OLG Köln: Frauen haben auch ihr Gutes! (frei übersetzt!)

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 09.07.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht13|4492 Aufrufe

"Frauen haben auch ihr Gutes" - über diesen Loriot-Klassiker kann man schmunzeln. Durch die Presse und das Netz ging bereits die Meldung, das OLG Köln sehe es als Volksverhetzung, wenn man als Mann Frauen schlechtmacht. Jetzt sind die Entscheidungsgründe online: Tatsächlich war das was der Angeklagte geschrieben hat ganz schlechter Stil. Und nicht nur das, sondern sogar eine Sauerei! Zugleich aber auch irgendwie so weit über alle Grenzen des guten Geschmacks hinweg, dass die in dem Beschluss isoliert zu lesenden Äußerungen an sich schon fast wieder komisch sind...wer schreibt schon aus Überzeugung sooo einen Mist? ...aber: Ist das auch nach § 130 StGB strafbar? "Warum nicht?!", meint das OLG Köln. Mich überzeugt das alles nicht so richtig. Vielleicht interpretiere ich § 130 StGB aber auch zu "oldschoolmäßig":

 

I.

Das Amtsgericht Bonn hat den Angeklagten am 7. Mai 2019 wegen Volksverhetzung in sechs Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 55 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Auf seine Berufung hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.

Die Berufungsstrafkammer hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„Dem Angeklagten ist mit Strafbefehl der Staatanwaltschaft Bonn vom 29.10.2018 vorgeworfen worden, in der Zeit vom 03.11.2013 bis heute gem. §§ 130 Abs. 2 Nr. 1 a) und b), 53 StGB in sieben Fällen Schriften, die die Menschenwürde von Teilen der Bevölkerung dadurch angreifen, dass sie beschimpft und böswillig verächtlich gemacht werden, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht zu haben.

Konkret wurde dem Angeklagten zur Last gelegt:

Als Betreiber des Internetforums Internetadresse1 verfasste und veröffentlichte der Angeklagte verschiedene Eigen- und Fremdbeiträge, in dem er Frauen in besonderer Weise herabwürdigt, ihnen ein Recht als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen  Gemeinschaft abspricht und er sie auf ihre Fortpflanzungsfähigkeit reduziert.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beiträge:

1.

Seit dem 03.11.2013 ist in dem besagten Forum der unter dem Kürzel des Angeklagten „A“ veröffentliche Beitrag „Nicht Armut, sondern Arbeits-Unlust ist weiblich“ abzurufen, in dem der Angeklagte Frauen als minderwertige Menschen degradiert, die allein zu Fortpflanzungszwecken, nicht  jedoch zur Erwerbstätigkeit geschaffen seien. So heißt es in dem Beitrag „Wofür sind die Weiber denn geschaffen ? Für die Reproduktion ! Das Weib steht den Tieren näher, der Mann den Himmelswesen.“

Zudem befürwortet der Angeklagte, das Wahlrecht für Frauen abzuschaffen.

2.

In dem Beitrag des Angeklagten “Sind Weiber Menschen zweiter Klasse- oder nur Fußballspieler zweiter Klasse“ vom 14.07.2014 spricht der Angeklagte Frauen eine gleichwertige Bedeutung und letztlich gar ihr Menschsein ab und kommt zu dem Ergebnis „Männer sind Menschen erster Klasse. Und Weiber sind Menschen zweiter Klasse. Sie haben am Menschengeschlecht teil, reproduzieren es auch, aber repräsentieren es nicht.“

3.

Als Administrator veröffentlichte der Angeklagte am 22.12.2014 unter der Überschrift „Mein (Jahre-?) Schlußwort“ einen Beitrag, in dem er den Frauen ihr Menschsein abspricht bzw. sie als minderwertige Menschen bezeichnet. Der Beitrag ist heute noch abrufbar. Wörtlich schreibt der Angeklagte „Männer sind Menschen im eigentlichen Wortsinne. Weiber nehmen am Menschsein zwar teil, aber sie repräsentieren den Menschen nicht.

Man kann das vergröbert auch so ausdrücken: Weiber sind Menschen zweiter Klasse. - Oder: Weiber sind minderwertige Menschen.“

4.

Am 09.08.2016 veröffentlichte der Angeklagte einen Artikel unter der Überschrift „Kategorienfehler als Grundlage einer Staatsdoktrin. Warum das Weib kein eigentlicher Mensch ist“. Auch in diesem Beitrag kommt er zu dem Ergebnis, dass das „Weib“ dem Tier näher ist. So heißt es hier: „Aus dem Skizzierten läßt sich folgern: Der Mann ist der - eigentliche - Mensch; das Weib nimmt am Menschsein teil, aber es repräsentiert den Menschen nicht. Sein Menschsein ist insofern uneigentlich. Es erhält den Menschen, gibt ihm aber keine Bestimmung.

Die Doktrin der Gleichheit von Mann und Weib ist so wahnhaft wie die Doktrin der Gleichheit von Mensch und Tier.

5.

In dem Beitrag „Das Gift der Gynokratie:“Mutti zerstört Vaters‘ Land““ veröffentlicht am 11.09.2016 fordert der Angeklagte erneut die Abschaffung des "Weiberwahlrechts“.

6.

