Guter Rat ist (zu) teuer!

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 03.04.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|2686 Aufrufe

Gute Beratung durch qualifizierte Rechtsanwälte gibt es nicht umsonst. Doch knapp 11.300 Euro für vier Stunden und 28 Minuten war selbst dem BGH zu viel des Guten. In einer vor kurzem ergangenen und gerade veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, BeckRS 2020, 4566) ging es um die Honorarforderungen eines Münchener Fachanwalts für Arbeitsrecht, der für seinen Mandanten über einen Aufhebungsvertrag verhandelt hatte. Im Ergebnis sollte der Mandant eine Abfindung von 10 000 Euro brutto und ein wohlwollendes Zeugnis bekommen. Allerdings behielt der Anwalt das Geld direkt ein - denn er stellte seinem Mandanten knapp 11.300 Euro in Rechnung. Die Differenz sollte dieser ihm noch bezahlen. Der BGH urteilte, der Anwalt dürfe für seinen Zeitaufwand von vier Stunden und 28 Minuten nur gut 1.500 Euro in Rechnung stellen. Die verwendete Klausel zur Mindestvergütung benachteilige den Mandanten unangemessen (§ 307 BGB) - zumal der Anwalt den dafür maßgeblichen Gegenstandswert noch um die Abfindung erhöht hatte. Eine solche Vereinbarung diene „einseitig, ohne jede Rücksicht auf die Interessen des Mandanten, der Optimierung der Anwaltsvergütung“. Vorgesehen war außerdem, dass der vereinbarte Stundensatz von 290 Euro je angefangene Viertelstunde abgerechnet wird. Auch das beanstandeten die Richter. Ein solcher Takt, "der auch durch die belanglosesten Tätigkeiten des Rechtsanwalts ausgelöst wird und beliebig oft zur Anwendung gebracht werden kann", sei „keinesfalls gerechtfertigt“. Zum Beispiel reiche „die auch nur flüchtige Durchsicht des E-Mail-Eingangsfachs“, um wieder ein Viertel des Stundensatzes anzusetzen. Es müsse nach Minuten abgerechnet werden.

Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

1. Eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung, welche eine Mindestvergütung des Rechtsanwalts in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung vorsieht, ist jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern wegen unangemessener Benachteiligung des Mandanten unwirksam, wenn das Mandat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mandanten betrifft und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich eine Erhöhung des Gegenstandswertes um die Abfindung vorsieht.

2. Die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars, welche den Rechtsanwalt berechtigt, für angefangene 15 Minuten jeweils ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen, benachteiligt den Mandanten jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

3. Sieht eine Vergütungsvereinbarung ein Zeithonorar für Sekretariatstätigkeiten vor und eröffnet sie dem Rechtsanwalt die an keine Voraussetzungen gebundene Möglichkeit, statt des tatsächlichen Aufwandes pauschal 15 Minuten pro Stunde abgerechneter Anwaltstätigkeit abzurechnen, gilt insoweit die gesetzliche Vergütung als vereinbart.

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Nun, in der Rechtsprechung hat sich OVG Münster unsterblich profiliert durch Zählung nach Sekunden im Fall Sami - A- Touristik. Vielleicht sollte man aus dem Sport auch die Zählung von Millisekunden erwägen. Das alles dann aber bittschön auch für die Arbeitspensen von Richtern. - Solche Judikate sind dann gefährlich, wenn sie anscheinende generelle Obersätze dartun. Der Vergleich mit "gesetzlichen" Honoraren wird dann besonders uneben, wenn das "gesetzliche" Honorar nach einem "gesetzlich" auf eine Albernheit reduzierten Streit-, Abrechnungsgegenstandswert "bestimmt" sein soll. "Gesetzlich" hilfreich wäre dann auch eine Zwangshaftungsbeschränkung auf solchen "Gebührenstreitwert". 

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