Titelherausgabeklage

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 16.08.2020
Rechtsgebiete: Zivilverfahrensrecht|10473 Aufrufe

Ein Wohnungseigentümer verlangt von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Herausgabe der Ausfertigung eines Hausgeldurteils und eines Kostenfestsetzungsbeschlusses. Geht das?

Der BGH bejaht diese Frage. Zwar sei eine isolierte Klage auf Herausgabe eines Vollstreckungstitels wegen des Vorrangs der Vollstreckungsabwehrklage nur ausnahmsweise statthaft. Stehe aber fest, dass die zu vollstreckenden Forderungen vollständig erfüllt seien, könne die Herausgabe des Titels auch ohne Durchführung einer Vollstreckungsabwehrklage verlangt werden (Hinweis auf BGHNJW 2015, 1181 Rn. 23). So liege es z. B. im Fall. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sei die Zwangsvollstreckung aus den genannten Titeln vollständig abgeschlossen.

Die Herausgabeklage sei auch begründet. Stehe fest, dass die Vollstreckung vollständig beendet sei, könne der Schuldner in analoger Anwendung von § 371 Satz 1 BGB die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen. Bei einer Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher eregbe sich aus § 757 Abs.  1 ZPO, dass der Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung zurückerhalten müsse. Ein Bedürfnis, den Titel zu erhalten und dem Gläubiger damit jede Vollstreckungsmöglichkeit zu nehmen, habe der Schuldner aber auch dann, wenn die Vollstreckung auf andere Weise - wie hier im Wege der Forderungspfändung - erfolgt sei und feststehe, dass die Schuld infolgedessen erloschen sei (Hinweis u.a.BGH NJW-RR Jahr 2008 , 512 Rn. 12).

Hinweis: Der Schuldner kann nicht wahlweise anstelle der prozessualen Gestaltungsklage nach bzw. analog § 767 ZPO lediglich Klage auf Herausgabe des Titels auf materiellrechtlicher Grundlage erheben. Die Zulässigkeit einer solchen Herausgabeklage setzt vielmehr voraus, dass – wenn nicht die Erfüllung der dem Titel zugrunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist – über eine Vollstreckungs- oder Titelgegenklage bereits rechtskräftig zugunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist, der Titel also bereits nach Maßgabe von § 767 ZPO „vernichtet" ist (Toussaint FD-ZVR 2015, 366788). Ferner kann die Herausgabeklage von vornherein mit der Vollstreckungs- oder Titelgegenklage verbunden werden (BGHNJW 2015, 1181 Rn. 23).

Streitwert: Wird die Titelherausgabe neben einer Vollstreckungsabwehrklage verlangt, kann für die Bemessung der Beschwer hinsichtlich des Antrags auf Titelherausgabe die Gefahr eines Missbrauchs des Vollstreckungstitels durch die beklagte vernachlässigt werden (BGH NJW 2004, 2904). Soll hingegen die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels allein mit der Titelherausgabe erreicht werden, ist der Wert des Interesses regelmäßig genauso hoch wie bei der Vollstreckungsabwehrklage anzusetzen (Toussaint FD-ZVR 2014, 363394).

Hinweis im Übrigen: Die Entscheidung ist ein Lehrstück, wie man einen Anspruch aus § 812 BGB ablehnen kann, ohne die Norm zu erwähnen und ohne die Einrede, die den Anspruch vernichtet, zu nennen.

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