Es gibt keinen Deutschen Rat! – Eine Anmerkung zum „Corona-Beschluss“ des Bundes und der Länder vom 15. April 2020

von Dr. iur. Fiete Kalscheuer, veröffentlicht am 17.04.2020
Rechtsgebiete: Öffentliches RechtStaatsrechtCorona21|9397 Aufrufe

„Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fassen folgenden Beschluss:" - So beginnt die offizielle Mitteilung zur „Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 15. April 2020“. Nach einer längeren Einleitung werden im Beschluss sodann die einzelnen Vereinbarungen ausgeführt. Die zweite Vereinbarung lautet dabei z.B. wie folgt:

Die wichtigste Maßnahme auch in der kommenden Zeit bleibt es, Abstand zu halten. Deshalb bleibt es weiter entscheidend, dass Bürgerinnen und Bürger in der Öffentlichkeit einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten und sich dort nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes aufhalten. Dies gilt weiterhin verbindlich und Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen werden entsprechend von den Ordnungsbehörden sanktioniert

Nicht nur ich werde beim Lesen dieses Beschlusses samt seiner Vereinbarungen kribbelig: Wo gibt es im Grundgesetz eine Kompetenz dafür, derartige Vereinbarungen zwischen den Exekutiven des Bundes und der Länder zu treffen? Liegt hier nicht bereits ein Fall der unzulässigen Mischverwaltung zwischen dem Bund und den Ländern vor? Kirchhof führt hierzu unter Rn. 89 zu Art. 83 GG im Maunz/Dürig-GG-Kommentar aus, dass  „eine verfassungskritische Grenze“ dann erreicht werde, „wenn Bund und Länder organisatorisch miteinander verbunden werden oder der Bund Ingerenzrechte bei der Aufgabenerfüllung der Landesverwaltung erhält, weil dann die föderale Trennung von Bund und Ländern aufgegeben wird.“ Wurde hier diese verfassungskritische Grenze bereits erreicht? – Ich weiß es nicht. Es wird jedenfalls spannend zu beobachten sein, ob diese verfassungsrechtlich nicht vorgesehene Zusammenarbeit für die Gesamtzeit der Coronakrise bestehen bleibt. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht die Europäische Union, die in Art. 15 EUV folgende Regelung vorsieht:

Der Europäische Rat gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten hierfür fest. (…) Der Europäische Rat setzt sich zusammen aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der Kommission.

Anders ausgedrückt: Es gibt zwar einen Europäischen, aber keinen Deutschen Rat!

 

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21 Kommentare

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Zumindest auf den ersten Blick schaut es so aus, als versuchten einige Spitzenpolitiker sich Ämter anzumaßen oder sich Kompetenzen anzumaßen, die sie nicht haben.

Besonders problematisch wäre, wenn sie dabei versuchen würden, den Souverän, also das Staatsvolk, mit Hilfe von Polizei und mit Hilfe von Strafdrohungen widerrechtlich zu etwas (insbesondere zu Freiheiteinschränkungen) zu nötigen.

Manches was Medien dazu melden dabei auch inhaltlich nicht überzeugend.

So soll laut T-Online der deutsche Bundesinneminister heute drohend verlautbart haben, es sei in Deutschland angeblich verboten, in einem PKW zu fahren, in dem sich eine Person befindet, die nicht im gleichen Haushalt wohnt.

Das soll dann ja wohl bedeuten, das man mit seiner Verlobten, die noch ihre eigene Wohnung besitzt, nicht Autofahren darf - demnächst wird vielleicht auch noch der Geschlechtsverkehr mit ihr verboten, oder soll man dies im Wege eines "erst-recht-Schlusses" jetzt schon als verboten betrachten?

Laut Bundesinneminister dürfte man auch nicht mit seiner Mutter zum Einkaufen oder zu Verwandtenbesuchen fahren.

Allmählich werden die Verbotsorgien der sich anscheinened in einen Machtrausch hineinsteigernden Politiker kurios und absurd.

Corona ist doch wohl bei weitem nicht so gefährlich wie die Pocken oder die Pest oder Lepra oder Ebola, und ein vernünftiges Hygieneverhalten sowie das Tragen von Mundschutz-Schals oder Masken kann das Infektions-Risiko deutlich veringern.

