Coronapandemie: Rätselhafte Glaubhaftmachung...

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 23.04.2020
Rechtsgebiete: Miet- und WEG-RechtCoronaRechtspolitik1|6170 Aufrufe

In Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB heißt es: „Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen.“ Insoweit ist streitig geworden, ob mit dieser Formulierung § 294 Abs. 2 ZPO anwendbar ist, wonach eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft ist. 

Herlitz (jurisPR-MietR-8/2020 Anm. 1) bejaht diese Frage. Schmidt-Kessel/Möllnitz, NJW 2020, 1103 (1106) und Toporzysek (https://www.zpoblog.de/?p=8267verneinen sie. Schmidt-Kessel/Möllnitz verweisen auf BeckOK ZPO/Bacher, 1.3.2020, ZPO § 294 Rn. 15. Dieser führt aus, die Beschränkungen von § 294 Abs. 2 ZPO seien nur anwendbar, wenn das Gesetz eine Glaubhaftmachung zwingend vorschreibe. Sehe das Gesetz hingegen vor, dass eine Glaubhaftmachung „genügt“, stehe es der Partei frei, auch nicht präsente Beweismittel anzubieten. Toporzysek sieht  das auch so und verweist wie Bacher auf BGH, Beschluss vom 4.4.2007 – III ZB 79/06, Rn. 9). Sie meint, § 294 Abs. 2 ZPO gelte nur, wenn die Glaubhaftmachung gesetzlich gefordert, wie z.B. in §§ 236 Abs. 1 Satz 1 ZPO oder § 920 Abs. 2 ZPO, also nicht nur zugelassen werde. Da es einer Glaubhaftmachung nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen nicht bedürfe, wenn der Zusammenhang außer Streit stehe, sei sie bei Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gesetzlich nicht gefordert.

Was ist nun richtig? Diese Frage kann man wohl nicht mit dem Wort „genügt“ beantworten. Denn Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB kennt es nicht. Die Behauptung, Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB fordere keine Glaubhaftmachung, steht auch auf eher dünnen Beinen. Und mir selbst ist jedenfalls nicht klar, was der Hinweis auf die „allgemeinen prozessualen Grundsätze“ und den „Streitzusammenhang“  bringt.

Besinnen wir uns daher auf den Auslegungskanon. 1. Der Wortlaut lässt beide Deutungen zu. 2. Die Systematik ist dunkel. 3. Die Historie schweigt. 4. Nach seinem Sinn und Zweck will Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB dem Mieter die Beweisführung indes erleichtern (siehe dazu bereits Elzer). Siehe auch Artz/Brinkmann/Pielsticker, MDR 2020, 527 Rn. 14: "An dieser Stelle sei nur kurz klargestellt, dass die Bestimmung, der Mieter müsse den Zusammenhang von Nichtleistung und COVID-19-Pandemie glaubhaft machen, eine Privilegierung und keine Belastung des Mieters darstellt. Er muss den Zusammenhang im Prozess „nur“ glaubhaft machen."

Mein Fazit: Die Auslegung nach dem Auslegungskanon deutet darauf hin, dass § 294 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar ist. Wer dies anders sieht, gibt dem Mieter Steine statt Brot. Aber: Mögen die Spiele beginnen!

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Glaubhaftmachung: zpoblog.de (Kornelia Toporzysek) und community.beck.de (Oliver Elzer) befassen sich mit den prozessualen Implikationen des Art. 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, dabei insbesondere mit den prozessualen Anforderungen, die an den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Miete i.S.d. Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zu stellen sind, der zur Anwendung der Kündigungssperre führt. Es stünde insbesondere die Anwendbarkeit der gerichtlich zu § 294 ZPO entwickelten Grundsätze in Frage.

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