Corona – Stabilisierungshilfe für die Realwirtschaft in der Corona-Krise

von Prof. Dr. Jochem Reichert, veröffentlicht am 02.04.2020
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Die CO-VID-19 Pandemie stellt Unternehmen weltweit vor existenzielle Herausforderungen. Wegen der Beschränkungen zur Eindämmung des Virus mussten viele Unternehmen ihren Betrieb nahezu einstellen; beträchtliche Umsatzeinbußen waren die Folge. Zur Stabilisierung der Realwirtschaft ist nach Zustimmung des Bundesrats am 28. März 2020 das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondgesetz – WStFG) in Kraft getreten. Der folgende Beitrag befasst sich mit der Zielsetzung der Maßnahme und den Voraussetzungen, unter denen Unternehmen Hilfe bekommen können, sowie den damit verbundenen punktuellen Änderungen im Gesellschaftsrecht:

Zielsetzung und Stabilisierungsinstrumente

Bei der Fassung des WStFG konnte der Gesetzgeber auf seine Erfahrung aus der Wirtschaftskrise und dem damals etablierten Sondervermögen Finanzmarktstabilisierungsfond („SoFFin“) zurückgreifen. Im Wesentlichen stützt sich der Wirtschaftsstabilisierungsfond (WSF) auf zwei Stabilisierungsinstrumente:

  • Einen Garantierahmen im Umfang von EUR 400 Mrd. für Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten von Unternehmen, um Liquiditätsengpässen entgegenzuwirken und die Refinanzierung zu sichern. Die Laufzeit ist auf 60 Monate begrenzt und es wird eine marktgerechte Gegenleistung erwartet.
  • Rekapitalisierungsmaßnahmen durch den Erwerb etwa von Schuldtiteln, Hybridanleihen, stillen Beteiligungen, Wandelanleihen, Gesellschaftsanteilen oder durch die Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals. Der Rahmen des WSF beläuft sich hierbei auf EUR 100 Mrd.

Zielsetzung des Fonds ist es insbesondere Unternehmen zu stabilisieren, die von hoher Bedeutung für die Wirtschaft bzw. den Arbeitsmarkt Deutschlands sind. Damit sollen die negativen volkswirtschaftlichen Folgen und sozialen Schäden der CO-VID-19-Pandemie abgeschwächt werden. Leitbild des Gesetzgebers waren dabei die Lehren, die man aus den Folgen der Weltwirtschaftskrise damals ziehen konnte.

Berechtigter Unternehmenskreis

Unternehmen müssen zunächst bestimmte Kriterien erfüllen, um überhaupt für eine Stabilisierung durch den WSF in Betracht gezogen werden zu können. Mindestens zwei der folgenden drei Kriterien müssen grundsätzlich erfüllt werden:

  • Bilanzsummer von mehr als EUR 43 Mio.,
  • Umsatz von mehr als EUR 50 Mio. sowie
  • Mindestens 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Ferner können auch kleinere Unternehmen im Sinne des § 55 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) einbezogen werden. Hieran wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber primär darauf ankommt, systemrelevante Unternehmen zu stabilisieren. Die Erfüllung obiger Kriterien dürfte ein Anhaltspunkt für die Systemrelevanz sein, soll aber – wie die Berücksichtigung auch solcher Unternehmen gem. § 55 AWV zeigt – keineswegs alleine maßgebend sein.

Entscheidend ist weiterhin, dass für die Unternehmen eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der CO-VID-19-Pandemie besteht. Nach dem WSF sind ausdrücklich solche Unternehmen ausgeschlossen, die nach der EU-Definition zum 31. Dezember 2019 als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ gelten.

Entscheidung über Anträge und Entscheidungskriterien

Über die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen entscheidet grundsätzlich das Bundesministerium für Finanzen (BMF) in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Anträge sind bei dem BMWi einzureichen, das auch die Verhandlungen über die Stabilisierungen mit den Unternehmen führt. Die Bundesministerien haben die Möglichkeit, die Aufgaben per Rechtsverordnung der KfW zuzuweisen.

Die beantragenden Unternehmen haben indes keinen Anspruch auf Gewährung einer Stabilisierungsmaßnahme. Vielmehr entscheiden die Bundesministerien nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands,
  • Dringlichkeit
  • Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb sowie
  • die sparsame und wirtschaftliche Nutzung der zur Verfügung gestellten Mittel.

Ferner werden nur solche Unternehmen unterstützt, die für eine umsichtige Geschäftspolitik stehen. Die Ministerien sind befugt, diese Kriterien mithilfe von Auflagen an die Unternehmen sicherzustellen. Schließlich sind die Mittel durch den WSF nur als ultima ratio zur Verfügung zu stellen; es dürfen also keine anderen Möglichkeiten der Finanzierung bestehen.

Modifizierungen des Gesellschaftsrechts

Um betroffenen Unternehmen eine schnelle und effektive Umsetzung der Stabilisierungsmaßnahmen zu ermöglich, wurden punktuelle Anpassungen im Gesellschaftsrecht vorgenommen. Hierbei geht es im Wesentlichen um Änderungen, die den Entscheidungsprozess und die Durchführung der Maßnahmen nach dem WSF erleichtern. Die Unternehmen sollen nicht durch langwierige interne Prozessen in zusätzliche Schwierigkeiten gebracht werden oder gar mit der Umsetzung scheitern. Hierzu gehören auf der einen Seite u.a. die Erleichterung von Kapitalmaßnahmen bzw. die Herabsetzung von Mehrheitserfordernissen bei der Beschlussfassung, auf der anderen Seite entfalten Klagen keine Sperrwirkung und die Wirksamkeit der Maßnahme ist nicht abhängig von der Eintragung ins Handelsregister. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Modifikationen.

Eine weitere Erleichterung der Umsetzung besteht darin, dass sich in Bezug auf die Stabilisierungsmaßnahmen querulatorische Aktionäre schadensersatzpflichtig machen. Hiermit soll vermieden werden, dass unsachliche Verzögerungen eintreten.

Fazit

Der Gesetzgeber hat seine Erfahrungen aus der Finanzkrise und ihren negativen Auswirkungen damals genutzt. Er hat mit der Etablierung des WSF zügig auf die CO-VID-19-Pandemie reagiert. Inwieweit die Maßnahmen ausreichen werden, um die negativen Auswirkungen der Pandemie in Grenzen zu halten, muss abgewartet werden. Das liegt insbesondere an der Ungewissheit über ihren Verlauf und die daraus abzuleitenden weiteren Maßnahmen.

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