BGH zur Diskriminierung wegen des Alters

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 16.07.2020

Entscheidungen der ordentlichen Gerichte zum AGG sind vergleichsweise selten. Urteile des BGH lassen sich bislang an einer Hand abzählen. Oft hat man den Eindruck, dass BGH und BAG dieselben Maßstäbe an eine Benachteiligung und ihre Rechtfertigung anlegen, im aktuellen Fall scheint mir der BGH freilich hinsichtlich der Rechtfertigungsanforderungen großzügiger zu sein als das BAG.

Das fünf klagenden Kinder und Jugendlichen machen gegen einen Hotelbetreiber einen Anspruch auf Entschädigung geltend. Ihre Eltern hatten im Winter 2016 für sich und die Kinder für vier Nächte ein Hotel im brandenburgischen Bad Saarow buchen wollen, das sie von einem früheren Besuch kannten und das im Internet gute Bewertungen hat. Problem: Das Hotel versteht sich als "adults only"-Hotel und nimmt Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht als Gäste auf. Das Hotel teilte auf die Anfrage daher mit, dass es aufgrund der Altersbeschränkung kein Angebot abgeben werde, aber gerne bei der Suche nach einer Alternative behilflich sei. Die Kinder - alle unter 16 - sehen sich wegen ihres Alters diskriminiert und verlangen pro Kopf 500 Euro Entschädigung gemäß § 21 Abs. 2 AGG. Ihre Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos:

Die Einschätzung der Beklagten, dass sich mit dem Ruhebedürfnis der von ihr ausgewählten Zielgruppe das an anderen Bedürfnissen orientierte Verhalten von Kindern nicht uneingeschränkt in Einklang bringen lässt, mithin der Ausschluss jüngerer Hotelgäste die Erreichung des Geschäftszwecks fördert, hält sich im Rahmen des der Beklagten zukommenden unternehmerischen Handlungsspielraums sowie der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise. (…) Im Gegensatz zu deren unternehmerischem Ziel, sich mittels eines bestimmten Angebots im Wettbewerb der (örtlichen) Beherbergungsbetriebe zu behaupten, fehlt den Klägern ein eigenes Interesse an der konkreten Teilhabe am Leistungsspektrum der Beklagten. Die festgestellten Gründe für die Wahl dieses Hotelbetriebs – die nicht die Kläger, sondern deren vertretungsberechtigte Eltern getroffen haben – lassen ein über allgemeine Erwägungen – konkret der Wahl anhand der Bestbewertung und dem Prinzip „bekannt und bewährt“ – hinausgehendes Interesse der Kläger an der Wahl nicht erkennen. Zudem waren die Kläger auf die von der Beklagten schwerpunktmäßig angebotenen Leistungen im Wellness- und Tagungsbereich auch nicht in besonderer Art und Weise angewiesen. Es ging ihnen nicht um die Inanspruchnahme von Gütern oder Dienstleistungen, welche sie zur täglichen Lebensgestaltung oder zur Befriedigung zentraler Lebensbedürfnisse benötigten. Vielmehr sollte sich der beabsichtigte Aufenthalt lediglich im Rahmen ihrer vorübergehenden Freizeitgestaltung vollziehen (…) Überdies können die Kläger dieses (Freizeit-)Interesse in der Region, in welcher sich das Hotel der Beklagten befindet, in vergleichbarer Weise auch andernorts befriedigen.

Wenn man dies mit der Rechtsprechung des BAG vergleicht, würde ich vermuten: Beim Achten Senat in Erfurt hätten die Kläger mehr Aussicht auf Erfolg gehabt. Aber der war nun definitiv nicht zuständig.

BGH, Urt. vom 27.5.2020 - VIII ZR 401/18, BeckRS 2020, 15084

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1 Kommentar

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...hält sich im Rahmen des der Beklagten zukommenden unternehmerischen Handlungsspielraums

Wann werden die Gerichte lernen, dass der "unternehmerische Handlungsspielraum" eben auch von Gesetzen bestimmt wird, im gegebenen Fall vom AGG? Aber immerhin warf der BGH den Klägern keinen "Rechtsmissbrauch" vor, wie es bei den Arbeitsgerichten für ungeliebte AGG-Kläger Usus ist, denn dann hätten sie auch noch Anklagen wegen Betrugs mit der Gefahr langer Haftstrafen am Hals. Wer sich auf das AGG beruft, verliert eben im besten Fall seine Klage oder kommt schlimmstenfalls auch noch in den Knast!

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