In einem Beitrag vom 18.03.2016 beschimpft der Angeklagte unter seinem Kürzel A das Verhalten der Frauen als parasitär. „Parasitismus hat ein Geschlecht“. Nach seiner pauschalierten Darstellung beschränken sich Frauen darauf, das Geld auszugeben, das die Männer erarbeiten.

7.

Am 19.05.2016 veröffentlichte der Angeklagte in dem oben genannten Forum unter dem Kürzel A den Beitrag „Gelobt sei, was uns hart macht.“ Im letzten Abschnitt dieses Beitrages berichtet er von einer Dominanz „der Weiber im öffentlichen Dienst und im Schul- und Bildungswesen“. Das zahlenmäßige Vorherrschen von Frauen in diesem Arbeits- und Berufsspektrum ist für ihn Zeichen einer geistig-moralischen Mangelerscheinung. Er vergleicht die seiner Meinung nach vorliegende hohe Zahl von Frauen in diesen Bereichen mit Schlammwürmern in einem Tümpel. Durch diese gleichsetzende Betrachtungsweise würdigt der Angeklagte Frauen in besonderer Weise herab.

Alle vorgenannten Beiträge sind seit dem Tag ihrer Veröffentlichung für eine unbeschränkte Anzahl von Internetnutzern frei abrufbar.“

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung ist ausgeführt, dass hinsichtlich des Angriffsobjekts allein die Subsumtion unter den Terminus „Teile der Bevölkerung“ in Betracht komme. Weiter heißt es:

„Dieser Begriff ist für sich genommen eher schwammig und meint andere Gruppierungen, als die in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten, wie nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen.

§ 130 StGB aF sprach von verschiedenen Klassen der Bevölkerung. Darunter wurde eine Mehrheit von Personen mit gemeinsamer Bezeichnung, die aus sozialen Gründen oder übereinstimmender Anschauungen oder Interessen als verbunden betrachtet wurden und zu anderen Teilen des Volkes in Gegensatz standen, verstanden (vgl. Schwarz, StGB, 21. Aufl. 1958, Anm. 1) zu § 130). Durch das StrÄndG vom 30.10.1960 (BGBl. I, 478) ist dieser Begriff abgelöst worden durch „Teile der Bevölkerung“, weil der Begriff „Klassen“ als soziologisch überholt galt (vgl. Schwarz-Dreher, StGB, 30. Aufl. 1968, Ziffer 3) zu § 130). Im entsprechenden Gesetzgebungsverfahren war zunächst diskutiert worden, den Begriff „Klasse“ durch den Begriff „durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe“ zu ersetzen (vgl. BT-Drucksache 3/918, Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung vom 05.03.1959). Ziel der Ausweitung des Begriffes war es, nicht nur Gruppen mit gleicher oder ähnlicher Weltanschauung zu erfassen, sondern auch solche Gruppen, deren Schwerpunkt der Gemeinsamkeiten auf politischem Gebiet liegt.

Durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 (BGBl. I 3186) wurde der Tatbestand des § 130 StGB völlig neu gefasst. Es wurde erstmals ein neuer Absatz 2 eingefügt. In diesem wurde der Tatbestand des sog. Rassenhasses, der bisher – neben der Gewaltdarstellung – in § 131 StGB geregelt war, neu gefasst. In diesem Zusammenhang wurde erstmals neben dem Begriff „Teile der Bevölkerung“ die vier Gruppen in Absatz 2 aufgenommen, die heute in Absatz 1 von § 130 StGB aufgezählt sind. Allerdings hieß die letzte Gruppe damals noch „durch ihr Volkstum bestimmte“ Gruppe.

Anhand dieses historischen Ausblicks wird deutlich, dass die Definition des Begriffes „Teile der Bevölkerung“ nicht per se auf der Hand liegt, aber doch schon eine deutliche Eingrenzung erfahren hat. So stehen im Vordergrund die Weltanschauung oder die soziale oder politische Ausrichtung einzelner Bevölkerungsgruppen.

Dementsprechend ist sich die heutige Rechtsprechung und das Schrifttum einig, dass der Begriff „Teile der Bevölkerung“ eine Mehrzahl von Menschen darstellen, die z.B. durch ihre politische oder weltanschauliche Überzeugung oder durch ihre soziale oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion als besondere Gruppe erkennbar sind (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, Rz 4 zu § 130 mit  zahlreichen Rspr.-Nachweisen; Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, Rz 3 zu § 130 ebenfalls mit  zahlreichen Rspr.-Nachweisen; Schäfer in Müko, StGB, 3. Aufl. 2017, Rz 30 zu § 130).

Als hinreichend bestimmte Gruppe für Teile der Bevölkerung im Sinne dieser Vorschrift werden regelmäßig folgende Beispiele genannt: die Arbeiter, die Arbeitgeber, die Bauern, die Beamten (auch Teile davon wie die Staatsanwälte, die Richter, die Soldaten), die Katholiken, die Protestanten, die Juden, dunkelhäutige oder farbige Menschen, die Zigeuner, die Sinti oder die Roma, die in Deutschland lebenden Ausländer, die Flüchtlinge, die Migranten, die Deutschtürken, die Aussiedler, die Besitzenden, die Kapitalisten, die Kommunisten, die Sozialhilfeempfänger, die Punker, die Bayern, die Schwaben, die Vertriebenen usw.

