nachweis der Fahrerlaubnis.

 Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag unter anderem aus den folgenden Gründen abgelehnt: Der Antragsteller begehre mit seinem Antrag eine Vorwegnahme der Hauptsache, die nur dann zulässig sei, wenn unter anderem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spreche. Diese Voraussetzung liege nicht vor. Für die Ausstellung des begehrten Dokuments fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Ein das materielle Begehren des Antragstellers tragender Anspruch ergebe sich weder aus § 25 StVG noch aus anderen Vorschriften. § 25 StVG spreche vielmehr gegen einen solchen Anspruch. Wäre die Nutzung der deutschen Fahrerlaubnis im Ausland eine vom Gesetzgeber gewollte Begünstigung gewesen, hätte es nahegelegen, lediglich die fehlende Fahrberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland im Führerschein zu vermerken und diesen sodann dem Inhaber zurückzugeben, wie dies bei ausländischen Führerscheinen geschehen müsse (§ 25 Abs. 3 Satz 1 StVG). Deutsche Führerscheine seien aber abzuliefern (§ 25 Abs. 2 Satz 1 StVG). Außerdem sei festzustellen, dass sich der Gesetzgeber der Problematik der Frage bewusst gewesen sei, ob ein in Deutschland verhängtes Fahrverbot auch im Ausland gelte, und dennoch eine Anspruchsgrundlage nicht geschaffen habe. Aus den Gesetzgebungsmaterialien zu der § 25 StVG vergleichbaren Regelung des § 44 StGB werde insbesondere deutlich, dass die Möglichkeit, trotz des in Deutschland verhängten Fahrverbots im Ausland von der Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen - wenn sie denn bestehe - allenfalls als notwendiges Übel hingenommen werde und wenn möglich eine Erstreckung des Fahrverbots auf das Ausland befürwortet werde (BT-Drucks. 13/6914, S. 109). An keiner Stelle entstehe dagegen der Eindruck einer gewollten Begünstigung für den Betroffenen, der das in Deutschland verhängte und dort geltende Fahrverbot durch einen Auslandsaufenthalt umgehen können solle. Derartiges sei auch den Gesetzgebungsmaterialien zu § 25 StVG nicht zu entnehmen. Nur eine gewollte Begünstigung des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers könne aber - vorbehaltlich eines Anspruchs aus Grundrechten, für den hier nichts ersichtlich sei - ein subjektivöffentliches Recht vermitteln. Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch ergebe sich schließlich auch nicht aus dem von ihm zitierten § 23 Abs. 2 FeV und ebenso wenig aus § 25 Abs. 4 Satz 1 FeV, und zwar weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung.

 II.

 Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 20. September 2019 hat keinen Erfolg. Denn die dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und den begehrten vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Sie erschüttern nämlich nicht den oben unter I. wiedergegebenen, selbständig tragenden Begründungsstrang der angefochtenen Entscheidung.

 Teilweise genügen die Beschwerdegründe bereits nicht den Anforderungen, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO an ihre Darlegung unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung zu stellen sind; im Übrigen überzeugen sie in der Sache nicht. Um sich im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, muss ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung ausgehen und das Entscheidungsergebnis in Frage stellen (Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 146 Rn. 31). Die erforderliche Dichte seiner eigenen Ausführungen hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a). Es reicht grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und - soweit möglich - deren Vorzugswürdigkeit darlegen (Nds. OVG, Beschluss vom 16.11.2016 - 12 ME 132/16 -, ZNER 2017, 70 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 56, und Beschluss vom 10. 2. 2014 - 7 ME 105/13 -, juris, Rn. 26). Anlass, diese Darlegungsanforderungen wegen der besonderen Eilbedürftigkeit des Verfahrens herabzusetzen, wird angesichts des Umfangs der Beschwerdebegründung nicht gesehen.

