Irreführende Werbung mit Heilwirkungen in Corona-Zeiten

von Prof. Dr. Christian Alexander, veröffentlicht am 06.04.2020
Rechtsgebiete: Weitere ThemenCoronaWettbewerbsrecht|5536 Aufrufe

Irreführende Angaben sind wettbewerbsrechtlich unzulässig. Dies gilt auch und insbesondere für irreführende Angaben über Heilwirkungen aller Art. Schon seit dem Beginn der Corona-Krise kursieren immer wieder Meldungen im Internet oder werden über soziale Medien verbreitet, in denen Mittel angepriesen werden, die angeblich gegen Corona helfen sollen. Es liegt auf der Hand, dass Menschen angesichts der derzeitigen Belastungen und der gesundheitlichen Gefahren für Aussagen dieser Art sehr empfänglich sind und zwar gerade dann, wenn und weil die Schulmedizin noch keinen endgültigen Durchbruch im Kampf gegen Corona erreicht hat. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unterliegen Aussagen über Heilwirkungen, wenn sie mit einer kommerziellen Zielrichtung erfolgen, jedoch zu Recht einer besonders strengen Kontrolle.

Ein spezialgesetzliches Irreführungsverbot zur Werbung mit vermeintlichen Heilwirkungen enthält § 3 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Diese Vorschrift lautet: "Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1. wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben,

2. wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, daß
a) ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann,
b) bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten,
c) die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird,
3. wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben
a) über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder
b) über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personengemacht werden."

Ergänzend zu dieser speziellen Norm findet sich ein per-se-Verbot der unzulässigen Werbung mit Heilwirkungen in Nr. 18 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Dieses Verbot hat den folgenden Wortlaut: Gegenüber Verbraucher stets unzulässig ist "die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen". Der Verbotstatbestand gilt generell und unabhängig vom Einzelfall, weil das missbilligte Verhalten einen erhöhten Unrechtsgehalt aufweist.

Rechtspolitisch ist das in Nr. 18 des Anhangs enthaltene Verbot allerdings nicht konsequent. Denn es richtet sich allein gegen irreführende Angaben zu einer Heilwirkung, erfasst aber z. B. nicht den Fall einer Werbeaussage über die angebliche Eignung eines Produkts, eine Krankheit zu verhüten. Es leuchtet jedoch überhaupt nicht ein, warum die Aussage, irgendein Wundermittel könne "Corona heilen" nach Nr. 18 des Anhangs per-se verboten ist, während z. B. die Aussage, ein Produkt könne die Infektion mit "Corona verhüten", von diesem Tatbestand nicht erfasst ist. Die Irreführungs- und Gesundheitsgefahr ist im zweiten Fall vielleicht noch höher, weil eine solche Aussage Menschen zur Sorglosigkeit verleiten kann. Diese unsinnige Differenzierung ist leider bereits im Unionsrecht angelegt (vgl. dazu Nr. 17 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken).

Wettbewerbsrechtlich zulässig ist die Aussage zur Verhütungseignung im Beispielsfall freilich nicht. Es greift dann aber "nur" das allgemeine Irreführungsverbot gemäß § 5 Abs. 1 UWG.

Es besteht daher im Irreführungsschutz nach geltendem Recht keine Schutzlücke. Wohl aber sollte bei Gelegenheit darüber nachgedacht werden, ob die vorhandenen Regelungsansätze in sich konsequent und stimmig sind.

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