BGH: Beschlussanfechtung wegen später Bekanntmachung eines Ergänzungsverlangens („Karwendelbahn AG“)

von Achim Kirchfeld, veröffentlicht am 01.10.2020

Der BGH hat mit Urteil vom 14. Juli 2020 (II ZR 255/18; NZG 2020, 1106) entschieden, dass ein Hauptversammlungsbeschluss anfechtbar ist, wenn er auf einer Ergänzung der Tagesordnung beruht, die erst am letzten Tag der Anmeldefrist bekanntgemacht wurde.

Zulässiges Ergänzungsverlangen – Vorstand bleibt untätig

Im vorliegenden Fall war die Hauptversammlung einer nicht börsennotierten AG auf den 29. Juli 2016 einberufen worden. Kurz nach Einberufung verlangte ein mit der hierfür nötigen Beteiligungsquote ausgestatteter Minderheitsaktionär, zwei weitere Tagesordnungspunkte aufzunehmen. Der Vorstand blieb zunächst untätig.

Bekanntmachung der Ergänzung in letzter Minute

Mit Gerichtsbeschluss vom 21. Juli 2016 ließ sich der Minderheitsaktionär ermächtigen, die verlangte Ergänzung selbst bekannt zu machen. Noch am selben Tag beauftragte er die Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wo die Ergänzung am 25. Juli 2016 erschien. Ebenfalls auf den 25. Juli 2016 fiel der letzte Tag, an dem sich Aktionäre nach der Satzung für die Hauptversammlung anmelden konnten. Die Hauptversammlung am 29. Juli 2016 beschloss die neuen Tagesordnungspunkte wie in der Ergänzung vorgeschlagen.

Angemessener Zeitraum zwischen Bekanntmachung und Ende der Anmeldefrist erforderlich

In seiner Entscheidung erklärt der Senat die Beschlüsse für nichtig. Die aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung neu aufzunehmenden Tagesordnungspunkte seien bei einer nicht börsennotierten AG so rechtzeitig bekannt zu machen, dass die übrigen Aktionäre ausreichend Zeit hätten, sich mit der Ergänzung zu befassen, über ihre Teilnahme an der Versammlung zu entscheiden und die Teilnahmevoraussetzungen zu erfüllen. Die ermächtigten Minderheitsaktionäre müssten die Bekanntmachung in angemessener Frist vor der Hauptversammlung oder – falls wie hier eine Anmelde- oder Nachweisfrist vorgesehen sei – vor dem letzten Tag dieser Frist bekannt machen. Welche Zeitspanne angemessen sei, könne offenbleiben. Denn, so der Senat entgegen der Vorinstanz (OLG München, 16.05.2018, 7 U 2752/17; BeckRS 2018, 14080), jedenfalls die hier verbleibende Zeit zwischen Bekanntmachung am Nachmittag und Ablauf der Anmeldefrist am Ende desselben Tages sei unangemessen kurz gewesen.

Bekanntmachung nach Record Date nicht ausgeschlossen

Keine zeitliche Grenze für die Bekanntmachung bilde dagegen der Stichtag, auf den sich ein von den Aktionären für die Anmeldung ggf. beizubringender Beteiligungsnachweis beziehen müsse (Record Date, § 123 Abs. 4 S. 2 AktG). Bedeutung habe dieser nur in Bezug auf börsennotierte Gesellschaften.

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