BAG zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 28.04.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|4973 Aufrufe

Heute mal kein Corona: Wird der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, schuldet der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG für die Dauer von bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Bei einer erneuten Arbeitsunfähigkeit "infolge derselben Krankheit" entsteht der Entgeltfortzahlungsanspruch erst nach einer bestimmten Wartezeit neu (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Schon seit jeher hatte das BAG in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG zum Krankengeld die Auffassung vertreten, dass von "derselben Krankheit" auch dann auszugehen sei, wenn der Arbeitnehmer während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit aus anderer Ursache erkrankt und damit länger arbeitsunfähig bleibt (sog. "Einheit des Verhinderungsfalls").

Beispiel: Vom 1.2. bis 28.2. arbeitsunfähig infolge Grippe. Am 26.2. Beinbruch mit Arbeitsunfähigkeit bis 15.4. = Einheit des Verhinderungsfalls, Entgeltfortzahlung nur für sechs Wochen, also 1.2. bis 15.3., obwohl Grippe und Beinbruch an sich zwei unterschiedliche Krankheiten sind.

Demgegenüber genügte es für eine Neuerkrankung bislang, dass der Arbeitnehmer zwischen dem Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit und dem Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit für wenige Stunden genesen war, und zwar selbst dann, wenn diese außerhalb der Arbeitszeit lagen (so explizit BAG, Urt. vom 25.5.2016 - 5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076 Rn. 12).

Beispiel: Arbeitsunfähig infolge Grippe bis einschließlich Freitag. Samstag und Sonntag arbeitsfrei, Sonntagnachmittag beim Sport ein Beinbruch = neue Erkrankung, Sechs-Wochen-Zeitraum beginnt neu.

Von dieser Linie ist das BAG jetzt abgerückt: Eine "Einheit des Verhinderungsfalls" könne auch dann anzunehmen sein, wenn zwischen der Erst- und der Folgeerkrankung ein arbeitsfreies Wochenende liege:

  1. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.
  2. Ein einheitlicher Verhinderungsfall ist regelmäßig hinreichend indiziert, wenn zwischen einer „ersten“ krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und einer dem Arbeitnehmer im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierten weiteren Arbeitsunfähigkeit ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Hiervon ist auszugehen, wenn die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.

BAG, Urt. vom 11.12.2019 - 5 AZR 505/18, NZA 2020, 446

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