Coronavirus: Handy-Ortung im neuen Seuchenschutzgesetz

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 22.03.2020
Rechtsgebiete: Weitere ThemenCoronaMedizinrecht3|4701 Aufrufe

Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie hat sich der Föderalismus als Störfaktor herausgestellt, findet Gesundheitsminister Jens Spahn. Er will dem Bund mehr Eingriffsmöglichkeiten beim Infektionsschutz verschaffen. In einem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ die einigen Zeitungen, u.a. dem Handelsblatt als Entwurfspapier vorliegt, soll ein umfangreicher Maßnahmenkatalog beschlossen werden. Das Bundesgesundheitsministerium wird u.a. ermächtigt:

  • grenzüberschreitende Personentransporte zu untersagen,
  • per Handy-Ortung die Kontaktpersonen von Infizierten zu suchen,
  • medizinisches Personal zwangsweise zu rekrutieren.
  • die Versorgung von Arzneimitteln und Schutzausrüstung zentral zu leiten,
  • Gesundheitseinrichtungen zu verpflichten, bestimmte Kapazitäten vorzuhalten.

Schon am Montag, den 23.03.2020, soll ein solches Gesetz im Kabinett diskutiert und Teil der Krisenbeschlüsse werden. Am Mittwoch, den 25.03.2020, könnte das Gesetz den Bundestag passieren.

Weitere Maßnahmen möchte Spahn beim Gesundheitsministerium bündeln. Gedacht ist an Ermächtigungen für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr. So beispielsweise Meldepflichten bei Reisen im Bahn- und Busverkehr.

Für die Handy-Ortung sollen die zuständigen Behörden Daten zur Bestimmung des Aufenthaltsortes nutzen dürfen. Dies wenn ein Erkrankter über sein persönliches Risiko informiert werden soll. Die Mobilfunkanbieter sollen Gesundheitsbehörden die Standortdaten zur Verfügung stellen. Mit dieser Handydatenauswertung hatte Südkorea gute Erfolge in den letzten Wochen gehabt.

In dem Gesetzesentwurf heißt es „das aktuelle Ausbruchsgeschehen der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Krankheit Covid-19 zeige, dass im seuchenrechtlichen Notfall das Funktionieren des Gemeinwesens erheblich gefährdet sein“ könne, so der Berliner Tagesspiegel vom 22.03.2020. Begründet werden die Maßnahmenkatalog damit, dass in einer sich „dynamisch entwickelnden Ausbruchssituation“ durch eine sich „grenzüberschreitend ausbreitende übertragbare Krankheit eine erhebliche Gefährdung eintreten“ kann, „der nur begrenzt auf Landesebene begegnet werden“ könne.

Jeder Tag zählt! Ist eine Neuordnung der Kompetenzen des Bundes geboten, um, wie es Andreas Strom, der Vorstandsvorsitzende der DAK formuliert, „die Zielgenauigkeit, die Einheitlichkeit und die Wirksamkeit der notwendigen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung“ zu verbessern? Politik ist immer eine Wette zwischen den Einschätzungen der gegenwärtigen Lage und den Folgen für die Zukunft.  

Nachtrag am 22.03.2020 um 18:30 Uhr: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will nun doch keine Kontaktpersonen von Infizierten via Handy orten lassen. Das wurde laut Nachrichtenagentur AFP aus Regierungskreisen bestätigt. Die Regelung über die Handy-Ortung soll bis Ostern nachgearbeitet werden.

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Die LTO-Presseschau:

Infektionsschutzgesetz: Gesundheitsminister Jens Spahn will das Infektionsschutzgesetz verschärfen, so dass u.a. Behörden künftig Ärzte zwangsverpflichten können. Das berichtet die Mo-taz (Christian Rath). Ursprünglich war auch vorgesehen, dass in den Neuregelungen auch die Befugnis enthalten sein sollte, auf Mobilfunkdaten zur Ortung von Handys zuzugreifen. Nach massiver Kritik von Datenschützern und Politikern des Koalitionspartners SPD wurde diese Idee aber laut Hbl (Dietmar Neuerer, Gregor Waschinski) wieder fallengelassen. In einem entsprechenden Text auf lto.de (Christian Rath) heißt es, dass damit das so genannte "Tracking" von Kontaktpersonen allerdings noch nicht vom Tisch sei, es vielmehr mit mehr Ruhe diskutiert werden soll.

Die LTO-Presseschau:

Corona – Handydaten: Anders als zunächst geplant sollen die Kontaktpersonen von Erkrankten nicht anhand von Handy-Standortdaten geortet werden, wie spiegel.de (Valerie Höhne/Jonas Schaible/Severin Weiland) berichtet.

Jannis Brühl (FAZ) befürwortet den Verzicht: Der Kampf gegen das Coronavirus dürfe nicht als Vorwand dienen, um "die Träume sicherheitspolitischer Hardliner umzusetzen." Lediglich anonymisierte Daten sollten verwendet werden dürfen.

Wie Österreich damit umgeht war hier ja bereits angesprochen worden:

https://community.beck.de/2020/03/19/corona-in-oesterreich-mobilfunker-liefert-bewegungsdaten-an-regierung

Eine Art elektronischer Fußfessel könnte jedoch mit der nächsten PKW-maut-reform kommen (die Niederlande haben sowas ja bereits seit langer Zeit schon gelant).

Die Corona-Warn-App von Luca ist anscheinend wohl ebenfalls datenschutzrechtich bedenklich:

https://www.heise.de/tp/features/Luca-App-Fachleute-warnen-vor-massivem-Missbrauchspotential-6032557.html

Und wenn an sich, wie die Bundesregierung plant, demnächst an jeder Eingangstüre überall mit seinem Smartphone plus Corona-Impf-Apps ausweisen muss, dann wird wohl auch eine ähnliche Überwachung zumindest technisch möglich werden, womöglich aber dann auch tatsächlich praktizert werden.

Aber sowas dient ja nur unsere Besten, sagen jedenfalls die Regierungsanhänger.

0

Kommentar hinzufügen