 Der Antragsteller wendet sich unter II. 1. seiner Beschwerdeschrift gegen die Annahme der Vorinstanz, dass es keine Anspruchsgrundlage gebe, mit dem Vortrag, die dafür gegebene Begründung des Verwaltungsgerichts erschöpfe sich in dem Satz, der als letzter oben unter I. von den Gründen des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben wird. Dies ist ausweislich der oben unter I. referierten, umfänglichen weiteren Ausführungen der Vorinstanz unrichtig. Diesen Ausführungen, namentlich zu § 25 StVG, ist insbesondere sinngemäß zu entnehmen, dass es hier an der für die analoge Anwendung einer Vorschrift erforderlichen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 4.10.2018 - 20 U 113/17 -, MDR 2019, 280, hier zitiert nach juris Rn. 58) p l a n w i d r i g e n Unvollständigkeit der (materiellen) Gesetze fehle.

 Die These des Antragstellers, § 23 Abs. 2 FeV begründe den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, inwieweit eine „Nebenbestimmung“ in den Führerschein aufgenommen werde, eignet sich nicht zur argumentativen Herleitung einer Anspruchsgrundlage für das begehrte Dokument, weil § 23 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis und kein Nachweisdokument betrifft, weil sich die Vorschrift zudem auf den nicht gegebenen Fall bedingter Fahreignung bezieht und weil die Norm als Nebenbestimmungen lediglich entsprechende Auflagen vorsieht. Sie kann also keinesfalls unmittelbar anwendbar sein und das Vorliegen der Voraussetzungen für ihre (mehrfach) analoge Anwendung legt der Antragsteller nicht ansatzweise ausreichend dar.

 Soweit er die Rechtsbehauptung anschließt, auch § 25 FeV begründe den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, inwieweit eine „Nebenbestimmung“ in den Führerschein aufgenommen werde, gilt Entsprechendes. Auch diese Vorschrift ist auf sein Begehren nicht unmittelbar anwendbar und ihre Analogiefähigkeit wird nicht ausreichend aufgezeigt. Im Übrigen begehrt der Antragsteller keinen Führerschein.

 Soweit der Antragsteller die Gedankenführung der Vorinstanz mit dem Argument kritisiert, diese verkenne bei ihrer Bezugnahme auf Motive des Gesetzgebers, dass es „dort“ um die Fahrerlaubnis, nicht das Fahrverbot gehe, wird schon der genaue Bezug seiner Kritik nicht deutlich.

 Es ist unerheblich, dass der Antragsteller Fehlzitate von Fundstellen der Gesetzesmaterialien kritisiert, auf die sich die Vorinstanz bezieht. Denn er legt nicht dar, dass den Gesetzesmaterialien, anders als es die Vorinstanz zugrunde gelegt habe, entnommen werden könne, es sei eine g e w o l l t e Begünstigung des Betroffenen, dass dieser das in Deutschland verhängte und dort geltende Fahrverbot durch einen Auslandsaufenthalt umgehen könne. Diese Darlegung wäre jedoch zur Herleitung einer einfachrechtlichen Anspruchsgrundlage erforderlich gewesen, solange der Antragsteller nicht die Richtigkeit des Rechtsatzes der Vorinstanz widerlegt hatte, nur eine g e w o l l t e Begünstigung des Gesetz- bzw. des Verordnungsgebers könne ein einfachrechtliches subjektivöffentliches Recht vermitteln. Eine solche Widerlegung ist indessen nicht ersichtlich.

 Soweit der Antragsteller im Folgenden kritisiert, die Einstellung des deutschen Gesetzgebers zur (etwa fehlenden) Wirksamkeit des Fahrverbots im Ausland sei unerheblich, berücksichtigt er zu Unrecht weder die potentielle Bedeutung der Gesetzesmaterialien für die Annahme der Planwidrigkeit einer Unvollständigkeit der materiellen Gesetze noch für die Herleitung des Umfangs eventuellen Drittschutzes einer Norm.

