Coronapandemie: Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 22.03.2020
Rechtsgebiete: Miet- und WEG-RechtCoronaRechtspolitik10|7110 Aufrufe

Auf den Internetseiten des Tagesspiegel (https://www.tagesspiegel.de/berlin/keine-raeumungen-in-der-pandemie-so-w...), aber auch in der heutigen Printausgabe heißt es, die Bundesregierung wolle schon am Montag ein „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verabschieden. Quelle ist womöglich die Deutsche Presse-Agentur. Auf den Seiten der Berliner Zeitung (https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/mit-diesen-konkrete...) heißt es jedenfalls, der Deutschen Presse-Agentur läge eine Gesetzesvorlage der Bundesministerien für Justiz, Inneres und Wirtschaft vor (siehe jetzt auch https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Corona-Pandemie.pdf?__blob=publicationFile&v=3). Überblick:

  • Mieter: Mietern soll wegen Mietschulden in der Corona-Krise nicht gekündigt werden dürfen. Gelten soll dies für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibe aber im Grundsatz bestehen.
  • Schuldner: Auch weiteren Schuldnern, die wegen der Corona-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, sollen keine rechtlichen Folgen drohen. Bei Darlehen soll es eine gesetzliche Stundungsregelung geben.
  • Fristen: In der Vorlage wird die Möglichkeit einer Verlängerung der Fristen für die Erleichterungen für Mieter und Schuldner um ein Jahr angelegt. Sollte sich herausstellen, dass der Zeitraum von April bis September 2020 nicht ausreichend ist, (...) wird dem Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (...) die Möglichkeit eingeräumt, die (...) Befristungen (...) bis höchstens zum 31. Juli 2021 zu verlängern.
  • Insolvenzen: Ausgesetzt werden sollen der Vorlage zufolge die Insolvenzantragspflicht und die Verbote, weiter Zahlungen zu leisten - es sei denn die Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie oder es besteht keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen.
  • Haupt- und Vereinsversammlungen: Hauptversammlungen von Unternehmen sollen online ohne Präsenzpflicht durchgeführt werden können. Die Einberufungsfrist soll auf 21 Tage verkürzt werden können. Für Genossenschaften und Vereine sollen ebenfalls vorübergehend Erleichterungen für die Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz geschaffen werden. Bei Gemeinschaften von Wohnungseigentümern soll der beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen fortgelten.
  • Strafverfahren: Der Regierungsentwurf sieht weiter vor, dass es Gerichten erlaubt wird, die Hauptverhandlung für maximal drei Monate und zehn Tage zu unterbrechen, wenn diese wegen der Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden kann.

Auch im Tagesspiegel heißt es, die Lockerung des Kündigungsschutzes könne bis höchstens 31. Juli 2021 verlängert werden. Jan-Marco Luczak von der CDU wird insoweit wie folgt zitiert: „Es ist richtig, dass wird den Kündigungsschutz für Mieter hochfahren, wenn sie infolge der Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und ihre Miete nicht mehr zahlen können“. 

Wenn diese Berichte stimmen (in Bezug auf die Insolvenz spricht eine PM des BMJV dafür - https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/031620_Insolve...), reagiert die Bundesregierung schnell. Sind die Berichte vollständig, handelt es sich im Kern allerdings nur um Stundungen. Es bleibt abzuwarten, ob das reicht und ob nicht auch - untechnisch - über Minderungen/Nachlässe nachzudenken sein wird. Ferner scheint es leider für das Zivilverfahren und das Verfahrensrecht der Fachgerichte keine Regelungen zu geben. Hier gilt es ggf. nachzusteuern. Im Übrigen sind nach den Berichten die Versammlungen der Wohnungseigentümer nicht vollständig in den Blick genommen worden. Hier gibt es aber bereits eine große Unruhe (https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA2003...), da bis zum Sommer die meisten Versammlungen abzuhalten sind.

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10 Kommentare

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Am kommenden Montag will der Bund nun ein Gesetz verabschieden, dass Mieter und Vermieter gleichermaßen einen Aufschub gewährt für die Dauer der Corona-Epidemie.

So steht es im Tagesspiegel, denn  so schnell funktioniert das auch so noch nicht:

die Bundesregierung wolle schon am Montag ein „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verabschieden.

Da müßten dann die Lesungen zuerst im Bundestag erfolgen, vermutlich wäre das Gesetz auch noch zustimmungspflichtig und muß auch noch durch den Bundesrat gehen und dann noch vom Bundespräsidenten unterschrieben werden und nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wirksam werden gemäß GG Art. 82.

Sind ja nur noch einige formale Kleinigkeiten, warten wir es also ab.

