Im echten Norden gibts ohne beA auch keine Beiordnung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.08.2020

Vor einigen Wochen hatte ich an dieser Stelle über eine Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein berichtet, die die bereits seit Jahresbeginn 2020 verpflichtende Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Rechtsanwälte etc. in der schleswig-holsteinischen Arbeitsgerichtsbarkeit manifestiert. Jetzt ist über einen Beschluss desselben Gerichts zu berichten, der Rechtsanwälten ohne funktionstüchtiges beA die Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO versagt:

1. Ein Rechtsanwalt ist seit Inkrafttreten des § 46g ArbGG zum 1.1.2020 in Schleswig-Holstein nicht zur Vertretung bereit im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO, wenn seine Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe sich auf die Fertigung von Schriftsätzen und die Vertretung der Partei in der mündlichen Verhandlung beschränken soll, er aber insbesondere nicht bereit ist, Schriftsätze auf elektronischem Weg einzureichen und in Empfang zu nehmen und ein elektronisches Empfangsbekenntnis abzugeben.

2. Gelegentliche Störungen bei der Nutzung des beA sind vom Gesetzgeber gesehen worden. Ihnen ist durch die Regelung in § 46 S. 3 ArbGG ausreichend Rechnung getragen worden.

Mit dieser Entscheidung hat das Gericht einem Kläger zwar Prozesskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung des von ihm gewählten Rechtsanwalts aber versagt. Der Kläger hatte geltend gemacht, er fertige die Schriftsätze selbst und ließe sie lediglich von seinem Anwalt einreichen, der ihn auch in der mündlichen Verhandlung vertreten solle. Besagter Prozessbevollmächtigter hat dann das Gericht gebeten, die Korrespondenz mit ihm in Papierform zu führen, da „systembedingt mein beA-Anschluss derzeit auf Grund eines Systemfehlers noch nicht funktionsfähig ist“.

Das LAG Schleswig-Holstein hat darauf hingewiesen, dass § 46g ArbGG in diesem Bundesland durch Rechtsverordnung vorzeitig, nämlich bereits zum 1.1.2020, in Kraft gesetzt worden sei. Der vom Kläger gewählte Rechtsanwalt könne ihm nicht beigeordnet werden, wenn er nicht in der Lage sei, auf elektronischem Wege mit dem Gericht zu kommunizieren:

Ein Rechtsanwalt ist nur dann zur Vertretung bereit im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO, wenn er nicht nur willens, sondern auch objektiv bereit und in der Lage ist, den sich aus der Beiordnung ergebenden Pflichten tatsächlich nachzukommen. (…) Der Prozessbevollmächtigte ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, objektiv nicht bereit und/oder in der Lage, die ihn treffenden Pflichten eines Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren zu übernehmen. Er lehnt die Zustellung an sich im elektronischen Rechtsverkehr (§ 172 Abs. 1 Satz 1, § 174 Abs. 3 ZPO) ab und ist entgegen seiner Verpflichtung aus § 46g ArbGG iVm. § 174 Abs. 4 ZPO nicht bereit, ein elektronisches Empfangsbekenntnis zu erteilen. Auch lehnt er die Einreichung von Schriftsätzen ab, da er nicht bereit ist, diese auf dem in der Arbeitsgerichtsbarkeit gesetzlich vorgeschriebenen Weg zu übermitteln.

Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.

LAG Schleswig-Holstein, Beschl. vom 24.6.2020 - 1 Ta 51/20, BeckRS 2020, 17628

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