Dabei fällt aber auf, dass an keiner Stelle eine geschlechtsspezifische Bestimmung von Teilen der Bevölkerung vorgenommen wird, also etwa die Frauen oder die Männer.

Entgegen dem von dem angefochtenen Urteil auf dessen S. 13 erweckten Anschein vertritt auch nicht Prof. Dr. B in seinem Aufsatz (JR 2011, 380 ff) die Ansicht, dass unter Teile der Bevölkerung auch ein bestimmte Geschlechtsgruppe zu subsumieren ist. Der Aufsatz beschäftigt sich vielmehr mit der Frage, ob Volksverhetzung auch gegen die in Deutschland lebende deutsche Gesamtbevölkerung nach der Terminologie des § 130 StGB möglich. Die Frage eines etwaigen Geschlechterschutzes durch § 130 StGB wird hier nicht erörtert. Dies überrascht auch nicht, weil nach dem historisch gewachsenen Sinn und Zweck der Vorschrift (Volksverhetzung) ein allgemeiner Geschlechterschutz gerade nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst wird.

Dies wird auch bestätigt, wenn man die weitere Entwicklung des § 130 StGB betrachtet. Zwar ist diese Vorschrift in letzter Zeit wiederholt geändert und redaktionell neu gefasst worden, u.a. durch Gesetz vom 16.03.2011 zur Umsetzung eines europäischen Rahmenbeschlusses (BGBl. I 418) und durch das 49. StrÄndG vom 21.01.2015 (BGBl. I 10). Wenn der Gesetzgeber also den Tatbestand des § 130 StGB entgegen seines historisch gewachsenem Verständnisses um einen allgemeinen Geschlechterschutz hätte erweitern wollen, hätte er dazu hinreichend Gelegenheit gehabt. Stattdessen hat er aber beispielsweise eine geschlechtsspezifische Schlechterstellung im Vertragswesen bzw. im Vertragsanbahnungswesen durch das AllGleichbehandlungsG vom 14.08.2006 sanktioniert und keine Erweiterung der vier im Einzelnen in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgezählten Gruppen um eine weitere, geschlechtsbestimmte Gruppe vorgenommen. Dies hätte an dieser Stelle auch wenig Sinn gemacht, weil die vier Gruppen nahezu wortgleich § 6 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuch entnommen sind. In § 6 VStGB ist aber der Völkermord unter Strafe gestellt. Schutzgut ist also auch insoweit nicht eine bestimmte Geschlechtergruppe.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass ganz allgemein „die Frauen“ oder „die Männer“ oder „die Angehörigen eines diversen Geschlechts“ nicht als „Teile der Bevölkerung“ im Sinne der Vorschrift des § 130 StGB anzusehen sind. Ob vor dem aufgezeigten Hintergrund auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die strafrechtliche Bestimmtheitsanforderung an den Begriff „Teile der Bevölkerung“ i.S.d. § 130 StGB bestehen, ist aus Sicht der Kammer zwar zu bejahen, bedarf aber aufgrund der hier vertretenen Auffassung keiner näheren Erörterung.

Die letztlich nur als krude zu bezeichnenden Äußerungen des Angeklagten, die er auch nach wie vor im Internet unter Internetadresse 1 ganz allgemein über Frauen verbreitet, sind im Ergebnis also nicht strafbar gem. § 130 Abs. 2 StGB und zwar allein deshalb, weil „die Frauen“ nicht unter den Begriff “Teile der Bevölkerung“ im Sinne dieser Vorschrift zu subsumieren sind.“

Gegen dieses Urteil richten sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird.

II.

Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegenden Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt gemäß §§ 353 Abs. 2, 354 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1.

Gemäß § 130 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a) und c) StGB macht sich – soweit hier in Betracht zu ziehen - strafbar, wer eine Schrift der Öffentlichkeit zugänglich macht, die die Menschenwürde eines Teils der Bevölkerung dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. Dabei erfasst der Begriff der Schrift – wie die Verweisung auf § 11 Abs. 3 StGB klarstellt – auch Datenspeicher und damit auch den (nicht permanenten) Inhalt eines Arbeitsspeichers (Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 11 Rz. 36).

Die Berufungsstrafkammer hat zu begründen gesucht, dass die von dem Angeklagten angegangenen Frauen nicht „Teil der Bevölkerung“ im Sinne der genannten Bestimmung seien. Dem vermag der Senat nicht zu folgen:

a)

Gängiger Begriffsbestimmung zufolge ist unter einem „Teil“ der Bevölkerung eine Personenmehrheit zu verstehen, die individuell nicht mehr überschaubar ist und sich von der Gesamtheit der Bevölkerung aufgrund bestimmter Merkmale äußerer oder innerer Art unterscheidet (Fischer a.a.O. , § 130 Rz. 4; SK-StGB-Stein, 9. Auflage 2018, § 130 Rz. 12; BeckOK-StGB-Rackow 45. Edition Stand 01.11.2019, § 130 Rz. 13; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Auflage 2019, § 130 Rz. 3). Soweit diese Merkmale als politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher oder beruflicher Art bezeichnet werden, wird diese – scheinbare – Einengung umstandslos durch die Zufügung der Worte „oder sonstiger“ wieder aufgehoben (BGH NStZ 2015, 512 [513]; MüKo-StGB-Schäfer, 3. Auflage 2017, § 130 Rz. 30; LK-StGB-Krauß,12. Auflage 2009, § 130 Rz. 26; AnwKomm-StGB-Graf v. Schlieffen, 3. Auflage 2020, § 130 Rz. 4).