Außerdem hat die Bundesregierung es versäumt, frühzeitig auf das Corona-Virus zu reagieren, und, vielleicht mit Rücksicht auf die Lobby der Karnevals-Vereine, zum Beispiel das alkoholgeschwängerte promiskuitive Treiben im Karneval geduldet, und, vielleicht mit Rücksicht auf die Lobby der Fußball-Vereine und der Lobby der Event-Manager und der Pay-TV-Sender, lange Zeit voll besetzte Bundesligastadien sowie Konzerthallen Massenveranstaltungen geduldet.

Die Bundesregierung hat auch versäumt, frühzeitig mittels Stichprobenerhebung Daten über die Verbreitung und den Verlauf von Coronavirusinfektionen zu erheben, so daß die Bundesregierung (wie auch das DIW heute erklärte) immer noch zu wenig weiß, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Und für all diese Fehler der Regierung sollen nun die Bürger und deren Freiheitsrechte herhalten und büßen?

Man fühlt sich teilweise wie der Bank-Prokurist Josef K. in Franz Kafkas Werk "der Process".

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Verlobte dürfen nicht zusammen Auto fahren, wohl aber zusammen Busfahren oder Straßenbahnfahren oder U-Bahnfahren?

Wie begründet der Bundesinneminister dies denn?

Begründet er es überhaupt?

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Wenn man die heute bei T-Online wiedergegebene Verlautbarung des Bundesinnenminister wörtlich nimmt, dann darf man nun sogar seine eigene Mutter oder Großmutter nicht mehr zum Arzt fahren.

Statt dessen sollen die alten Herrschaften sich wohl ein Taxi mit einem völlig fremden und zahlreiche Kontakte habenden Fahrer nehmen nehmen, ein Taxi, in dem in den vergangen Wochen hunderte andere völlig unbekannte Leute gesessen haben.

Was der Bundesinneminister da als Verbot verkündet, ist weder formal legitimiert, noch sachlich gerechtfertigt.

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Wurde in den letzten Tagen oder Wochen vielleicht das Grundgesetz geändert?

Oder hat der Bundestag eine Art "Ermächtigungsgesetz" beschlossen?

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Wenn Sie ernst zu nehmen wären, müßte man richtig Angst um das Land haben. Da Sie aber nicht ernst zu nehmen sind, trägt man die derzeit nötigen Einschränkungen mit informierter Fassung. In der FAZ heißt es heute in einem Gastbeitrag Michael Rühe, Ein neuer Gesellschaftsvertrag:

Der moderne Staat muss sich und seinen Bürgern eingestehen, dass er im Zeitalter von globalen Pandemien, Terrorismus und Cyberangriffen keinen allumfassenden Schutz mehr gewähren kann - und dass selbst die verbleibende relative Sicherheit einen hohen Preis hat. Zu diesem Preis gehört auch, dass die Bürger ihren Regierungen ihr Einverständnis geben müssen, in extremen Umständen auch extreme Maßnahmen ergreifen zu dürfen. Mit anderen Worten, die Regierungen brauchen von ihren Bürgern einen Vertrauensvorschuss für den Krisenfall. Die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass moderne demokratische Gesellschaften dieses Vertrauen kultivieren können.