Ein wichtiger Bereich fehlt meines Erachtens noch, nämlich das FamFG in Betreuungs- und Unterbringungssachen. Im Moment fahren die Gerichte und Verfahrenspfleger (z.B. Rechtsanwälte) in allemöglichen Kliniken und Altenheime, um Unterbringungen anzuordnen und Betreuungen einzurichten. Im Sinne des Infektionsschutzes kann dies weder aus der Sicht der Richter, der Verfahrenspfleger, der Betroffenen, der Kliniken noch der Allgemeinheit sein. Es läuft nicht nur dem Gebot der Kontaktvermeidung zuwider, auch die Knappheit der Schutzkleidung wird noch weiter befördert. Insofern dürfte es geboten sein, wenn der Gesetzgeber für eine Übergangszeit die Möglichkeit schafft, dass aufgrund der Pandemie und des Infektionsschutzes für die Allgemeinheit im Bereich des Betreuungs- und Unterbringungsrechts von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden kann. Die Eilregelungen etwa in § 301 und § 332 FamFG genügen nicht, sie haben nicht die Zielrichtung eines Schutzes von Richtern, Verfahrensbeteiligten oder der Allgemeinheit.

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Ich bin ganz bei Ihnen, RiSta.
Und der Amtsrichterverband fordert dies ja auch.
Mitte letzter Woche, Anhörung auf Intensivstation, zum ersten Mal nach -zig Jahren darf/muss ich so rein. Mundschutz, Handschuhe usw.: Fehlanzeige ("Müssen wir zurückhalten, für die ersten bestätigten Fälle").
Danach Unterbringungsanhörung: Betroffener baut sich sofort direkt vor mir auf und brüllt mich an.
Seitdem schon wieder einige Eilsachen, in der Klinik und in Heimen.
Was nutzen die durchdachtesten Verfahrensgarantien, wenn der, den sie schützen sollen, hinterher tot ist, oder der, der sie einhält, sein ganzes Gericht in den Quarantäneabgrund reißt?

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Sind Sie denn wirklich so arm, sich weder einen vernünftigen Mundschutz, noch ordentliche Handschuhe selber kaufen zu können?

Polizisten kaufen sich auch mal eigene schussfeste Westen übrigens.

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Insofern dürfte es geboten sein, wenn der Gesetzgeber für eine Übergangszeit die Möglichkeit schafft, dass aufgrund der Pandemie und des Infektionsschutzes für die Allgemeinheit im Bereich des Betreuungs- und Unterbringungsrechts von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden kann.

Warum möchten Sie nicht eingeleitete Verfahren aussetzen, sondern wichtige Schutzrechte von Betroffenen umgehen?

Die Eilregelungen etwa in § 301 und § 332 FamFG genügen nicht, sie haben nicht die Zielrichtung eines Schutzes von Richtern, Verfahrensbeteiligten oder der Allgemeinheit.

Sie haben die Zielrichtung des Schutzes von Betroffenen vor falschen Attesten und vor interessierten Personen, die Betroffene schnell abschieben bzw. entmündigen wollen, auch wenn das heute euphemistisch "betreuen" heißt.

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So wollen wir doch beobachten und dann wahrnehmenn und behalten, wie flott man ein Gesetz zustandekommen lassen kann, wenn man etwas WIRKLICH WILL. 

Die LTO-Presseschau:

Corona und ZPO: In vielen Gerichten werden derzeit Termine aufgehoben oder verlegt. Welche Konsequenzen das auf laufende Fristen hat, beschreibt zpoblog.de und auf community.beck.blog fasst der Richter am Kammergericht Oliver Elzer zusammen, wie Richter in dieser Ausnahmesituation agieren. 

Corona und Mietrecht: Auf lto.de erläutern die beiden Rechtsanwälte Marc Häger und Marvin Rochner, welche rechtlichen Möglichkeiten gewerbliche Mieter denen aufgrund der Coronakrise die Einnahmen wegbrechen, gegenüber ihren Vermietern haben. Mit derselben Fragestellung befasst sich auch der Richter am Kammergericht Oliver Elzer auf community.beck.de.

Guten Tag Zusammen,

Zugunsten von Verbrauchern und Kleinstunternehmen wird vorübergehend für bedeutsame Dauerschuldverhältnisse die Möglichkeit zur Leistungsverweigerung geschaffen, soweit sie ihre Leistungspflichten wegen der Folgen der COVID-19-Pandemie derzeit nicht erfüllen können.

Es wird hier eine Einrede geschaffen. Gehen Sie davon aus, dass wir hier eine ex tunc oder nunc Wirkung haben werden? Meiner Meinung nach müsste hier eine ex nunc Wikung vorliegen.

Besten Dank für Ihr Feedback.

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