Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe oder Corona machts möglich …

von Markus Meißner, veröffentlicht am 04.09.2020
Rechtsgebiete: StrafrechtCorona|3647 Aufrufe

Das Strafgesetzbuch kennt mit Geldstrafe und Freiheitsstrafe zwei (Haupt-)Sanktionen, die grundsätzlich alternativ und nicht nebeneinander verhängt werden. Eine Ausnahmevorschrift stellt vor diesem Hintergrund die Vorschrift des § 41 StGB dar, die es zulässt, neben einer Freiheitsstrafe kumulativ noch eine Geldstrafe zu verhängen, sofern

  • der Täter sich durch die Tat bereichert hat oder zu bereichern versucht hat und
  • dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters angebracht ist, was nach der Rechtsprechung insbesondere dann der Fall sein soll, wenn es nach der Art von Delikt und Täter „sinnvoll erscheint“, ihn nicht nur an der Freiheit, sondern auch am Vermögen zu strafen (Fischer, StGB, 67. A., § 41 Rn. 5 m.w.N.).

Der Wortlaut des § 41 StGB lautet:

„Geldstrafe neben Freiheitsstrafe

Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.“

 

Anwendung hauptsächlich bei Vermögensdelikten

Hauptanwendungsbereich der Vorschrift liegt in der Rechtspraxis im Bereich der allgemeinen Vermögensdelikte (etwa Betrug, Untreue oder Unterschlagung), aber auch in Steuerstrafverfahren sowie in Verfahren wegen des Vorwurfs der Beitragsvorenthaltung. Auch in derartigen Verfahren kann die Verhängung einer kumulativen Geldstrafe abhängig von den Umständen des Einzelfalles insbesondere dann ausscheiden, wenn

  • der Angeklagte zum Zeitpunkt des Urteils weder über Vermögen noch Einkommen verfügt (Fischer, StGB, 67. A., § 41 Rn. 5)
  • gegen den Angeklagten als Nebenfolge die Einziehung des Wertes des Tatertrages gem. §§ 73, 73c StGB in relevanter Höhe angeordnet wird (vgl. Urteil vom 27.05.2020 – 5 StR 603/19, NStZ-RR 2020, 239)
  • eine Bereicherung weder unmittelbar noch mittelbar beim Angeklagten selbst, sondern ausschließlich bei einem Dritten, eingetreten ist

 

Erhöhte Begründungsanforderungen an das Tatgericht

Will das Tatgericht von der Ausnahmevorschrift des § 41 StGB Gebrauch machen, muss es dies im Urteil stets näher begründen. Zu den entsprechenden Begründungsanforderungen für das Tatgericht hat sich nunmehr in einer aktuellen Entscheidung nochmals der BGH geäußert (Urteil vom 27.05.2020 – 5 StR 603/19, NStZ-RR 2020, 239).

Danach setzt die kumulative Verhängung von Geld- und Freiheitsstrafe stets eine 2-stufige Prüfung voraus:

„[…] Angesichts ihres Ausnahmecharakters muss die Kumulation von Geld- und Freiheitsstrafe näher begründet werden. Dabei sind zunächst die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens und die Aufspaltung der Sanktion in Freiheits- und Geldstrafe zu begründen. Sodann hat es in einem zweiten Schritt die wechselseitige Gewichtung der als Freiheitsstrafe und als Geldstrafe zu verhängenden Teile des schuldangemessenen Strafmaßes nach den Grundsätzen des § 46 StGB zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2019 – 1 StR 367/18, NStZ 2019, 601 f. mwN; MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., § 41 Rn. 6, 32; Schönke/SchröderKinzig, 30. Aufl. StGB, § 41 Rn. 1; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 41 Rn. 2; krit. zum Ausnahmecharakter LK-Grube, 13. Aufl., § 41 Rn. 5; SSW-StGB/Claus, 4. Aufl., § 41 Rn. 4 f.).“

 