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Na, "Gast" ( wer eigentlich? wie könnte man erkennen, ob SIE ernstzunehmen seien? ), (m/w/d), 18.4..    08.57 Uhr - brav im Zeitgeist gejodelt!! Das bringt Ihnen Punkte, bei den Befehlsterroristen! Eine Analyse diverser BVerfG-Entscheidungen bis incl. 10.4.ergibt: aus dem copy and paste-Kasten werden wie bullshit-bingo-Ergebnisse allgemeine Gedankenbrocken des Beeindruckenden ( schwerer Eingriff,, "strenge" Maßstäbe pipapo ) übernommen und eingebaut, und dann wenn es KONKRET an die Abwägung der Umstände des EINZELFALLS geht, unter Verfälschung der tatsächlichen  Umstände ansonsten  jede konkrete und echte ABWÄGUNG unterlassen  mit dem framing-Geblabbere, es müsse irgendetwas absolut "sichergestellt" sein. "hätte vermieden werden können" ( Tz13 in jenem Schandbeschluss 1 BvQ 31/20). Tz14: "nicht angenommen werden könne, dass .... zuverlässig verhindert werde,". ZUVERLÄSSIG VERHINDERT - also nun bei Verbrecherverfolgung der finale Schuss? Der verhindert ebenfalls in der Tat "zuverlässig" neue Taten. Übrigens - wir reden nicht von Albernheiten, sondern von dem Grundrecht nach Art. 4 GG. - Due VORSÄTZLICHE Weigerung des BVerfG, den KONKRETEN Fall abzuwägen, kommt erschreckend deutlich in Tz 12 zum Ausdruck: "...auf die sich auch andere Kirchengemeinden berufen könnten. Diese könnten bei einem Erlass der einstweiligen Anordnung ohnehin mit Blick auf das Gebot der Gleichbehandlung geltend machen, dass ihnen das Abhalten öffentlicher Gottesdienste unter denselben Voraussetzungen erlaubt wird wie dem Antragsteller zu 1. " Das BVerfG hält sich schon nicht an das eigene Programm: Wer denn noch beabsichtigt, die Hl Messe in der forma extraordinaria zu feiern? Oder struktur- und soziokulturell gleichartige religiöse Versammlungen zu begehen?  Bezeichnend dann Tz 17: "Gleiches gilt mit Blick auf andere Religionsgemeinschaften, die in vergleichbar schwerwiegender Weise betroffen sind,..." Dies ist wahr - der Grad der Betroffenheit ist durch terroristisches Pauschalverbot derselbe. Das allerdings besagt zur ABWÄGUNG an Hand der konkreten Umstände zur virologischen Gefahr NICHTS. Denn jede Abwägung fehlt ja - abgesehen von der phantasiegetragenen  Quatschübernahme von den vielen Gesängen - die mag's im Lutherischen Protestantismus geben, aber eben nicht bei den Tridentinern. Die einzigen, die wohl kichern und lachen, sind die Politzeitgeistpropagandaepiskopen der "Katholikoiden Politkirche", die in ihrem postkonziliaren Liturgiegeschwamel übel dastünden, wenn plötzlich die Missa Tridentina einen sytembedingten Vorteil ausspielen und genießen könnte.

Ich empfehle, anstatt Pressemitteilungen intellektualviraler Ausdünstungen aus dem Politik- oder Ministerialbereich - zumal wir hier unter Juristen sind - so vorzugehen: Rechtswirksam veröffentlichte und in Kraft gesetzte Gesetze, Verordnungen und ggf. Allgemeinverfügungen sich zu beschaffen  und zu lesen. Bei Bezugnahme dies dann auch klar zu zitieren. "Beschlusspapiere" einer inkompetent-inhabilen Bundeskanzlerin, von Bundesministern und LandesMP haben zwar auch mit Corona zu tun, aber mit dem vielerwähnten Klopapier: sie haben  die rechtliche Qualität von benutztem Klopapier. Sie lassen freilich etwa beabsichtigte Marschrichtungen erkennen. - Schließlich gibt es in einer Demokratie auch die Möglichkeit,dass überzeugende, charakterstarke notorische Spitzenpersönlichkeiten den Bürgern gute Ratschläge geben. So damals Ludwig Erhard: "Maß halten!". Freiheit - auch zu Rauchen in der Öffentlichkeit. Manches wirkt auch subkutan, unaufgeregt, (un-)auffällig. Das könnte sein, dass die Propagandabombasten bei ihren Pressererklärungen selbst Mund- und Nasenschutz trügen. Wenn das zum common sense werden woll, so könnten das auch alle zwangsbeitragsfinanzierten framing-Apostel der Anstalten für betreutes Denken tragen. Wenn es denn gesellschaftlich üblich, gleichsam fraglos usus sein soll - was mir sinnvoll erscheint - ,na dann tragt's doch erst einmal selbst! Allüberall!

Die Hl. Corona lenkt doch sehr  hilfreich den Blick auch ins Ausland. Mit einem weichgespülten Artikel, welcher nur von «political correctness trieft» und die Fakten verschleiert, erreicht man heutzutage gar nichts.

Das absolut Beste, was ich seit Wochen über corona gehört oder gelesen habe:   https://www.mittellaendische.ch/2020/04/13/der-meistgelesene-artikel-der-letzten-woche/   https://www.mittellaendische.ch/2020/04/09/covid-19-zwischenbilanz-oder-eine-analyse-der-moral-der-medizinischen-fakten-sowie-der-aktuellen-und-zuk%C3%BCnftigen-politischen-entscheidungen-das-interview/

Erhards Philosophie war die Wachstumsphilosophie, die nach dem 2. Weltkrieg vorherrschte.

Aber die ist heute nicht mehr angebracht, auch wenn sich viele  nicht davon trennen wollen. Wieder ein anderes Thema.

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Vor dem "Maß halten!" propagierte Ludwig Erhard "Wohlstand für Alle". Global geht das aber nicht mehr immer so weiter, wie er es sich damals noch gedacht hatte, national ebenso.

