"Wer manipuliert schon Kopien?" oder: Verteidiger müssen alles anzweifeln - manchmal wird aber zu viel gezweifelt....

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.04.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht3|2387 Aufrufe

Eine schon einige Wochen zurückliegende Enstcheidungd es OLG Hamm zur Frage, wie eigentlich mit in der Akte nur als Kopie sich befindenden Unterlagen umzugehen ist. Verteidiger behaupten hier gerne, ddiese Unterlagen seien als Urkundsbeweis nicht einführbar. Es handele sich nicht um das Original - es könne eine Manipulation nicht ausgeschlossen werden. Klar. Stimmt. Aber: Wer sollte manipulieren? Ohne Anhaltspunkte insoweit muss das Gericht sich mit derartigen Fragen nicht auseinandersetzen. Und auch auf die Verjährung hat das keinen Einfluss:

 

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

 Gründe: 

 Zusatz:

 Der Senat macht sich die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in der Antragsschrift vom 31. Januar 2020 zu eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

 Bei einem Papierdokument, das mittels einer EDV-Anlage hergestellt wird, ohne Unterschrift und/oder Stempel wirksam ist und auch so versandt wird, gibt es in aller Regel kein Original mit individuellen Merkmalen, sondern lediglich Ausdrucke, die in beliebiger Anzahl herstellt werden können. Gleiches gilt für die Ausdrucke von Lichtbildern, die von teil- oder vollautomatischen Messanlagen von vornherein als digitale Dateien hergestellt werden ebenso wie für digitalisierte Videoprints in digital erstellten Auswerteprotokollen. Eichscheine, Schulungsbescheinigungen, Messprotokolle u.Ä. existieren zwar im Original in Papierform, dies allerdings bei weitem nicht in der Anzahl der Messungen, die z.B. während der Gültigkeit der Eichung zu (gerichtlichen) Bußgeldverfahren führen. Deshalb wäre es abwegig, für die Unterbrechungswirkung nach § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG zu verlangen, dass sich in jeder der zahlreichen dem AG vorzulegenden Bußgeldakten die Originale befinden. Gegen die Verwendung von Kopien bzw. Ausdrucken ist auch im gerichtlichen Verfahren grds. nichts einzuwenden ist (BGH vom 05. Januar 1999 - 3 StR 550/98, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 06. September 2016, 1 OWi 3 SsRs 93/16, juris). Es kann inzwischen als offenkundig (allgemeinkundig) i.S.d. § 244 Abs. 2 S. 2 StPO angesehen werden, dass die heute verwendete Technik dann, wenn es nicht zu manipulativen Eingriffen kommt, gewährleistet, dass sich der Inhalt eines Dokuments auf dem Weg vom Scannen über das Speichern bis zum Drucken nicht verändert; auch eine versehentlich unrichtige Übertragung des Inhalts auf eine Fotokopie kann ausgeschlossen werden. Es gibt grds. auch keinen Anlass, ernsthaft in Betracht zu ziehen, Mitarbeiter staatlicher Stellen hätten bereits beim Scannen bzw. Kopieren manipuliert oder nachträglich Datensätze verändert. Folglich kann der Tatrichter mangels entgegenstehender konkreter Anhaltspunkte auch davon ausgehen, dass die von einer Bußgeldstelle hergestellten und in die Akte gehefteten Ausdrucke oder Kopien von Eichschein, Schulungsnachweis und Messprotokoll mit dem jeweiligen Original übereinstimmen (siehe auch Thür. OLG vom 16. Januar 2008, 1 Ss 284/07, juris). Es ist aus dem Protokoll auch ersichtlich, dass das erkennende Gericht den Eichschein durch die Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts nach § 78 Abs. 1 OWiG ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt hat.

OLG Hamm Beschl. v. 27.2.2020 – 4 RBs 73/20, BeckRS 2020, 4739

 

 

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3 Kommentare

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Natürlich ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht damit zu rechnen, daß ein Gericht oder eine Staatsanwalt Akteninhalte manipuliert.

Aber derjenige, von dem das gericht oder die Staatsanwaltschaft die in der Akte befindlichen Fotokopien erhalten haben, hätte vielleicht die Fotokpopiervorlage manipulieren können, was auf der Vorlage vielleicht erkennbar sein könnte, auf der Fotokopie aber oft nicht mehr erkennbar ist.

Insoweit haben Fotokopien, jednefalls wen sie nicht amtlich beglaubigt sind, allenfalls nur einen Beweiswert als Augenscheinsobjekt, nicht jedoch als Urkunde im Sinne des Urkundsbeweises.

Insbesondere bei Diplomurkunden und anderen Zeugnissen sollen auch in Deutschland Manipulationen keineswegs selten sein.

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"Es kann inzwischen als offenkundig (allgemeinkundig) i.S.d. § 244 Abs. 2 S. 2 StPO angesehen werden, dass die heute verwendete Technik dann, wenn es nicht zu manipulativen Eingriffen kommt, gewährleistet, dass sich der Inhalt eines Dokuments auf dem Weg vom Scannen über das Speichern bis zum Drucken nicht verändert"

Völliger Unsinn. Gerade in den letzten Jahren verändern Kopierer verstärkt die Kopie - das sogar gezielt und bewusst. Ziel ist es, die Qualität zu verbessern. Eine schlecht lesbare 9 bleibt so nicht eine schlecht lesbare 9, sondern wird in vielleicht 99% der Fälle in eine gut lesbare 9 verwandelt, in vielleicht 1% der Fälle in eine gut lesbare und daher um so täuschendere 8.

Die Änderungen sind selten und bezogen auf den Gesamttext geringfügig, was der Maßstab der Techniker sein wird. Aber gerade bei Zahlen macht eine kleine Veränderung häufig einen großen Unterschied.

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