Da muss die Verteidigerin noch etwas üben, was die Rücknahme von Anträgen angeht....

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.04.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|2320 Aufrufe

...na ja. Ganz so ist es nicht. Offenbar hatte der Betroffene eine Reihe von Knöllchen (mindestens wohl 19) kassiert. Zunächst waren Anträge auf gerichtliche Entscheidungen erhoben worden - wahrscheinlich wird die Verteidigerin den Betroffenen daraufhin "ins Gebet" genommen haben. Es erfolgte nämlich hinsichtlich aller Verfahren eine Rücknahme der Anträge. Hinsichtlich aller? Nein - das hier gegenständliche Verfahren wurde wohl vergessen und die Rücknahmeerklärung insoweit nachgeschoben. Dummerweise wurde die entsprechende Erklärung an die Verwaltungsbehörde geschickt. Gut - denn nur so wird ein schöner Fall für das Blog daraus. Es folgte nämlich ein Erinnerungsverfahren wegen der Kosten:

 

Der gegen den nach § 25a StVG ergangenen Kostenbescheid des Polizeipräsidenten in B. vom 09.09.2019 gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen vom 23.09.2019 ist durch Beschluss des Gericht vom 30.10.2019 als unbegründet verworfen worden. Mit Schriftsatz vom 23.10.2019 hat die Verteidigerin des Betroffenen den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgenommen. Dieser Schriftsatz war an den Polizeipräsidenten in B. als Verwaltungsbehörde gerichtet und ist dort am selben Tag eingegangen. Er ist von dort an das Gericht weitergeleitet worden, wo er am 11.11.2019 eingegangen ist. Der Betroffene wendet sich mit seiner Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 15.11.2019, mit der nach Nr. 4303 des Kostenverzeichnisses (KV) eine Gebühr für die Verwerfung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung in Höhe von 30,00 Euro angesetzt wurde.

 Die Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet. Die Tatsache, dass der Betroffene bereits vor Erlass des Beschlusses vom 30.10.2019 seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegenüber der Verwaltungsbehörde zurückgenommen hatte, steht weder der Wirksamkeit dieser gerichtlichen Entscheidung noch der Erhebung der dafür im KV vorgesehenen Verfahrensgebühr entgegen. Denn die Rücknahmeerklärung wurde erst mit Eingang bei dem mit dem Rechtsbehelf befassten Gericht wirksam (KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 302 Rn. 14 m.w.N.; BeckOK StPO, 35. Edition, § 302 Rn. 8), also hier am 11.11.2019. Zu diesem Zeitpunkt war die Rücknahme nicht mehr zulässig, da der Beschluss vom 30.10.2019 mangels Anfechtbarkeit mit seinem Erlass sofort rechtskräftig geworden ist (vgl. BGH NStZ 2011, 713). Dass die Verteidigerin zugleich mit weiterem Fax vom 23.10.2019 an das hiesige Gericht eine Auflistung mit 18 verschiedenen behördlichen Aktenzeichen von Bußgeldverfahren übersandt und hierbei erklärt hat, sie nehme die Anträge auf gerichtliche Entscheidung zu diesen Aktenzeichen zurück, ändert daran nichts, denn dieser Schriftsatz war ausdrücklich (nur) an das gerichtliche Verfahren zum Geschäftszeichen 361 OWi … gerichtet und konnte daher mangels Angabe des zutreffenden gerichtlichen Geschäftszeichens des hiesigen Verfahrens durch die hiesige Abteilung des Gerichts nicht zur Kenntnis genommen werden. Angesichts der Tatsache, dass es am Amtsgericht Tiergarten 146 Abteilungen für Strafsachen gibt, von denen 38 allein für Verkehrsstraf- und Bußgeldsachen zuständig sind, ist die Angabe des zutreffenden Geschäftszeichens unerlässlich, damit Eingänge zugeordnet werden können, zumal das Gericht keine Möglichkeit hat, allein anhand des Aktenzeichens der Verwaltungsbehörde das zutreffende gerichtliche Geschäftszeichen und Verfahren zu ermitteln. Das hiesige Gericht hat von diesem Schriftsatz erst im Erinnerungsverfahren und auch nur aufgrund der durch die Verteidigerin erfolgten Übersendung einer Kopie Kenntnis erlangt.

 Für die Entscheidung vom 30.10.2019 war daher eine Gebühr zu erheben. Abweichend von der Kostenrechnung ist diese Gebühr jedoch nach Nr. 4301 KV zu bemessen und war daher in Höhe von 35,00 Euro festzusetzen, denn es handelte sich um einen Fall des § 25a Abs. 1 StVG. Ein Verschlechterungsverbot besteht nicht (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 66 GKG Rn. 53).

 Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.

AG Berlin-Tiergarten Beschl. v. 6.3.2020 – (297 OWi)  (1226/19), BeckRS 2020, 5344

 

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Eine solche Schere zwischen Überschrift und Text erwarte ich eigentlich nur von Menschen, die ihre Mitarbeiterin an Hand des Bewerbungspassbilds aussuchen. Der Mandant mit dem Schuhkarton voller Unterlagen ist kein Klischee.

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