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Nachdem der weitgehend diskussionslos und mit moralischem Zeigefinger orchestrierte shutdown durch Exekutivverordnungen in Kraft gesetzt wurde, erleben wir weiterhin eine schlimme Verkürzung rechtsstaatlicher Garantien: Nicht der staatliche Eingriff, sondern die Freiheit in Gesatlt von "Lockerungen" ist plötzlich rechtfertigungsbedürftig. Zuständigkeiten und
Verantwortlichkeiten werden verwischt. Die herrschenden Politiker unternehmen nicht einmal mehr den Versuch, den Grundrechtsträgern zu erläutern, welcher Zweck die Verlängerung der Maßnahmen jetzt noch rechtfertigen kann und soll. Ging es zunächst darum, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, soll der größte kollektive Grundrechtseingriff jetzt offenbar durch das weitgehend uferlose, nicht eingrenzbare Ziel, Infektionzahlen möglichst niedrig zu halten, gerechtfertigt werden. Konnte man die Grundrechtseingriffe zu Beginn wegen der Erkenntnisdefizite vllt noch rechtfertigen, ist die jetzt erneut weitgehend diskussionslos beschlossene Verlängerung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten untragbar. Wenn aber das Parlament und die Opposition praktisch nicht mehr stattfinden und wenn die überwätigende Mehrheit der Bevölkerung mit dem Vorgehen der Regierungen offenkundig kein Problem hat, darf man sich nicht wundern, dass weder die an Recht und Gesetz gebundene Exekutive noch die Justiz rechtsstaatliche Prinzipien hochhalten.  

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Anscheinend macht sich im Bundeskanzleramt, im Bundesinnenminiserium, und beim Robert-Koch-Institut, eine Art Wagenburg-Mentalität oder Kreuzritter-Mentalität oder Sekten-Mentalität breit.

Abweichende Meinungen werden offenbar nicht wirklich offen und ernsthaft erwogen und debattiert und diskutiert, sondern mit Widerstandswillen und Machtwille nach Außen abprallen gelassen.

Dabei leidet auch die demokratische Kultur.

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Sehr geehrter Herr Canetti-Leser, zu 29.4.  15:18 stimme ich Ihnen weitgehend zu. Freilich nicht zu der impliziten Aussage , das sei eine neue Entwicklung. Diese Haltung ist älter ,wird nur neuerdings etwas breiter kritisiert. Man kann das sehr gut nachlesen in der Begutachtung 

HallerMichael

Die „Flüchtlingskrise“ in den Medien

Tagesaktueller Journalismus zwischen Meinung

und Information

Eine Studie der Otto Brenner Stiftung

Frankfurt am Main 2017

Dort etwa S. 120: "Die hier nachgewiesene, dem politischen System
stets zugewandte und darin konsonante Berichterstattung
der einflussstarken Leitmedien
ist die eine Seite. Die andere betrifft deren Beitrag
zur Meinungsbildung durch Kommentare,
Leitartikel, Glossen und Essays....". Da waltete schon längst ein "System". Einschöießlich "nicht wirklich offen und ernsthaft debattiert". Und es ist ja breit gestreut bis hier in beck blog - "Machtwille" gegen freie Gedanken - Löschen!

Bundeskanzlerin Angela Merkel soll heute mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer vereinbart haben, die in Zusammenhang mit dem Auftreten des Corona-Virus ausgesprochenen Verbote für mindestens einen weiteren Monat (bzw. 5.6.2020) zu verlängern.

Die Brave-New-World, in der wir arbeiten und essen und schlafen dürfen, aber in der unsere Freiheiten, wie zum Beispiel uns sportlich und gesund zu halten durch Fitness-Training oder Judo oder Karate oder Tanzsport oder Schwimmsport, unter Androhung von staatlichen Strafen massiv eingeschränkt wird, soll nach Willen von Merkels-Rats bzw. Zirkels weiterlaufen.

Merkel und Co. wollen den Bürgern auch de-facto auch verbieten, andere Menschen kennenzulernen.

Wir sollen gezwungen werden, im Wesentlichen nur noch mit Abeitskollegen und Familienagehörigen bzw. Haushaltsangehörigen Umgang zu haben.

Derartig weitreichende Freiheitsbeschränkungen gab es nicht einmal in der DDR!