b)

Semantisch ist es zunächst zwanglos möglich, die Frauen als Teil der Bevölkerung anzusprechen. Mit diesem Befund ist zugleich der zentrale methodische Fehler der Berufungsstrafkammer markiert: Sie konstatiert (UA 6) zunächst lediglich, der Begriff sei „eher schwammig“ und meine andere als die in § 130 Abs. 1 Ziff. 1 StGB genannten Gruppen, um sich sodann umstandslos einer gesetzesgenetischen Interpretation des Terminus „Teile der Bevölkerung“ zuzuwenden – auf diesen Gesichtspunkt wird zurückzukommen sein. Ausgehend von dem Befund, dass der mögliche Wortsinn des Terminus als äußerste Auslegungsgrenze der Subsumtion nicht entgegensteht, wäre demgegenüber zu fragen gewesen, ob Gesichtspunkte für eine – dann: – einengende Auslegung streiten.

Hervorgehoben hat die Berufungsstrafkammer – als Ergebnis der gesetzesgenetischen Interpretation -, dass mit „Teilen der Bevölkerung“ solche Gruppen gemeint seien, die durch ihre politische oder weltanschauliche Überzeugung oder durch ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion als besondere Gruppe erkennbar sind. Das Unterscheidungsmerkmal der Geschlechtszugehörigkeit sei indessen bislang nicht aufgegriffen worden. Eine solche Entgegensetzung ist freilich auch bisher nicht bruchlos durchgeführt worden. Der Bundesgerichtshof hat – worauf die Beschwerdeführerin mit Recht hinweist – den volksverhetzenden Charakter der Wendung „Ausländerhure“ nicht deswegen verneint, weil sich das Unterscheidungsmerkmal auf das Geschlecht bezieht (BGH NStZ 2015, 512 [513]). Der Senat hat – durch Beschlussverwerfung gemäß § 349 Abs. 2 StPO – bereits dahin entschieden, dass auch „die Homosexuellen“ einen Teil der Bevölkerung darstellen können (SenE v. 13.11.2018 – III-1RVs 240/18; so auch AnwKomm-StGB-Graf v. Schlieffen a.a.O.). Und anerkannt ist, dass die „Behinderten“ im Sinne von § 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB ein „Teil der Bevölkerung“ sind (LK-StGB-Krauß a.a.O. Rz. 31 m. N.), ohne dass diese Gruppen die von der Berufungsstrafkammer vorrangig angezogenen Unterscheidungsmerkmale aufwiesen. Es trifft vor diesem Hintergrund weiter zwar zu, dass die vom Amtsgericht zitierten Ausführungen von B („Volksverhetzung gegen Deutsche“ JR 2011, 380) sich nicht mit einem durch § 130 StGB bewirkten Geschlechterschutz beschäftigen. Nicht übersehen werden kann aber andererseits, dass auf „die Deutschen“ als „Teil der Bevölkerung“ die von der Berufungsstrafkammer als in erster Linie leitend angesehenen Kriterien gleichfalls nicht zutreffen.

c)

Der Wortlautbefund wird durch die Anwendung weiterer Auslegungsinstrumente nicht in Frage gestellt – im Gegenteil:

aa)

Zur Gesetzgebungshistorie hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 31. März 2020 wie folgt ausgeführt:

„Insbesondere die historische Auslegung der Vorschrift spricht - entgegen der von der Kammer im Urteil geäußerten Auffassung - mit Rücksicht auf die vom Gesetzgeber bei der Einführung bzw. Änderung der Vorschrift jeweils geäußerten Motive gerade für eine Einbeziehung von „den Frauen“ in den Schutzbereich der Vorschrift.

Zunächst hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die Formulierung „Teile der Bevölkerung“ bereits im Jahre 1960 in das Strafgesetzbuch gelangt ist.

Die durch das 6. StrÄndG mit Wirkung vom 30.06.1960 (BGBl. 1960, Teil I, S. 478) eingeführte Vorschrift lautete:

㤠130

Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er

1.
zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt,

2.
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert,

3.
sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Daneben kann auf Geldstrafe erkannt werden.“

Das Tatbestandsmerkmal „Teile der Bevölkerung“ geht dabei zurück auf die Empfehlung des Rechtsausschusses. In dem zuvor unter dem Eindruck antisemitischer Vorfälle entstandenen „Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung“ der Bundesregierung vom 05.03.1959 (BT-Drs. 3/918) lautete die betreffende Ziffer der Vorschrift noch:

„1.              zum Haß gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstachelt, …“

Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 3/918, S. 3 unter II. 1. a) entsprach diese Formulierung dem durch Gesetz vom 09.08.1954 (BGBl. II S. 729) aufgrund der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 09.12.1948 in das Strafgesetzbuch eingefügten § 220a StGB (Völkermord). Die Begründung hob hervor, dass die Verwendung des Wortes „Gruppe“ anstatt der Bezeichnung „Bevölkerungsgruppe“ der Formulierung in § 220a StGB entspreche und von der Einbeziehung von Gruppen, die nur durch die Weltanschauung ihrer Mitglieder bestimmt seien, abgesehen worden sei, weil sie keine Abgrenzung zulasse und - ungewollt - auch Gruppen erfassen würde, deren Schwergewicht auf politischem Gebiet liege.

