SCHULE Teilung von Schulklassen und Unterrichtung in Gruppen im Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht

von Sibylle Schwarz, veröffentlicht am 04.11.2020
Rechtsgebiete: BildungsrechtCorona|3146 Aufrufe

(zeitlich befristete) Teilung von Schulklassen und Unterrichtung in Gruppen im Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht

- Stadt Solingen (NRW) hat dies angekündigt (Solinger Weg) und es wurde ihr vom NRW-Gesundheitsministerium untersagt.

- Hingegen: Landkreis Fürstenfeldbruck (BAYERN) hat dies auch angeordnet und wurde auf Eilantrag eines Schülers hin vom VG München bestätigt

 

Stadt Solingen (NRW)

In der Stadt Solingen (NRW) ist die 7-Tages-Inzidenz zuletzt auf über 280 Infektionen pro 100.000 Einwohnern gestiegen. Am 31. Oktober wurde der Solinger Schul-Sonderweg für rund 20.00 Schüler angekündigt, wonach Klassen in Gruppen aufgeteilt werden, die dann nur noch wechselweise in die Schule kommen sollten. Eine Gruppe in Präsenz in der Schule, eine andere Gruppe im Distanzunterricht zuhause.

Das NRW-Gesundheitsministerium hat die Stadt Solingen per Erlass angewiesen, die Kombination aus Präsenzunterricht und digitalem Distanzunterricht nicht umzusetzen.

 

Landkreis Fürstenfeldbruck (BAYERN)

Im Landkreis Fürstenfeldbruck (BAYERN) wendet sich ein Schüler vor dem Verwaltungsgericht München gegen die Allgemeinverfügung des Landratsamts Fürstenfeldbruck, wonach - gemäß Stufe 3 des Drei-Stufen-Plans des „Rahmenhygieneplans Schulen“ - die Teilung der Klassen und Unterricht im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenzunterricht und Lernen zu Hause angeordnet werde.

Das Verwaltungsgericht München hat den Antrag des Schülers abgelehnt.

 

Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 29.Oktober 2020 , M 26b E 20.5338

„Die Antragsteller wenden sich gegen die Wiedereinführung des Mindestabstands von 1,5 m in Unterrichtsräumen und die damit verbundene Teilung von Schulklassen mit Unterrichtung in Gruppen im Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht sowie gegen die Reduzierung der Gruppengröße in Kitas im Landkreis Fürstenfeldbruck aufgrund der Überschreitung der sog. 7-Tage-Inzidenzwerte. …

Mit Allgemeinverfügung vom 16. Oktober 2020 ordnete das Landratsamt Fürstenfeld-bruck (beruhend auf einer Entscheidung des Gesundheitsamt Fürstenfeldbruck) unter anderem die Teilung der Klassen und Unterricht im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenzunterricht und Lernen zu Hause (Ausnahme: Mindestabstand von 1,5 m kann vor Ort auch bei voller Klassenstärke eingehalten werden) gemäß Stufe 3 des Drei-Stufen-Plans des „Rahmenhygieneplans Schulen“ vom 2. Oktober 2020 an. …

Die zeitlich bis zum 30. Oktober 2020 befristete Anordnung des Mindestabstands von 1,5 m auch zwischen den Schülerinnen und Schülern in Unterrichtsräumen, ggf. (bei nicht möglicher Einhaltung dieses Mindestabstands aufgrund baulicher Gegebenheiten) verbunden mit einer zeitlich befristeten erneuten Teilung der Klassen und einer Unterrichtung der Gruppen im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht an Schulen findet ihre Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 1 der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) vom 1. Oktober 2020 in der Fassung vom 22. Oktober 2020 i.V.m. dem Rahmenhygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (Rahmenhygieneplan Schulen), Stand 2. Oktober 2020, Ziffer 1.4.3. … von den Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Gesundheit und Pflege ausgearbeitete Rahmenhygieneplan Schulen (im folgenden: Rahmenhygieneplan) als Grundlage für Schutz- und Hygienekonzepte der Schulen erstellt, § 18 Abs. 1 Satz 2 der 7. BayIfSMV. …

Gemäß dem Stufenkonzept des Rahmenhygieneplans (dazu Ziffer 1) findet im Schuljahr 2020/2021 grundsätzlich der Regelbetrieb unter Beachtung des Rahmenhygieneplans statt. Dabei richtet sich der Unterrichtsbetrieb in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen nach einem Drei-Stufen-Plan, der sich grundsätzlich an der 7-Tage-Inzidenz des LGL in einem Landkreis orientiert (Ziffer 1.1). Die Entscheidung zur Anordnung von Maßnahmen auf der Grundlage des Stufenkonzepts trifft das örtlich zuständige Gesundheitsamt im Benehmen mit der Schulaufsicht (Ziffer 1.2 b)). Die für die Stufe vorgesehenen Maßnahmen gelten grundsätzlich für alle Schulen des betreffenden Landkreises, soweit das Gesundheitsamt nicht besondere Anordnungen trifft (Ziffer 1.2.c)). Wird in einem Landkreis der Inzidenzwert überschritten, prüft das Gesundheitsamt, ob eine betriebs- bzw. einrichtungsbezogene Eingrenzung der Infektionsfälle möglich ist. Ist dies der Fall, sind in der Regel keine schulischen Maßnahmen für sämtliche Schulen des betroffenen Landkreises der betreffenden Stufe erforderlich. Andernfalls trifft es die erforderlichen Maßnahmen (Ziffer 1.2 d). …

Ziffer 1.4.3 des Rahmenhygieneplans sieht für Stufe 3 (7-Tage-Inzidenz ab 50 pro 100.000 Landkreiseinwohner) unter anderem die Wiedereinführung des Mindestabstands von 1,5 m auch zwischen den Schülerinnen und Schülern in Unterrichtsräumen vor (a).