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Einige Medien, wie etwa auch die Homepage der deutschen ARD-Tagesschau, sprechen in Zusammenhang mit auf die Corona-Pandemie gestützten Geboten und Verboten zunehmend davon, "die Politik" habe diese Regelungen erlassen.

Es wird zunehmend vermieden, anzugeben und den Bürgern mitzuteilen, ob der Bundestag involviert war, oder ein Landtag, oder der Bundesrat, oder ein Minister, oder ein Ministerpräsident, oder die Bundeskanzlerin, oder ein Kommunalparlament, oder ein Bürgermeister oder Landrat, oder ein EU-Kommissar, oder das EU-Parlament, oder welche Parteien dahinterstehen.

Ein wenig erinnert dies an dunkle Zeiten, in denen es nach damaliger Sprachregelung angeblich "Deutschland" gewesen sein soll, das bestimmte Dinge wolle und für sie verantwortlich sei, während verschwiegen wurde, welche Politiker in welcher Funktion und in welcher Art und Weise und aus welchen Gründen die jeweiligen Dinge wollten und befahlen und zu verantworten hatten.

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Gerne würde ich von der recht emotional geführten und sich zum allgemeinen Glaubenskrieg ausweitenden Diskussion über den Inhalt der Bund-Länder-Beschlüsse weg- und auf den eigentlichen Ausgangskommentar des Kollegen Dr. Kalscheuer zurückkommen, der am Tage einer weiteren "Bund-Länder-Konferenz" am heutigen 05.01.2021 aktueller denn je erscheint.

Der Wissenschaftliche Dienst hat sich mit diesem Thema in dem Gutachten "WD 3 - 3000- 134/20 v. 28.05.2020 befasst. Die Legitimation der gemeinsamen Beschlüsse stützt man in dieser Publikation auf § 5 VI, VII BInfSchG sowie den allgemeinen Gedanken, dass Art. 83 GG gemeinsame Beratungen über Art, Umfang und Zielrichtung von Verwaltungsmaßnahmen der Länder nicht ausschlössen. Letztere Argumentation ist aus meiner Sich in dieser Pauschalität nicht vertretbar, weil damit die rechtssichere Abgrenzung der Landesverwaltung von der unzulässigen Mischverwaltung verunmöglicht wird. Welchen anderen Sinn sollen gemeinsame Beratungen haben, als die Verknüpfung der Landesverwaltung mit der Mitwirkung des Bundes daran?

§ 5 VI, VII BInfSchG spricht von "Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums" und der "Koordinierung von Ländermaßnahmen" durch das RKI. Beides hat mir der Wirklichkeit der rechtlichi gar nicht vorgesehenen "Bund-Länder-Beschlüsse" und "Bund-Länder-Konferenzen" offenba nichts zu tun. Es fehlt vielmehr ersichtlich an einer rechtlichen Legitimation für diese Institution und deren Beschlüsse.

 

Das Grundgesetz hat die drei Gewalten Exekutive, Judikative, und Legislative, installiert und geregelt.

Zur Legislativen gehören der Bundestag und der Bundesrat.

Der von der Bundeskanzlerin informell installierte Rat stellt eine demokratisch nicht hinreichet legitimierte und außerdem auch nicht hinreichend öffentlich (Transparaente) Parallel-Gewalt dar, wie sie für    Paralelgesellschaften typisch ist, oder für Staaten, in denen die Macht nicht bei den von der Verfassung ausersehenen Gremien liegt, sondern bei informellen und konspirativ im Geheimen tagenden Paralel-Netzwerken.

Wir sind zwar noch nicht bei einer Räte-Diktatur oder bei einem Wohlfahrts-Ausschuss angelangt, aber es ist dennoch nicht hinnehmbar, daß manche Politiker die Verfassung ignorieren, und daß nicht nur in einem einzelnen kurzen Moment, sondern über längere Zeit.

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Das Grundgesetz bestimmt für die Bundesrepublik Deutschland die Prinzipien der Volkssouveränität, des Rechtsstaates, und der Gewaltenteilung.

Das Grundgesetz weist die Macht den 3 Gewalten Legislative, Exekutive, und Judikative, zu.

Das Parlament des als Volksvertretung demokratisch gewählten Bundestag bildet zusammen mit dem Bundesrat die Legislative, also die gesetzgebende Gewalt.

Das Grundgersetz schützt die Grundrechte der Bürger, und Eingriffe in diese Grundrechte sind grundsätzlich nur aufgrund eines formell und materiell rechtmäßig zustandegekommenen Gesetzes möglich.

