Schutzlücke im Wohnungseigentumsrecht - noch ein Versäumnis des Gesetzgebers?

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 20.04.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-RechtCorona3|3353 Aufrufe

Über Irrtümer des Gesetzgebers im Zusammenhang mit den mietrechtlichen "Coronaregelungen" wurde hier schon berichtet. Es zeigt sich indes, dass die im März beschlossenen Regelungen in verschiedener Hinsicht nicht weit genug greifen - so etwa nicht im WEG. Dies zeigt folgender Fall:

E ist Miteigentümer einer WEG. Aufgrund eines bestandskräftigen Beschlusses ist er verpflichtet, eine hohe Sonderumlage für eine beschlossene Instandhaltungsmaßnahme in fünfstelliger Höhe zu zahlen, der Betrag wird Mitte März 2020 fällig. E ist selbständig; seine Bank zieht nun, da er keine Einkünfte mehr aufgrund der Folgen von Covid-19 hat, ihre Zusage zur Finanzierung zurück, so dass er die Sonderumlage nicht zahlen kann. Die Wohnungseigentümer klagen auf Zahlung der Sonderumlage und erwägen sogar, ihm ggf. das Wohnungseigentum gem. §§ 18f WEG nach Nichtzahlung zu entziehen.

Nach der jetzigen ausdrücklichen Gesetzeslage ist E nicht geschützt. Für Hausgelder und ähnliche Forderungen der WEG gilt das Moratorium in Art. 5 § 1 Covid19-FAG nicht - es liegt schon kein Verbrauchervertrag vor. (vgl. auch Zschieschack, ZWE 2020, 165 (168)).  Zu denken ist allenfalls an eine Analogie des Art. 240 § 1 , 2 EGBGG : macht E glaubhaft, dass seine finanzielle Situation auf Covid19 beruht, so könnte man an ein Moratorium analog der mietrechtlichen Kündigungsregeln zunächst bis zum 30.6.2020 denken. Eine planwidrige Lücke könnte man durchaus konstruieren; allerdings gelten die mietrechtlichen Regeln nur für die Kündigung und ausdrücklich nicht für die Verpflichtung zur Zahlung von Miete. 

Hintergrund der Lücke ist offenkundig, dass dem Gesetzgeber ebensowenig wie bei Art. 240 § 2 EGBGB der "schwache, kleine Vermieter" auch für das WEG der "kleine Wohnungseigentümer" vor Augen stand. Betroffen dürften indes viele Wohnungseigentümer sein, insbesondere auch Rentner. 

Auch hier sollte der Gesetzgeber umgehend für entsprechende Schutzmaßnahmen sorgen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Lieber Herr Selk,

zahlt ein Wohnungseigentümer seinen Anteil an einer Sonderumlage nicht, müssen den Anteil andere Wohnungseigentümer zahlen (sehen Sie auch § 11 Abs. 3 WEG). Dies können dann andere Selbständige (Ihr erstes Beispiel) oder andere Rentner (Ihr zweites Beispiel) sein. Es ist beim Wohnungseigentumsrecht also offensichtlich anders als im Mietrecht, wo man ggf. annehmen darf (tatsächlich ist es nicht immer so, wie Sie selbst schreiben), dass einem reichen Vermieter ein armer Mieter gegenübersteht und man es dem Vermieter in Krisenzeiten zumuten kann, etwas auf seine Miete zu warten.

Ihr Beispiel ist insoweit auch besonders gewählt, da es nicht um einen laufenden Betrag, wie das Hausgeld, sondern um eine Sonderumlage für eine beschlossene Instandhaltungsmaßnahme in fünfstelliger Höhe geht und um eine Klage. Wenn die im März 2020 erhoben wird, dürfte dem Selbständigen zunächst nichts passieren. Er könnte auch mit der Folge des § 93 ZPO anerkennen. Die Vollstreckung dürfte kaum in den nächsten Wochen stattfinden.

Die Überschrift "Schutzlücke im Wohnungseigentumsrecht - noch ein Versäumnis des Gesetzgebers?" scheint mir selbst daher wenigstens unglücklich gewählt und die Problematik ggf. nicht vollständig zu Ende gedacht. Ich bin mir jedenfalls nicht sicher, ob der Gesetzgeber hier offenkundig gefehlt udn geirrt hat. Hier bedarf es im Einzelfall eher anderer Instrumente. In Ihrem Fall fragt sich zB, warum die Maßnahme gerade jetzt durchgeführt wird und ob es das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander (dazu etwa Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage, § 10 Rn. 69) nicht gebietet, zu warten und auf den Miteigentümer und die anderen Rentner und Selbstständigen Rücksicht zu nehmen.