Der mit dem Regierungsentwurf (BT-Drs. 3/918) in der Fassung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung (BT-Drs. 3/1143) und den konkurrierenden Gesetzesentwürfen der FDP-Fraktion (BT‑Drs. 3/1527) sowie der SPD-Fraktion (BT-Drs. 3/1551) befasste Rechtsausschuss schlug die letztlich zum Gesetz gewordene Fassung des Tatbestandes mit der Formulierung „Teile der Bevölkerung“ vor (BT‑Drs. 3/1746).

Anders als das landgerichtliche Urteil suggeriert, zielte die Umformulierung bereits auf eine Ausweitung des Schutzbereichs der Vorschrift ab. Hierzu führte der Rechtsausschuss u. a. aus:

„Während die Regierungsvorlage zur Änderung des § 130 StGB … und auch die Ergebnisse der früheren Beratungen des Rechtsausschusses … sich auf die strafrechtliche Würdigung bestimmter Angriffe auf nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppen beschränkten, sieht der nunmehr erarbeitete Vorschlag von einer solchen Beschränkung bewußt ab. Dabei wird der Begriff der „Gruppe“ überhaupt nicht mehr verwendet, sondern stattdessen von „Teilen der Bevölkerung“ gesprochen. … Mit der Bezeichnung … soll deutlich gemacht werden, daß die Bevölkerung in ihrer vielfältigen Gliederung nach Stämmen, religiösem Bekenntnis und anderen Merkmalen ein Ganzes darstellt, das sich aus eben diesen verschiedenen Teilen zusammensetzt, ja daß das Ganze des Volkes ohne diese verschiedenen Teile nicht denkbar ist.“

Und hob im Anschluss hervor:

„Diese Änderung bedeutet, wie dem Ausschuß bewußt ist, eine erhebliche Ausweitung des Tatbestandes gegenüber der Regierungsvorlage zu § 130 StGB insofern, als die Beschränkung auf einzelne, nach bestimmten Merkmalen bezeichnete Gruppen entfällt.“

Durch das infolge einer Welle antisemitischer und fremdenfeindlicher Straftaten auf den Weg gebrachte und 1994 verabschiedete Verbrechensbekämpfungsgesetz (BGBl. I 1994, Nr. 76 vom 04.11.1994, S. 3186) erhielt § 130 StGB seinen zweiten Absatz. Dieser lautete seinerzeit:

              „(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, …“

Dem Gesetz lag ein Initiativ-Entwurf der Fraktionen von CDU und CSU sowie FDP vom 18.02.1994 (BT-DRs. 12/6853) zugrunde. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil lag auch dieser Gesetzesänderung das Bestreben zugrunde, den Schutzbereich der Vorschrift zu erweitern. So führte die Begründung zum Entwurf an (S. 24):

„Der Schwerpunkt … liegt in der Ausgestaltung des bisher in § 131 StGB geregelten Tatbestandes der Aufstachelung zum Rassenhaß zu einem allgemeinen Anti-Diskriminierungstatbestand. … Der Entwurf faßt die beiden inhaltlich eng verwandten Tatbestände der Aufstachelung zum Haß gegen Teile der Bevölkerung (§ 130 Nr. 1 StGB) und zum Rassenhaß (§ 131 StGB) nunmehr in einer Vorschrift zusammen. Dabei wird in dem neuen § 130 Abs. 2 StGB der Kreis der Betroffenen erweitert und das Strafmaß verschärft.“

Aus der Gesetzesbegründung ging im Folgenden auch hervor, dass die aus § 220a StGB (Völkermord) entlehnte Formulierung „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe“ der Vermeidung des rassenideologisch geprägten Begriffs des Rassenhasses und zugleich der Erfassung über antisemitische Äußerungen hinausgehender anderer Hassbekundungen gegen Völker oder Volksgruppen dienen sollte:

„Deshalb soll der Begriff „Rassenhaß“ in dem neuen § 130 Abs. 2 StGB vermieden und - entsprechend dem bereits in § 220a StGB enthaltenen Merkmal „nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe“ - darauf abgestellt werden, daß die von Absatz 2 erfaßten Schriften u. a. zum Haß gegen eine dieser Gruppen auffordern.“

Eine weitere wichtige Änderung erfuhr die Vorschrift des § 130 Abs. 2 StGB sodann durch das 56. StrÄndG vom 16.03.2011, welches am 22.03.2011 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2011 Nr. 11 vom 21.03.2011, S. 418). Anlass für diese Gesetzesänderung war die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates zur Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom 28.11.2008.

Der Tatbestand des § 130 Abs. 2 StGB erhielt hierdurch folgende Fassung:

„1.

