Nicht unverzügliche Anzeige einer Fortsetzungserkrankung - Kündigung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 04.08.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|3725 Aufrufe

Zeigt der Arbeitnehmer entgegen § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG seinem Arbeitgeber nicht unverzüglich an, dass er länger als ursprünglich mitgeteilt arbeitsunfähig krank ist, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Das hat das BAG entschieden.

Der Kläger war bei der Beklagten fast zehn Jahre lang als Lagerist beschäftigt. Im Januar 2017 und im März 2017 hatte er jeweils eine Abmahnung erhalten, weil er zwischen Weihnachten und Neujahr unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben war bzw. eine Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich angezeigt hatte. Am Mo., 7.8.2017, gab der Kläger eine Bescheinigung über eine Folge-AU an der Pforte des Unternehmens ab. Diese erreichte seinen Vorgesetzten erst am Vormittag des 8.8.2017. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum Jahresende. Die Kündigungsschutzklage hatte beim ArbG Ulm und beim LAG Baden-Württemberg zunächst Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat der Zweite Senat des BAG das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen:

1. ... 2. Eine schuldhafte Verletzung der sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG  ergebenden (Neben-)Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich geeignet, die Interessen des Vertragspartners zu beeinträchtigen und kann daher - je nach den Umständen des Einzelfalls - einen zur Kündigung berechtigenden Grund im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellen.

3. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Die Anzeigepflicht ist nicht auf den Fall einer Ersterkrankung beschränkt. Sie umfasst die Verpflichtung, auch die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit über die zunächst angezeigte Dauer hinaus unverzüglich mitzuteilen. 4., 5. ...

BAG, Urt. vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19, NJW 2020, 2428

 

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2 Kommentare

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Dem Urteil ist ein etwas anderer Ablauf zu entnehmen. Die Erstbescheinigung attestierte eine AU bis einschließlich Freitag, 4. August 2017. Dann war Wochenenede. Am Montag, den 7. August wurde - vermutlich nach erneutem Arztbesuch - eine Folgebescheinigung beim PFÖRTNER abgegeben, die den Vorgesetzten erst am Folgetag erreichte (aber nicht 4 Tage später!). 

Das Landesarbeitsgericht hat zwar ebenfalls diesbezüglich ein Verschulden des Klägers gesehen, dieses aber (nach Ansicht des BAG) mit mangelhafter Begründung und bei unzureichender Sachaufklärung als lediglich gering angesehen. Eine vertiefte Sachaufklärung sei erforderlich. 

Knackpunkt ist (für mich als Laie interessant): 

c) Die Mitteilung über die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit kann an einen vom Arbeitgeber zur Entgegennahme von derartigen Erklärungen autorisierten Mitarbeiter gerichtet werden. Fehlt es an einer besonderen Regelung, ist ein Vorgesetzter oder die Personalabteilung zu benachrichtigen . Der Arbeitnehmer kann sich anderer Personen zwar als Boten bedienen, trägt dabei aber das Risiko der rechtzeitigen und zutreffenden Übermittlung.

Merke: AU niemals beim Pförtner abgeben, sondern persönlich zur Personalabteilung oder zum Vorgesetzten bringen!

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Sorry für das falsche Datum im Sachverhalt (4.8. statt 7.8.). Der Fehler ist korrigiert. Dass die AU "nur" an der Pforte abgegeben wurde, steht im Text

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