Corona in Österreich - Mobilfunker liefert Bewegungsdaten an Regierung

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 19.03.2020

Die österreichische Presse berichtet, dass ein großer Mobilfunkbetreiber „aus eigenem Antrieb“ der Regierung die Bewegungsprofile aller Handynutzer österreichweit zur Verfügung stellt. Die Daten sollen dem österreichischen Krisenstab zeigen, wie und ob die sozialen Kontakte abnahmen oder nicht. Es ist nicht ganz klar, welche Daten übermittelt wurden. Der Mobilfunkbetreiber betont, dass man anhand der Daten keinerlei Rückschlüsse auf den einzelnen Handy-Nutzer ziehen könne. Jedes Handy bekomme eine für das Tracking automatisch nach dem Zufallsprinzip generierte Nummer zugewiesen. All diese Nummern würden alle 24 Stunden frisch vergeben.

Österreichische Datenschutzexperten haben hiergegen Bedenken: Der Betreiber greife auf vorliegende, historische Standortdaten zu, die nicht vollständig anonymisiert werden können. Allenfalls führe die Maßnahme zu einer Pseudonymisierung – d.h. die DS-GVO sei weiter anwendbar (vgl. Art. 4 Nr. 5 DS-GVO). Eine Rechtsgrundlage nach dem österreichischen Telekomgesetz oder dem Epidemiegesetz gäbe es nicht, meint ein Experte. Die österreichischen Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ schließen sich der Kritik an.

Die Meldung passt in den hier schon diskutierten Zusammenhang, dass in Krisenzeiten der Datenschutz zurückgefahren wird - wie immer man dazu stehen mag.

Z.B. könnten die Behörden die Betreiber bitten oder gar zwingen, die generierten Standortdaten von (potenziell oder tatsächlich) Infizierten zu erhalten oder Infizierte nachzuverfolgen. Bekannt ist die massenhafte Auslesung der Standortdaten in China, wo ein Aufenthalt im Virus-Krisengebiet (angezeigt als „rot“) nach Berichten eine Zwangsquarantäne des Mobilfunknutzers nach sich ziehen kann.

Auch Israel überwacht infizierte Nutzer anhand ihrer Standortdaten. In Italien und Belgien werden solche Maßnahmen nach Presseberichten diskutiert.

Was halten Sie vom der österreichischen Initiative? Gerechtfertigt z.B. nach Art. 9 (2) (g) (h) oder (i) DS-GVO oder schlicht und einfach rechtswidrig? Was meinen Sie?

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10 Kommentare

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Selbst wenn es rechtskonform sein sollte ist es ein Unding.

Sind die Rosa Listen kein Begriff mehr in der Politik und Gesellschaft?

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Die Zulässigkeit ist primär nach der ePrivacyRL (in Österreich umgesetzt im TKG) zu beurteilen (zum Verhältnis DSGVO - ePrivacyRL gibt es in Österreich übrigens bereits mehrere E der Datenschutzbehörde).

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Das EDPB hat sich gestern auch zu dem Thema geäußert: https://edpb.europa.eu/news/news/2020/statement-edpb-chair-processing-personal-data-context-covid-19-outbreak_en

Die Übermittlung der Standortdaten an Regierungsstellen ist übrigens auch ein Thema in den USA: 

"Sen. Edward J. Markey, D-Mass., wrote to the Trump administration on Thursday urging the executive branch to "balance privacy with any data-driven solutions to the current public health crisis."

 Though reports said the administration was only seeking to sift through aggregated and anonymized location data for insights, Markey said that also posed a privacy risk because of the amount of information that can be extracted from such data.

 "Attempting to limit smartphone location data in this manner is insufficient to preclude violations of Americans' privacy," Markey said. "We need assurances that collection and processing of these types of information, even if aggregated and anonymized, do not pose safety and privacy risks to individuals."

 Markey isn't the only one concerned about privacy being breached as the federal government works to contain the spread of COVID-19, which had infected more than 11,000 people in the United States as of Thursday afternoon.

 Five other Democratic senators wrote to Vice President Mike Pence on the same day with questions about the administration's planned rollout of a website [...] to shepherd individuals with symptoms toward testing sites."

Nicht nur viele Laien, sondern auch viele Politiker, kennen den Unterschied zwischen Anonymisierung und Pseudoisierung nicht.

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Angeblich sol der bayerische Gemeindetagspräsident, Uwe Brandl, im Bayerischen Rundfunk gesagt haben, er könne sich zur Überwachung der Corona-Hotspot bezogenen sogenannten 15-Kilometer-Regel auch die Nutzung von Handy-Daten vorstellen.

Und zwar wohl nicht nur für Infizierte oder Infektions-Verdächtige oder Quarantäne-Verpflichtete, sondern wohl für alle Bürger.

Ich frage mich, ob das nicht auf eine Art Totalüberwachung oder elektronische Fußfessel für Alle hinausliefe?

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In Israel hat (laut heutiger Meldung aus dem Corona-Live-Blog der Internetseite der ARD-Tagesschau) das Oberste Gericht der Regierung die pauschale Nutzung der Handy-Ortung von Coronavirus-Infizierten untersagt.

Die Maßnahme sei ein schwerer Verstoß gegen die bürgerlichen Freiheiten, erklärt das Gericht.

Es sei zu befürchten, dass die als vorübergehende Notmaßnahme eingeführte Handyortung allmählich zur Dauereinrichtung werde.

Das Gericht gab der Regierung bis zum 14. März Zeit, den wahllosen Einsatz der Überwachung zu beenden und ihn auf bestätigte Coronavirus-Infizierte zu beschränken, die eine epidemiologische Befragung verweigerten.

Zur Pandemie-Eindämmung hat der Geheimdienst Schin Bet die Überwachungstechnologie seit März 2020 eingesetzt.

Dabei wurden zur Kontaktermittlung Standorte von Infizierten mit Handydaten anderer Personen in der Nähe abgeglichen.

Bürgerrechtsgruppen zogen dagegen vor Gericht.

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Die Regierungen in Österreich und den Niederlanden planen derzeit wohl außerdem, daß unter Bezug auf die Corona-Pandemie auf die Smartphones der Bürger denächst weitere Applikationen heruntergeladen werden sollen, und zwar mit sogenannten "digitalen Impfpässen", mit denen man sich dann zu Beispiel bei Betreten von Geschäften, Restaurants, Straßenbahnen, oder anderen öffentlichen Orten ausweisen soll. Wer die Software nicht herunterlädt und benutzt, wird dann quasi unter Hausarrest gestellt (naja, vielleicht nicht ganz, im Wald spazieren zu gehen wird vielleicht noch erlaubt sein).

Alfred J. Noll und Hannes Hofbauer fürchten einen dauerhaften Umbau von Staat und Gesellschaft, einen die Verfassung relativierenden Ausnahmezustand als Dauerzustand, und dauerhafte Einschränkungen von Datenschutz und Grundrechten.

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Nun geht das mit solcher Ausweispflicht seit längerem schon so etwa bei Zigarettenkauf , Alkoholkauf ( Alter) usw. Dort geht es eher um Selbstschutz der Kunden. Wenn nun Fremdschutz vor Infektionen in Rede steht - ist das dann so schlimm? Logisch ist eigentlic zu trennen:  a) ist die materielle Anforderung rechtens?  b) wenn ja - dann muss sie kontrolliert werden, und zwar effektiv. - Wegen besonderer Sachkunde kann man ja die evanglische Diakonie fragen.Wegen des Bordellöffnungsbegehrens - gibt's da dann gesundheitsbezogene Anforderungen?

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