Schriften (§ 11 Absatz 3), die zum Hass gegen eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder ihre Menschenwürde dadurch angreifen, dass sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, …“

Die Änderung des Strafgesetzbuches zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses in nationales Recht ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.08.2010 (BR-Drs. 495/10). Dessen Begründung ist zu entnehmen, dass ein Umsetzungsbedarf in Bezug auf Art. 1 Abs. 1 lit. a) des Rahmenbeschlusses bestehe, der jeden Mitgliedstaat dazu verpflichte, die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass nicht nur gegen eine Gruppe von Personen, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definiert ist, sondern auch gegen das einzelne Mitglied einer solchen Gruppe unter Strafe zu stellen. § 130 Abs. 1 StGB erfasse in seiner bisherigen Fassung nur „Teile der Bevölkerung“, nicht hingegen Einzelpersonen. Gleiches gelte in Bezug auf Art. 1 Abs. 1 lit. b) des Rahmenbeschlusses, der die öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, von Bild- oder sonstigem Material mit entsprechendem Inhalt unter Strafe stelle.

Die Gesetzesbegründung erläutert, dass die im Rahmenbeschluss nach Rasse, Hautfarbe, Religion oder anderer nationaler wie auch ethnischer Abstammung definierten Gruppen nunmehr ausdrücklich in den neuen § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgenommen und neben den Begriff „Teile der Bevölkerung“ gestellt würden, um die Umsetzung der internationalen Vorgaben zu dokumentieren und einen einheitlichen Sprachgebrauch in den Absätzen 1 und 2 des § 130 StGB zu gewährleisten. Die Hetze gegen die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen stelle einen wesentlichen Anwendungsfall des § 130 StGB in der Praxis dar. Der Entwurf greife auf die bereits in § 130 Abs. 2 StGB vorhandene Aufzählung der geschützten Gruppen zurück, wobei das Tatbestandsmerkmal „durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe" durch die Formulierung „durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“ in Anlehnung an die gleichlautende Formulierung in dem mit Gesetz zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches vom 26. Juni 2002 als § 6 VStGB übernommenen Tatbestand des § 220a a. F. StGB ersetzt werde. Eine Änderung des sachlichen Gehalts der Vorschrift sei mit der Änderung jedoch nicht verbunden.

Weiter führt die Gesetzesbegründung aus:

87
„Die Aufnahme von Einzelpersonen in den Wortlaut des § 130 Absatz 1 StGB soll nicht auf die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen beschränkt werden. Sie erfasst vielmehr alle Personenmehrheiten, die sich durch irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal als erkennbare Einheit herausheben, und daher als Teile der Bevölkerung schon nach der bisherigen Rechtslage von § 130 StGB geschützt werden. Damit gilt für Angriffe auf Einzelne z. B. wegen ihrer Homosexualität oder wegen ihrer Behinderung die gleiche Rechtslage wie für Angriffe auf Einzelne wegen ihrer Religion oder wegen ihrer Nationalität. Denn ob jemand aufgrund seiner Zugehörigkeit z. B. zu einer religiösen Gruppe oder zu einer bestimmten Berufsgruppe angegriffen wird, macht insoweit keinen Unterschied, wenn die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 130 Absatz 1 StGB vorliegen.“

Die Historie der Vorschrift verdeutlicht mithin, dass sowohl mit der Einführung als auch den jeweiligen Änderungen des Tatbestandes jeweils eine - vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte - Ausweitung des Schutzbereichs und keineswegs eine Eingrenzung verbunden war. Zu keiner Zeit wurde diskutiert, dass ein anhand geschlechtsspezifischer Kriterien unterschiedener Teil der Bevölkerung dem Schutzbereich nicht unterfallen sollte. Bezüglich der Eigenschaft der sexuellen Orientierung, die im Tatbestand auch keine Erwähnung findet und nach den Kriterien des Landgerichts - politische oder weltanschauliche Überzeugung, soziale oder wirtschaftliche Verhältnisse, Beruf oder soziale Funktion - ebenfalls keine besondere Zugehörigkeit zum einem Teil der Bevölkerung zu begründen geeignet wäre, hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung sogar ausdrücklich klargestellt, dass eine Diskriminierung entsprechender Teile der Bevölkerung oder Gruppen dem Tatbestand des § 130 StGB unterfallen würde. Die vom Landgericht vermisste Übernahme eines „allgemeinen Geschlechterschutzes“ in die Vorschrift war bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses deshalb nicht veranlasst, weil dieser lediglich die „Mindestharmonisierung von Strafvorschriften zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ in den Mitgliedstaaten zum Ziel hatte. Ähnlich verhielt es sich mit der Änderung der Vorschrift im Zuge des 49. StÄG vom 21.01.2015, das die Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht zum Gegenstand hatte.

Die Historie der Vorschrift zeigt somit die Entwicklung zu einem umfassenden „Anti-Diskriminierungstatbestand“ auf, wobei der in den Schutzbereich einbezogene Teil der Bevölkerung keineswegs anhand der im Tatbestand ausdrücklich erwähnten Merkmale beschränkt ist. Mag auch der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift in der Praxis nach wie vor im Bereich rechtsradikaler Hetze gegen Minderheiten liegen (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 130 Rn. 3), lassen sich darunter dennoch auch diskriminierende Äußerungen gegen Homosexuelle, Transgender oder eben „die Frauen“ subsumieren.“

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungshistorie des Gesetzes wird denn auch § 130 Abs. 2 StGB als „allgemeine Anti-Diskriminierungsvorschrift“ bezeichnet (so etwa Matt/Renzikowski-Altenhain, StGB, 2. Auflage 2020, Überschrift vor Rz. 15; LK-StGB-Krauß, a.a.O. Entstehungsgeschichte).