Zu beobachtende Tendenz: „Großzügigere“ Anwendung des § 41 StGB in Corona-Zeiten

Die Herausforderungen für die Gerichte, „Corona-gerechte“ Hauptverhandlungen durchzuführen sind nach wie vor groß. Eine zu geringe Anzahl ausreichend großer Sitzungssäle, Verfahrensbeteiligte und/oder Zeugen, die einer Risikogruppe angehören sowie eine allgemeine Sorge vor einem Wiederanstieg der Infektionszahlen sind in diesem Zusammenhang nur einige Schlagworte (vgl. hierzu auch Blog-Beitrag vom 30.06.2020: https://community.beck.de/2020/06/30/corona-justizvollzug-und-hauptverhandlung). Hinzukommt, dass die Justiz aus dem Frühjahr diesen Jahres immer noch eine Bugwelle an seinerzeit ab- bzw. ausgesetzten Hauptverhandlungen vor sich her schiebt, die derzeit - zusätzlich zu den Neuverfahren – abzuarbeiten sind.

In der Konsequenz führt dies gerade im amtsgerichtlichen Bereich zu einer verstärkten Suche nach „alternativen Formen der Verfahrenserledigung“, um eine Anklage und damit eine folgende Hauptverhandlung zu vermeiden. In diesem Zusammenhang erlebt auch die Vorschrift des § 41 StGB wieder eine gewisse Renaissance – und zwar in Kombination mit dem Strafbefehlsverfahren gem. §§ 407 ff. StPO.

§ 407 Abs. 2 S. 2 StPO erlaubt es,

im Strafbefehlswege eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr auf Bewährung auszusetzen, sofern der Angeschuldigte einen Verteidiger hat.

Interessant wird die Möglichkeit des § 41 StGB nunmehr immer dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles zwar grundsätzlich eine bewahrungsfähige Freiheitsstrafe in Betracht kommt, diese jedoch aus Sicht der Justiz mehr als ein Jahr betragen soll.

Aus der eigenen Wahrnehmung des Autors ist es gerade in den letzten Monaten immer häufiger zu beobachten, dass in diesen Fällen seitens der Staatsanwaltschaft im Vorfeld das „Angebot“ erfolgt, eine kombinierte Geld- und Freiheitsstrafe zu verhängen, um das Verfahren im Wege eine Strafbefehls zu einem Ende zu bringen.

Aus „1 Jahr 6 Monate auf Bewährung im Rahmen einer Hauptverhandlung“ werden dann „1 Jahr auf Bewährung sowie 180 Tagessätze (Anm.: 6 Monate x 30) im Strafbefehlswege“. Über die Frage des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 StGB wird oftmals im Interesse einer pragmatischen Lösung schnell hinweggegangen, z.B.

  • im Falle ersichtlich einkommens- und vermögensloser Mandanten, die sich in Privatinsolvenz befinden oder
  • in Fällen der Beitragsvorenthaltung, in denen sich nach dem Ergebnis der Ermittlungen tatsächliche Anhaltspunkte für eine (unmittelbare oder mittelbare) Bereicherung des angeklagten GmbH-Geschäftsführers nicht ergeben haben.
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Oftmals ein „verlockendes Angebot“ …

Die Aussicht, eine Hauptverhandlung zu vermeiden, ist für den Mandanten oftmals verlockend, zumal es angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten nicht selten gelingen wird, die Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 2 StGB) weit nach unten zu drücken und in der Vollstreckung der Geldstrafe eine Ratenzahlungsbewilligung (§ 42 StGB) zu erhalten. Hinzukommt bei wirtschaftlicher Betrachtung der Umstand, dass sich der Mandant die Kosten für einen Verteidiger in der Hauptverhandlung „spart“.

Nichtsdestotrotz sollte die Verteidigerin /der Verteidiger es nicht versäumen, in geeigneten Fällen den Finger in die Wunde zu legen und im Einzelfall darzulegen, warum die Voraussetzungen für eine kumulative Geldstrafe gem. § 41 StGB gerade nicht vorliegen. So kann nach längeren Verhandlungen mit den Ermittlungsbehörden zum Teil doch eine Einigung erzielt werden, die darin besteht, dass ein Strafbefehlsantrag gestellt wird, der ausschließlich die Verhängung einer Bewährungsstrafe beinhaltet.

#wasnichtpasstwirdpassendgemacht

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