Lieber Herr Elzer,

vielen Dank. Tatsächlich haben wir hier Dissens. Auch die Nichtzahlung einer Sonderumlage kann, ggf. nach Abmahnung, gem. § 18 WEG zur Entziehung des Wohnungseigentums im Einzelfall führen (vgl. etwa Müller, in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungeigentums, 7.Aufl. , § 84 Rn 61 mwN; Bärmann/Suilmann, 14.Aufl., WEG, § 18 Rn 13). Im Übrigen sehe ich nicht (Zahlungsklage bzw Mahnbescheid), warum der Eigentümer nicht Anlass zur Klagerhebung gegeben haben soll ("Geld hat man zu haben" usw). Der Hinweis auf das Rücksichtnahmegebot ist allerdings interessant und könnte hilfreich sein. Ob man damit allerdings die betroffenen Eigentümer, die zu Recht sehr aufgeregt sind, sicher helfen kann, ist dann wohl eher Frage des Einzelfalls.

 

Tatsächlich hat der Gesetzgeber m.E. in seiner Eile eine verschiedene Fälle nicht durchdacht. Ich bin gespannt, was uns in den kommenden Wochen noch erwartet.

Für mich als Wohnungseigentümer stellt sich die Frage, welches Gesetz gilt eigentlich:

Gesetz zur Abmilderung der COVID-19-Folgen vom März 2020 oder das neue WEMoG vom 1.12.2020

Beispiel:

Covid 19 §6 sagt aus:
(1) ...Der zuletzt bestellt Verwalter ... bleibt bis zur Abberufung ....im Amt

(2) ...Der zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

WEMoG ab 01.12.2020

§ 26 Abs. 3 WEG-E

Der Verwalter kann jederzeit abberufen werden .... ....Vertrag endet spätstens 6 Monate nach dessen Abberufung.

Durch unglückliche Umstände ist der letzte Beirat leider  im Frühjahr 2019 zurückgetreten. Bis Juni 2020 konnten wir mit der Verwaltung gut zusammenarbeiten - auch ohne Beirat. Im Juni 2020 wurde der Sachbearbeiter pensioniert und ein neuer Sachbearbeiter trat bei der Verwaltung diese Stelle an.

Dieser Sachbearbeiter handelte im Auftrag der Geschäftsführung des Verwalters und ist  in 2020 nicht in der Lage gewesen, eine Präsenz-Eigentümer-Versammlung abzuhalten,  so konnten wir keinen neuen Beirat wählen, was aufgrund verschiedener ET durchaus möglich gewesen wäre.

M. E hätte die Möglichkeit bestanden, mit Genehmigung der ET eine Online-Zuschaltung oder einen Umlaufbeschluss in die Wege zu leiten. In der Zeit in der es in NRW möglich gewesen ist eine Versammlung mit max. 20 Personen stattfinden zu lassen,hat er keine Zeit gehabt, kein Lokal gefunden und das von ET vorgeschlagene als nicht akzeptabel bezeichnet, obwohl Bilder beweisen, dass dieses Lokal durchaus geeignet gewesen ist.

§ 23 Abs. 2 WEG-E: Die WE können beschließen, dass WE an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kummunikation ausüben können.

Oder wie in unserer Gemeinschaft in der Vergangenheit üblich: bei 43 Parteien lagen mindestens 15 Vollmachten für einen Nachbarn vor - evtl. hätten gerne in "Corona-Zeiten" noch mehr ET eine Vollmacht erteilen, dann hätte die Versammlung bis 20 Personen sicherlich stattfinden können, auch das hat der Verwalter rundweg abgelehnt. Er könne nicht die Verantwortung übernehmen.

Einzelne Baumaßnahmen (Wasserschäden, Außentreppenreinigung von Algen befreien da Rutschgefahr) u.a. wurden nicht durchgeführt.

Stattdessen erhielten alle ET einen Vordruck für eine Service-Vollmacht für den Verwalter, die ihn ermächtigt - bei Nichterscheinen der einzeln ET für diese zu entscheiden.

Da unsere Gemeinschaft zu 3/4 aus älteren Eigentümern besteht, die manchmal Schwierigkeiten haben solche Sachen zu überblicken - hat ein Großteil der ET diese Vollmacht abgegeben.

Da bedeutet für mich: 43 ET   Entscheidung in der ETV 17 JA-Stimmen und 17- NEIN-Stimmen. Die restlichen Stimmen hat der Verwalter in Form der Service-Vollmacht. Wie wird er entscheiden????

Wir sind also mit dem Verwalter nicht zufrieden und würden lieber heute als morgen mit einem neuen Verwalter zusammenarbeiten.

Haben wir das Recht als ET (kleinerer Kreis, 5-6 Personen) da kein Beirat vorhanden, der Verwalter aber nur mit dem Beiratsvorsitzenden sprechen will, eine wie auch immer geartete Präsenzveranstaltung vom Verwalter zu fordern, damit wir endlich in der Lage sind, einen Beirat zu wählen, um  dann weitere Verhandlungen mit dem Verwalter führen zu können.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen und verbleibe 

mit freundlichen Grüßen

Marion Glaser

0

Kommentar hinzufügen