Entgeltfortzahlung nach Urlaub im Risikogebiet?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 07.09.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2767 Aufrufe

Das Bundesgesundheitsministerium äußerte sich jüngst zur Rechtslage, wenn Arbeitnehmer von einer Reise aus einem Risikogebiet zurückkehren und zunächst die vorgeschriebene, grundsätzlich 14-tägige Quarantänezeit absolvieren müssen. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums vertrat den Standpunkt, dass die Reiserückkehrer in diesem Fall keinen Verdienstausfall befürchten müssten. Unter Verweis auf das Infektionsschutzgesetz und die Quarantäneverordnungen der Länder sagte er: „Dass heißt, der Arbeitnehmer muss aufgrund behördlicher Anordnung für den Zeitraum der Quarantäne zu Hause bleiben. Deshalb besteht für ihn weder die Pflicht, dafür Urlaub zu nehmen, noch muss er einen Verdienstausfall befürchten. … Jemand der Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung. Der Staat kommt auch dann für den Verdienstausfall auf, wenn jemand in ein Gebiet reist, bei dem schon vor der Reise feststeht, dass dies ein Risikogebiet ist.“ Was wie eine verbindliche amtliche Verlautbarung daherkommt, ist natürlich nur eine unverbindliche Einschätzung der Rechtslage. Sie ist im Übrigen in mehreren Punkten angreifbar. Sedes materiae ist zunächst § 56 IfSG. Hiernach steht kurz gesagt nicht erkrankten Erwerbstätigen ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung zu, die von einem Tätigkeitsverbot oder einer Absonderungsanordnung (Quarantäne) betroffen sind. Zu bedenken ist, dass immer mehr Arbeitnehmer ihre Leistungen auch von zu Hause aus erbringen können (Homeoffice), eine Anwesenheit in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers mithin nicht erforderlich ist. In diesem Fall wird man wohl vom Fortbestehen der gegenseitigen Leistungspflichten ausgehen können. Ferner ist es naheliegend, bei Arbeitnehmern, die sich wissentlich als Tourist in ein Risikogebiet begeben, von einem Verschulden gegen sich selbst auszugehen. Einen solchen – von § 3 EFZG her bekannten – Ausschlussgrund kennt der Normtext des § 56 IFSG zwar nicht. Jedoch lässt immerhin dessen Abs. 1 S. 3 („ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können“) erkennen, dass diese Einschränkung auch hier zu beachten ist. Klarheit könnte nun eine Präzisierung des § 56 IFSG durch den Gesetzgeber bringen. Immerhin hat die Bundesregierung am 27. August 2020 die Schaffung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung angekündigt, die eine Verdienstausfallentschädigung ausschließt, wenn eine Quarantäne aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet erforderlich wird.

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