Das Bundesverfassungsgericht gestaltet den Parlamentsvorbehalt und den Wesentlichkeitsgrundsatz näher aus.

Manch Regierungspolitiker scheinen all dies jedoch zu ignorieren.

Sie bilden eigenmächtig neue eigene Instrumente der Macht, die nicht öffentlich arbeiten, intransparent sind, keiner Kontrolle unterliegen, und die wohl als extralegale Paralel-Machtinstrumente anzusehenen sind.

Nun greifen die dort federführenden Personen erheblich in das Grundrecht der Freizügigkeit ein, und das, obwohl weder der Verteidigungsfall ausgerufen wurde, noch die Notstandsgesetze eingreifen.

Leider liegt auch bei den Politikern auch nicht ein einmaliges sekundenlanges Augenblicksversagen vor, sondern sie handeln so schön längere Zeit, und machen auch keine Anstalten, ihr Verhalten zu ändern.

Man kann sich meiner Ansicht nach durchaus an Bananenrepubliken erinnert fühlen, in denen die faktische Macht auch nicht dort liegt, wo die jeweilige Verfassung sie hinverweist. 

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Es erscheint mir zur Sicherung der Qualität dieser Diskussion wichtig, außerhalb verfassungsrechtlicher Allgemeinplätzen die Rechtslage sachbezogen zu analysieren.

Dies um so mehr, als auch nach der Einführung des Maßnahmenkatalogs gem. § 28 a I ISchG aufgrund des Gesetzes v. 18.11.2020 (Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite), dessen Ziel die (Wieder)Herstellung der Legislative als Grundlagengeber iSd Art. 83 I GG erklärtermaßen war, findet die Mitwirkung der Bundeskanzlerin an den Ministerpräsidentenkonferenzen unverändert statt, zuletzt am 05.01.2020.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages (WD) hat in einem Gutachten "Koordinierung der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus durch die Bundesregierung" v. 22.04.2020, WD 3 - 3000 - 105/20 Stellung zu den Kompetenzen der Bundesregierung bzw. der Bundeskanzlerin genommen, an der Koordinierung der Verwaltungsmaßnahmen der Länder mitzuwirken. Der WD begründet die Teilnahme der Bundesregierung / Bundeskanzlerin mit dem Hinweis auf § 5 VI, VII ISchG. In § 5 VI ist aber nur geregelt, dass die Bundesgesundheitsministerium auf der Grundlage der Empfehlungen des RKI seinerseits Empfehlungen abgeben kann, um ein koordiniertes Vorgehen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Nach § 5 VII ISchG koordiniert das RKI im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben das Vorgehen zwischen den Ländern und den Ländern und dem Bund. Das tatsächlich praktizierte Prozedere, gemeinsame Abstimmungen zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten, wird von § 5 VI, VII ISchG ersichtlich nicht gedeckt.

Das WD meint weiter, das Grundgesetz verböte nicht die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Bestimmung von Art, Umfang und Zielrichtung der verwaltungsumsetzung von Bundesgesetzen. Vielmehr sei eine solche Zusammenarbeit wegen des Prinzips der Bundestreue und des Prinzips des bundesfreundlichen Verhaltens sogar geboten, solange der Bund nicht über die Verwaltung der Länder einseitig bestimme.

Das trifft aber so wohl nicht zu, weil dieses Postulat im Widerspruch zu dem Verbot der Mischverwaltung steht. Vor diesem Hintergrund verbieten Bundestreue und bundesfreundliches Verhalten dazu im Widerspruch stehende Verwaltungsmaßnahmen, erlauben aber nicht präventive Einfluss-, Lenkungs- oder Mitwirkungshandlungen der Bundesregierung.

Sollte der Bund vorab Zweifel daran haben, dass die Verwaltung der Länder das Bundesgesetz angemessen abbildet, so gibt es nach Art. 84 II GG die Möglichkeit, allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Bundesgesetzes zu erlassen.

Dies führt zu dem Schluss, dass die geübte Praxis der Bund-Länder-Konferenzen bzw. Bund-Länder-Beschlüsse keine verfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Grundlage haben, aber trotzdem in verfassungsrechtlich geregelte Abläufe (Art. 83 I GG) erheblich eingreifen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass z.B. die Bundesregierung am heutigen Tage im Nachgang die Landesregierungen anhält, von den (gemeinsam) getroffenen Beschlüssen nicht abzuweichen bzw. einer Abweichung davon durch die Legislative der Länder keinen Vorschub zu leisten.

 

 

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