OLG Karlsruhe: Tat nicht richtig mit angeklagt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.08.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2091 Aufrufe

Heute eine Entscheidung des OLG Karlsruhe, in der es um ein prozessuales Schmankerl geht. Konkret get es um den Tatbegriff, der in der Vorinstanz zu großzügig interprtiert worden war:

 

1. Die nach zulässiger Revision von Amts wegen durchzuführende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass es hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis an der Erhebung einer ordnungsgemäßen Anklage (hier in Form eines Strafbefehls) fehlt.

 Der Strafbefehl vom 30.09.2019 legt dem Angeklagten - in zulässiger Weise alternativ, da die zur Wahl stehenden Tatvorwürfe beide zu den Rechtspflegedelikten gehören, nach allgemeinem Rechtsempfinden jedenfalls ähnliche sittliche Missbilligung verdienen und eine in etwa gleichgeartete psychische Beziehung des Täters zu den alternativ vorgeworfenen Verhaltensweisen besteht (vgl. hierzu m.w.N. Dannecker/Schuhr in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2020, Anhang zu § 1 Rn. 135 ff.) - folgende Sachverhalte zur Last:

 „Am 26.06.2019 fuhr um 20.48 Uhr ein Pkw .., Kennzeichen … auf der KStraße in L., anschließend prallte er gegen einen vor ihm stehenden Pkw, es entstand ein Fremdsachschaden von etwa 2.000,- Euro.

 Bei Ihrer polizeilichen Vernehmung als Zeuge sagten Sie gegenüber PHM A. um 20.40 Uhr [sic] aus, dass der Insasse, Ihr „Kumpel S.“ den Unfall als Fahrer verursacht habe, Sie selbst hätten auf dem Beifahrersitz gesessen. Da S. eine Blutalkoholkonzentration von 1,4 Promille aufwies, wurde ihm der Führerschein abgenommen und ein Ermittlungsverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs eingeleitet.

 Mit Datum vom 29.06.2019 verfassten Sie ein Schreiben, dass der Beschuldigte S. absprachegemäß der Polizei vorlegte. Hierin behaupteten Sie, dass Sie selbst der Fahrer gewesen seien und den Unfall verursacht hätten.

 Entweder war die Aussage im Fall 1 wissentlich wahrheitswidrig und Sie wollten, dass durch Ihre Angabe ein Ermittlungsverfahren gegen S. eingeleitet würde, was auch geschah, oder Sie wollten mit der falschen Aussage im Fall 2 erreichen, dass der Angezeigte nicht wegen Straßenverkehrsgefährdung angeklagt würde, was jedoch nicht gelang.“

 Das Verfahren war insoweit nach § 206a StPO einzustellen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 09.06.2020 (II. 1.) u.a. wie folgt ausgeführt:

 „Nach § 409 Abs. 1 StPO, der § 200 Abs. 1 StPO entspricht, muss in dem Strafbefehl, ebenso wie in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluss, die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat eindeutig bezeichnet werden (vgl. OLG Stuttgart NJW 1996, 2879). Die zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung sind so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion, vgl. BGHSt 40, 44 (45); BGH NStZ 1995, 245). Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. … Gleiches gilt für den Strafbefehl (vgl. OLG Nürnberg Beschluss vom 22.2.2012 - 1 St OLG Ss 240/11, BeckRS 2012, 5180). Darüberhinaus hat der Strafbefehl auch die Aufgabe, den Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten über weitere Einzelheiten des Vorwurfs zu unterrichten, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Prozessverhalten auf den erhobenen Vorwurf einzustellen. Für die Verteidigung war vorliegend jedoch nicht erkennbar, dass der angeklagte Tatumfang auch die Unfallfahrt umfassen sollte. Die vom Amtsgericht im Urteil abgeurteilte rechtlich selbständige Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ist im Anklagesatz nicht hinreichend konkret beschrieben. Der gegen den Angeklagten erhobene Vorwurf der falschen Verdächtigung wahlweise der versuchten Strafvereitelung erschöpfte sich allein in der Darstellung der Aussagen und Erklärungen des Angeklagten gegenüber der Polizei. Anklagegegenstand war hingegen nicht die Unfallfahrt. Diese wird im Eingangssatz zwar erwähnt. Hierbei handelt es sich jedoch um eine reine Schilderung zum Zweck des Verständnisses, nicht jedoch wurde dem Angeklagten die Fahrt zur Last gelegt. Entsprechend war der Text auch in Dritter Person formuliert (… fuhr ein Pkw …) … Dies drückt sich auch in der von der Staatsanwaltschaft gefundenen rechtlichen Würdigung aus, die das Fahren ohne Fahrerlaubnis nicht erwähnt. … Bei der in Tatmehrheit stehenden Unfallfahrt und den Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei handelt es sich unterschiedliche prozessuale Taten. Denn die Unfallverursachung und die mit ihr zusammenhängende Tat des Angeklagten können losgelöst von der sich anschließenden Unfallaufnahme und der dort vom Angeklagten gemachten Angaben beurteilt werden. …“

 Dieser zutreffenden Bewertung der Generalstaatsanwaltschaft, die im Ergebnis mit den Ausführungen des Verteidigers in der Revisionsbegründung vom 04.03.2020 (II. 1.) übereinstimmt, tritt der Senat bei.

OLG Karlsruhe Beschl. v. 28.7.2020 – 34 Ss 257/20, BeckRS 2019, 46495

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen