Fehlende Wirtschaftsfähigkeit des Hofübernehmers; Entschuldbarkeit der Versäumung der Beschwerdefrist

von Christiane Graß, veröffentlicht am 30.03.2020
Rechtsgebiete: AgrarrechtZivilrechtliches Agrarrecht|2559 Aufrufe

Obergerichtliche Entscheidungen zum Landwirtschaftserbrecht sind zur Zeit rar. Die wenigen Entscheidungen sind lesenswert und zur Rechtsfortbildung geeignet. Das trifft auch auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30.01.2020 – 10 W 27/19 (Lw), BeckRS 2020, 1567 zu.

Der Eigentümer eines Hofes i.S.d. Höfeordnung hatte mit seinem Sohn einen Hofübergabevertrag geschlossen, den das Landwirtschaftsgericht genehmigen sollte. Dieses lehnte ab, weil dem vorgesehenen Hofnachfolger die Wirtschaftsfähigkeit fehle. Er war nämlich zweimal wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Ehefrau des Hofeigentümers war offensichtlich ebenso wenig wirtschaftsfähig wie die Tochter des Hofeigentümers. Das Landwirtschaftsgericht gab in der Rechtsmittelbelehrung des zurückweisenden Beschlusses den Hinweis, dass eine Beschwerde gegen die Entscheidung innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt werden könne. Sowohl der Hofnachfolger als auch der beurkundende Notar legten kurz vor Ablauf der vermeintlichen Monatsfrist Beschwerde ein.

Nachdem das Oberlandesgericht den Hinweis gegeben hatte, dass die Beschwerdefrist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Landwirtschaftsgerichts lediglich zwei Wochen betragen habe, beantragten sowohl der vorgesehene Hofnachfolger als auch der beurkundende Notar die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Das Oberlandesgericht bewilligt die Wiedereinsetzung. Es betont, dass ein Rechtsanwalt keinem unentschuldbaren Rechtsirrtum unterliegt, wenn er die Beschwerde gegen die Versagung der Genehmigung eines Hofübergabevertrages aufgrund einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung nicht innerhalb der gem. § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG verkürzten Beschwerdefrist von zwei Wochen, sondern binnen Monatsfrist einlegt. Auch wenn die Rechtsprechung bei einem Rechtsanwalt generell die Kenntnis der gesetzlichen Regelungen verlangt, liegt nach Auffassung des OLG Oldenburg im Grundsatz ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor, wenn die anzugreifende Entscheidung eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Das soll nur dann anders sein, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen und der Fehler für einen bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand nicht offensichtlich ist. Dies sei bei einer Ausnahmevorschrift wie der verkürzten Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG der Fall. Es handele sich um eine Ausnahmevorschrift, deren Fehlerhaftigkeit auch für Rechtsanwälte und Notare, von denen eine Kenntnis des Rechtsmittelsystems des FamFG grundsätzlich erwartet werden könne, jedenfalls nicht offenkundig gewesen sei.

Also musste der Senat entscheiden, ob die Versagung der Genehmigung zutreffend war. Das verneint der Senat. Er konnte sogar offen lassen, ob der vorgesehene Hofnachfolger – ungeachtet der Verurteilungen wegen der Verstöße gegen das Tierschutzgesetz – wirtschaftsfähig war. Denn auf die Wirtschaftsfähigkeit eines Abkömmlings kommt es nach § 7 Abs. 1 S. 2, 2. Hs nicht an, wenn sämtliche Abkömmlinge nicht wirtschaftsfähig sind und ein wirtschaftsfähiger Ehegatte nicht vorhanden ist. So lagen die Dinge hier. Das betraf zunächst die Tochter, die in einem Lebensmittelgeschäft arbeitete. Deren Kinder hatten keinen Bezug zur Landwirtschaft und waren ebenfalls nicht wirtschaftsfähig. Auch der Ehefrau des Hofeigentümers konnte keine Wirtschaftsfähigkeit attestiert werden. Dies ist übrigens eine der wenigen Situationen, in der die Wirtschaftsfähigkeit des Ehegatten von Bedeutung ist, denn im Rahmen der Hoferbfolge und bei einem Übergabevertrag mit dem Ehegatten muss dieser nach § 6 Abs. 6 S. 2 HöfeO nicht wirtschaftsfähig sein.

Damit ergab sich folgender Befund: War der Sohn des Hofeigentümers ungeachtet der Defizite bei der Tierhaltung wirtschaftsfähig, hätte der Übergabevertrag genehmigt werden müssen. War der vorgesehene Nachfolger nicht wirtschaftsfähig, hätte der Übergabevertrag ebenfalls genehmigt werden müssen, da sowohl der Ehegatte als auch alle anderen Abkömmlinge nicht wirtschaftsfähig waren.

Die Entscheidung ist richtig. Das gilt sowohl für die Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand als auch zur Nachfolge in einen Hof, wenn kein wirtschaftsfähiger Abkömmling vorhanden ist und auch dem überlebenden Ehegatten die Wirtschaftsfähigkeit fehlt.

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