bb)

Unter teleologischen Aspekten ist zunächst kein Grund ersichtlich, die von der Berufungsstrafkammer in erster Linie für leitend erachteten Unterscheidungskriterien für einen „Teil“ der Bevölkerung und die darüber hinaus anerkannten Kriterien (Behinderung, geschlechtliche Orientierung) einerseits, die Geschlechtszugehörigkeit als mögliches Unterscheidungsmerkmal andererseits unterschiedlich zu behandeln und ausschließlich letzteres aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszunehmen. Allenfalls könnte erwogen werden, dass die Vorschrift nur dem Minderheitenschutz zu dienen bestimmt ist und aus diesem Grund die Frauen als statistische Mehrheit der Bevölkerung aus dem Anwendungsbereich auszuscheiden seien (in diese Richtung: NK-StGB-Ostendorf, 5. Auflage 2018, § 130 Rz. 1, 19 [„ein allg. Minderheitenschutz“]). Für eine solche Sichtweise könnte ins Feld geführt werden, dass Angehörige der Mehrheitsbevölkerung von Anderen nichts zu befürchten hätten, weil ihnen alleine die zahlenmäßige Überlegenheit genügend Schutz biete. Doch abgesehen davon, dass eine solche Konzeption im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden hat, könnte die Rechtsanwendung kaum von Zufälligkeiten der (möglicherweise wechselnden) Majoritätenbildung abhängig gemacht werden (zutr. B a.a.O. S. 381).

2.

Ein Schuldspruch durch das Revisionsgericht unter Aufrechterhaltung getroffener Feststellungen scheidet aus: Da der Angeklagte durch ein freisprechendes Urteil nicht beschwert ist, hätte er seinerseits dieses Urteil nicht mit der Revision angreifen können (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, vor § 296 Rz. 14 m. N.). Bei einer erfolgreichen Revision (der Staatsanwaltschaft oder der Nebenklage) gegen ein solches Urteil hebt der Senat in ständiger Rechtspraxis die zugrunde liegenden Feststellungen aus diesem Grunde mit auf (SenE v. 10.08.1999 - Ss 293/99 - = NJW 2000, 1053 [1054] m. w. Nachw. ; SenE v. 20.12.2011 - III-1 RVs 218, 222-223/11 -; SenE v. 15.09.2015 – III-1 RVs 127/15; LR-StPO-Franke, 26. Auflage 2012, § 354 Rz. 43; s. a. OLG München  NJW 2006, 3364 [3366]).

3.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat noch darauf hin, dass der Kontext der inkriminierten Äußerungen in einem Umfang darzustellen ist, der die Beurteilung des Vorliegens eines Verstoßes gegen die Menschenwürde in dem Sinne erlaubt, dass das Menschentum des Angegriffenen bestritten oder relativiert, dieser also gleichsam zur „Unperson“ deklariert oder jedenfalls in die Nähe eines solchen gerückt wird (dazu vgl. Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schittenhelm, a.a.O. Rz. 6 m. zahlr. Nachw.).

Oberlandesgericht Köln, Beschl. v. 9.6.20 - 1 RVs 77/20

 

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13 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Krumm, bitte nehmen Sie den Sachverhalt des Urteils aus dem Internet. Der Schund, für den der Angeklagte da veruretilt wurde, ist es jedenfalls nicht wert, auch noch vervielfältigt zu werden.

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Ja, DrFB 07-09    09:04, das ist wahre juristische Intellektualität. In Debatte und Urteilskritik beurteilen, was einem  verborgen gehalten wird. Die Nichtwissenden unter Aluhüten - Wunschtraum von Gutigutis.

Wer will denn solchen Schund wirklich noch debattieren? Ich diskutiere auch nicht, ob Gülle stinkt. Allerdings werden Richter, ob sie wollen oder nicht, demnächst häufiger mit ähnlichen Taten belästigt werden und brauchen das Urteil vielleicht für ihre eigene Argumentation. Denn offenbar bildet die abgeurteilte Tat lediglich die Spitze eines gewaltigen Eisbergs.

vgl. "Das Netzwerk der Antifeministen; Wenn fragile Männlichkeit gefährlich wird", Tagesspiegel vom 7. August 2020, https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/das-netzwerk-der-antifeministen-wenn-fragile-maennlichkeit-gefaehrlich-wird/26072892.html

Es spricht also nichts dagegen, das Urteil in Fachzeitschriften abzudrucken, um betroffenen Richtern in ähnlichen Fällen Orientierungshilfe zu geben, es aber im Übrigen möglichst im Archiv verrotten zu lassen.

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Lieber Herr Krumm,

als häufiger Autor eines Teilbereichs mit überproportional vielen Beiträgen möchte ich Sie doch dazu anhalten, den Sprachstil zu überdenken. Viele ihrer Blogger-Kollegen verfassen Beiträge auf einem sachlich und auch sprachlich höheren Niveau.

Weder stützen viele Punkte in ihrem Kurzkommentar den Lesefluss noch dienen sie einer Rhetorik. Kommafehler sind ebenso zu berichtigen wie Tippfehler. So viel Mühe kann man sich doch schon machen, wenn man von seinen Lesern erwartet, ein kopiertes Urteil dieser Länge durchzulesen.