Soweit aufgrund der baulichen Gegebenheiten der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, bedeutet dies eine zeitlich befristete erneute Teilung der Klassen und eine damit verbundene Unterrichtung der Gruppen im wöchentlichen oder täglichen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht (d). …

 

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 18 Abs. 1 Satz 1 der 7. BayIfSMV i.V.m den einschlägigen zitierten Vorgaben des Rahmenhygieneplans zu Stufe 3 sind nicht ver-anlasst. Die Regelungen dürften von der Ermächtigungsgrundlage § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie § 33 Satz 2 Nr. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gedeckt sein …

 

Hinsichtlich Art und Umfang der zu treffenden Schutzmaßnahmen ist der Behörde bzw. dem Verordnungsgeber ein Auswahlermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss. Zudem sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205, Rn. 24; BayVGH, B.v. 13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - Rn. 27). Diesen Vorgaben genügt § 18 Abs. 1 der 7. BayIfSMV i.V.m. dem Stufenkonzept des Rahmenhygiene-plans Schulen, …

 

Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass im 3-Stufen-Konzept des Rahmenhygieneplans Schulen auf das Kriterium der 7-Tage-Inzidenz abgestellt wird und insofern un-terschiedliche Maßnahmen je nach Wert (unter 35 bzw. bis 50 bzw. über 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner abgestellt wird) angeordnet werden. …

 

Die Zuständigkeit des Antragsgegners für die zeitlich befristete Teilung der Klassen ergibt sich aus dem Rahmenhygieneplan Schulen.  Für die Anordnung sämtlicher auf das Infektionsschutzgesetz gestützten Maßnahmen (zum Beispiel (Teil-)Schließung einer Schule) sind nach Ziffer 3.1 die Gesundheitsämter oder eine ihnen übergeordnete Behörde zuständig. Für die Umsetzung der Infektionsschutz- und Hygienemaß-nahmen in der Schule ist die Schulleitung verantwortlich (Ziffer 3.3). Die Entscheidung zur Anordnung von Maßnahmen auf der Grundlastlage des Stufenkonzepts trifft das örtlich zuständige Gesundheitsamt im Benehmen mit der Schulaufsicht (Ziffer 1.2 b). Damit war das Gesundheitsamt des Landratsamts Fürstenfeldbruck für die Anordnung des Inkrafttretens der Stufe 3 zuständig. …

 

… keinen Automatismus bei Erreichen der Stufe 3 angenommen, sondern hat, wie es Ziffer 1.2 des Rahmen Hygieneplans vorsieht, geprüft, ob eine betriebs-bzw. einrich-tungsbezogene Eingrenzung der Infektionsquelle möglich war. Erst nach Verneinung dieser Frage hat es angesichts hoher Inzidenzwerte und des Betroffenseins verschie-dener Schulen und Kindertageseinrichtungen Stufe 3 mit den hierfür vorgesehenen Maßnahmen angeordnet. Unter Ermessensgesichtspunkten ist hiergegen nichts ein-zuwenden. …

 

Kann der Mindestabstand aufgrund baulicher Gegebenheiten nicht eingehalten werden, ist eine Teilung der Klassen und ein damit verbundener Unterricht in Gruppen im Wechsel geeignet, das Infektionsrisiko zu minimieren, weil der physische Kontakt und das damit einhergehende Infektionsrisiko der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte im Schulbetrieb reduziert wird. …

 

... Insoweit dürfte Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf den Antragsteller zu 1 [Schüler]  grundsätzlich nur einen Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen und- angeboten bzw. auf Zugang zu diesen unter zumutbaren Bedingungen und unter dem Vorbehalt des möglichen verleihen. Ein Anspruch auf Leistung im Sinne eines Verschaffungsanspruchs dürfte nur entstehen, wenn der Staat insoweit seine Pflichten evident verletzt, es mithin an dem notwendigen Minimum fehlen lässt …

 

Die mit dem Wechsel von Präsenz- und Heimunterricht einhergehenden Einschränkungen sind insofern in Anbetracht eines grundsätzlich sicherzustellenden Schulbetriebs und der damit einhergehenden Gewährleistung wenigstens eines teilweisen Präsenzunterrichts und von Bildungsgerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler nicht nur hinnehmbar, sondern dienen einem interessengerechten Ausgleich der betroffenen Rechte der Schüler. …“

 

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