CovInsAG: "Das wird verheerende Konsequenzen haben"

von Tobias Fülbeck, veröffentlicht am 15.04.2020
Rechtsgebiete: Corona1|5959 Aufrufe
CovInsAG Römermann
In der Corona-Krise hat der Gesetzgeber umfangreiche Änderungen insolvenzrechtlicher Vorschriften beschlossen (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG). Dazu ein Interview mit Prof. Dr. Volker Römermann, Mitherausgeber des Kommentars Nerlich/Römermann, InsO.

Welche konkreten Erleichterungen gibt es jetzt für strauchelnde Unternehmen? 

Prof. Dr. Römermann: Die Unternehmen sind von der Insolvenzantragspflicht befreit, zunächst bis 30. September 2020, aber mit Verlängerungsoption bis 31. März 2021. Ich gehe davon aus, dass das Bundesjustizministerium von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird. Geldgeber, die zahlungsunfähigen Unternehmen frisches Kapital zur Verfügung stellen, werden von der Gefahr einer Anfechtung durch Insolvenzverwalter freigestellt. Auch die Geschäftsleiter haften nur eingeschränkt in der Zeit, in welcher die Antragspflicht ausgesetzt ist. Schließlich können Gläubiger in den drei Monaten nach Verkündung des Gesetzes keine erfolgreichen Insolvenzanträge stellen, falls sie nicht nachweisen, dass der Schuldner schon vor dem 1. März 2020 zahlungsunfähig war.

Die Vorteile für die Unternehmen sind klar geworden. Doch gibt es auch Schwachstellen im Gesetz? 

Prof. Dr. Römermann: Eine Menge. Das ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, in welcher Geschwindigkeit dieses Gesetz verabschiedet wurde. Zwischen der ersten „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung und der Verkündung im Bundesgesetzblatt lagen gerade einmal sieben Tage. Eine ganz wichtige Praxisfrage betrifft natürlich den Anwendungsbereich. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht betrifft nämlich nicht sämtliche Unternehmen, sondern nur solche, die Opfer der Pandemie geworden sind und Aussichten auf eine Widerherstellung der Zahlungsfähigkeit bieten.

Woher weiß man, ob die Pandemie (Mit-) Ursache war? 

Prof. Dr. Römermann: Dafür sieht das Gesetz eine Vermutung vor. Wenn später ein Staatsanwalt oder der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer vorgehen, weil sie meinen, er genösse gar nicht das Privileg der Insolvenzaussetzung, dann müssen sie die gesetzliche Vermutung widerlegen. Wie aber kann das gehen? Die Begründung des Gesetzentwurfs meint: Fast gar nicht, es seien „höchste Anforderungen“ zu stellen, es dürfe nicht der geringste Zweifel verbleiben. Der Wortlaut aber gibt das gar nicht so her. Nach dem Wortlaut bliebe es bei den altbekannten Maßstäben für die Widerlegung einer Vermutung. 

Da bleiben viele Unklarheiten. 

Prof. Dr. Römermann: Genau. Ein anderes Beispiel: Wann „beruht“ die Insolvenz eigentlich auf der COVID-19-Pandemie? Muss der Betrieb aufgrund staatlicher Anordnung geschlossen sein, um diese Voraussetzung zu erfüllen? Oder genügt es schon, wenn die Bevölkerung nach monatelanger Kurzarbeit und vielerlei Einbußen keine Kaufkraft mehr hat und deswegen die Umsätze eines Unternehmens zurückgehen? Was ist, wenn der Laden zwar geöffnet bleibt, aber die Kunden nicht mehr im bisherigen Umfang dort hingelangen, weil der Transport in Zeiten von Corona spürbar erschwert ist? Wenn man näher hinsieht, stellen sich überall Auslegungsfragen. 

Welche Probleme zeichnen sich daher ab? 

Prof. Dr. Römermann: Das Grundproblem des Gesetzes liegt eigentlich schon in dem Ansatz selbst, den der Gesetzgeber hier sucht. Man will den Unternehmen die Insolvenz ersparen. In Wirklichkeit erspart man aber natürlich nicht die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – also die „materielle“ Insolvenzlage -, sondern nur die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Insoweit ist im Grunde schon der Titel des Gesetzes irreführend: „Insolvenzaussetzungsgesetz“ – als wenn per Gesetz die Insolvenz beseitigt werden könnte. Zahlungsunfähige Unternehmen sollen weiter am Markt existieren, als Zombies, nicht tot, aber auch nicht lebendig.

Was sind Ihrer Meinung nach die Folgen?

Prof. Dr. Römermann: Das wird verheerende Konsequenzen haben: Für die Wirtschaft insgesamt, denn so etwas streut Unsicherheiten und führt zu einer Störung und Verlangsamung des Marktgeschehens. Und natürlich für viele einzelne Gläubiger, bei denen etwa Bestellungen aufgegeben werden, die aber nicht bezahlt werden. Der Versuch der Politik, das böse Wort der Insolvenz zu vermeiden, wird den Markt und den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. 

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1 Kommentar

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Nein, speziell mit dem COVInsAG werden materiell keine "Insolvenzlagen" erspart. Offenbar ist Herrn R. aber entgangen, dass der Staat das parallel sehr wohl versucht, in dem er hunderte Millionen € in die Wirtschaft buttert. Der Titel des Gesetzes lautet im Übrigen "Gesetz zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ..." (und nicht: der Insolvenz).

Was sollen denn die "altbekannten Maßstäben für die Widerlegung einer Vermutung" anderes sein als eine Umkehr der Beweislast und warum soll das nicht ausreichen? 

Herr R. versäumt es, zu sagen, was "der Markt" gewonnen hätte, wenn es zum 15.4. bereits 100.000 Unternehmensinsolvenzanträge gegeben hätte.

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