  • "war das was"
  • "Und nicht nur das, sondern sogar eine Sauerei!" ist kein Satz
  • "aber auch irgendwie so weit" ist stilistisch einfach fehl
  • "isloliert" Tippfehler
  • "komisch sind...wer schreibt" 
  • "sooo" Begriffe können kursiv oder fett markiert werden, statt die Begriffe zu entstellen
  • "Mist? ...aber: " Stil
  • ""Warum nicht?!", meint das OLG Köln" Die implizierte Aussage "?!" gibt das Urteil nicht wieder
  • "interprtiere" Tippfehler
  • "oldschoolmäßig" Es bleibt unklar, wieso ein "denglischer" Begriff hier ihre Interpretation besser beschreiben sollte.

Nehmen Sie doch die Hinweise als kleinen Anreiz mit und korrigieren zumindest das Offensichtliche.

Vielen Dank und beste Grüße!

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Es scheint so, als ob der Angeklagte im Gendergewese nicht die Auffassung teilt, dass für Leitungspositionen in Politik, Staat, Verwaltung und Unternehmen als wesentliche Qualifikationsnachweise der Büstenhalter  oder benutzte Tampons bedeutsam wären.

Herr Dr. Preuss, wir wissen leider zu wenig über den Angeklagten, um beurteilen zu können, ob der Angeklagte (etwa aufgrund eines sehr geringen komplexbeladenen Selbstwertgefühls oder aufgrund eines sehr übersteigerten narzistisch-chauvinistischen Selbstbertgefühls) schlicht und einfach Alles was er schlecht machen kann schlecht macht (solche Leute gibt es ja, und sie werden aufgrund des Internets heutzutage häufiger auffällig als vor dem Internet-Zeitalter), oder unter einer psychotischen Misogynie (Frauenfeindlichkeit) leidet, oder ob es schlicht und einfach durch den in den letzten Jahren verstärkten Zeitgeist-Hype (um Frauenqouten und um Gleichberechtigung und um Gleichstellung und um Gender-Fragen und politische Korrektheit) derart provoziert und verärgert und genervt war, daß er so wütend und böse verbal um sich geschlagen hat.

Aber auch im letzteren Falle wäre das Verhalten des Angeklagten weder gerechtfertigt noch entschuldigt, sondern lediglich in seinem Schuldgehalt etwas gemindert.

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§ 130 StGB wird, wenn ein Tatverhalten absolut inakzeptabel und zweifellos strafwürdig ist, wohl manchmal auch angewandt, obwohl es bei einer ("nulla-poene-sine-lege-freundlichen") sehr streng-konservativen Tatbestandsprüfung vertretbar wäre, den Tatbestand als nicht verwirklicht (oder nicht nachgewiesen) zu beurteilen.

Ähnliche Probleme gibt es ja auch bei anderen Straftatbeständen.

Um Überdehnungen der vorhandenen Straftatbestände zu vermeiden, sollte der Gesetzgeber bitte für derat absolut inakzeptable und zweifellos strafwürdige Taten wie im vorliegenden Fall besser bitte in zusätzlichen Paragraphen Auffangtatbestände schaffen.

Sowohl im Führungszeugnis wie auch im Urteilstenor könnte das jeweils verwirklichte Unrecht dann auch mehr konkretisiert bzw. besser erfassbar werden.

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Demnächst werden Pfarrer in der Kirche durch die Polizei von der Kanzel abgeführt, wenn sie frauenfeindliche Texte aus der Bibel lesen. Und wenn Alice Schwarzer gegen Männer aufstachelt, ist auch sie dran. Bei den Kölnern hat man immer irgendwie das Gefühl, dass Karneval Dauerzustand ist und übers ganze Jahr stattfindet...

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Ein guter Beitrag. Beim Karneval in NRW waren in bestimmten Jahren sogar uebergrosse frauenfeindliche Darstellungen zu sehen und das auch fuer ein Millionenpublikum. Da wurde Frau Merkel in einer Darstellung auch mal von hinten gevoegelt.

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Bei den Kölnern hat man immer irgendwie das Gefühl, dass Karneval Dauerzustand ist und übers ganze Jahr stattfindet...

Zu diesem Thema "Kölner Karneval übers ganze Jahr" gibt es schon wieder eine weitere neue Geschichte, die man bei Burhoff findet.

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Ein paar Zitate, die keine Volksverhetzung sind:

"Männer sind Schweine" (bekanntes Liedzitat)

"(alle) Soldaten sind Mörder" oder "potentielle Mörder", keine Beleidigung, wenn damit das "Soldatentum an sich" im Rahmen der politischen Diskussion angegriffen werden soll.

Übertragen auf die Frauen bedeutet das: wenn man im Rahmen politischer Diskussion (über Gleichstellung der Frauen etc.) das "Frauentum an sich" ganz global angreift und verächtlich macht, so kann das keine Beleidigung oder gar Volksverhetzung sein. Es ist überspitzte Polemik im Rahmen noch zulässiger Meinungsäußerung und Diskussion. Warum sollte es auch einen Unterschied geben zu Liedtexten wie "Männer sind Schweine, Ausnahmen gibt es keine"?

Wenn man hingegen kleinere Gruppen von Frauen herausgreift und verächtlich macht, dann ist das strafbar. Alles andere wäre inkonsequent.

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