 Die These des Antragsstellers, er werde durch die Versagung der begehrten Bescheinigung ohne gesetzliche Grundlage in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingeschränkt, weil es ihm ggf. während seiner USA-Reise verwehrt bleibe, ein Kraftfahrzeug zu führen, obwohl er nach der dortigen Rechtslage dazu berechtigt sei, führt nicht zu einer Anspruchsgrundlage für das begehrte Dokument. Denn die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika ergibt sich nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das „Problem“ des Antragstellers liegt nicht auf der Ebene der Eingriffs-, sondern der Leistungsverwaltung. Dem Art. 2 Abs. 1 GG lässt sich aber keine grundgesetzliche Pflicht der deutschen Staatsgewalt entnehmen, für den Antragsteller jeweils diejenigen Beweisdokumente zu schaffen und auszustellen, die er - möglicherweise - benötigen würde, um in den Vereinigten Staaten dortige Rechte zum Führen von Kraftfahrzeugen faktisch ausüben zu können. Im Übrigen legt er auch nicht dar, welche Gestalt der Nachweis haben soll, um während seiner USA-Reise die angestrebte Beweisfunktion erfüllen zu können. Soweit der Antragsteller kritisiert, es werde ohne Rechtsgrundlage in sein Wahlrecht nach § 25 Abs. 2a StVG „eingegriffen“, verwechselt er in ähnlicher Weise die Perspektive. Es handelt sich nicht um einen „Eingriff“, wenn der Anspruch auf eine Akte der Leistungsverwaltung nicht besteht, dessen Fehlen eine bestimmte Ausübung der Wahlmöglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG unattraktiv macht. Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt auch keine unzumutbare Benachteiligung gegenüber Fahrerlaubnisinhabern vor, die während ihres USA-Aufenthalts in Deutschland keinem Fahrverbot unterliegen. Denn bereits der Umstand, dass es den Sanktionscharakter des Fahrverbots abschwächen müsste, wenn das von dem Antragsteller begehrte Dokument ausgestellt würde, rechtfertigt die Annahme, dass es nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich vorgesehen werden muss, einen Anspruch auf ein solches Dokument zu gewähren.

OVG Lüneburg BeckRS 2019, 38041

 

 

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3 Kommentare

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Interessant und sonderbar, ferner die verwunderlichen Gesinnungen der Justiz. Somit kann also die deutsche Staatsgewalt einfach in anderen Laendern damit deutsche Rechte durchsetzen. Aber das gibt es ja auch in anderen Sachen, wo die Rechte und Bestimmungen der Buerger auf deren Hoheitsgebiet von der deutschen Staatsgewalt ueberstimmt und ausser Kraft gesetzt werden. Der deutsche Fuehrerschein, man muss ihn nicht mal benutzen, verkommt zu einen Allzweckdokument mit Nebenwirkungen. Zwischen den Laendern koennte diese Sache fuer Fahrerlaubnisse eigentlich besser abgestimmt sein.

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"einfach in anderen Laendern damit deutsche Rechte durchsetzen"

Nein, auch Sie drehen das Problem auf den Kopf: Der deutsche Staat versagt dem Kläger nicht, in den USA ein Kfz zu führen. Das machen die Regeln der USA.

Deren Regeln setzen offenbar voraus, die Fahrerlaubnis nachzuweisen. Das geht normalerweise mit dem Führerschein selbst. Wer den abgegeben hat, hat ein Problem, diesen Nachweis zu führen.

Der Kläger verlangt nun einen alternativen Nachweis, für den es aber keine Anspruchsgrundlage gibt. Nur am Rande wird dabei das Problem aufgeworfen, dass es inhaltlich widersinnig erschiene, die Fahrtüchtigkeit zu bescheinigen, wenn die gerade (vorübergehend) verneint wurde. Der Kern des Problems ist aber nicht das, sondern schlicht das Fehlen der Anspruchsgrundlage.

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Sie moegen mit ihren Meinungen recht haben. Die Ausgestaltung der Bestimmungen ueber KFZ Fuehrerscheine uebersteigt in manchen Bereichen meinen Vorstellungen. 

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