LAG München: Kündigung einer ehemaligen Nonne unwirksam

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.11.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2345 Aufrufe

Einen ungewöhnlichen Rechtsstreit hat jüngst das LAG München (Urteil vom 22.10.2020, Az. 3 Sa 450/20, PM vom 22.10.2020) in zweiter Instanz entschieden. Die Klägerin war 1995 als Mitglied des Ordens der Franziskanerinnen in das in Bayern gelegene Kloster Reutberg eingetreten. 2016 wurde das Kloster aufgelöst. Da der Ordensgemeinschaft keine Oberin mehr vorstand, beauftragte der Erzbischof von München und Freising einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit der gesamten Vermögensverwaltung des Klosters einschließlich seiner Wirtschaftsbetriebe. Dieser Verwalter schloss für den Orden im August 2018 mit der Nonne einen von ihm vorformulierten Arbeitsvertrag als Landwirtschaftsmeisterin unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Arbeitsvertrag erst mit ihrem rechtswirksamen Austritt aus dem Orden in Kraft treten sollte. Das Arbeitsverhältnis sollte von Anfang an ordentlich unkündbar sein. Außerdem wurden eine Versorgungszusage, ein unentgeltliches Benutzungsrecht an einer Wohnung im Kloster und die Geltung von Vertrauensarbeitszeit vereinbart. Die Erzbischöfliche Finanzkammer München erteilte die kirchenaufsichtliche Genehmigung des Arbeitsvertrages. Kurz darauf trat die Klägerin aus dem Orden aus. Sie wurde sodann im Rahmen des Arbeitsvertrags tätig. Im Herbst 2018 machte der Vatikan die Entscheidung rückgängig, bestimmte den Fortbestand des Klosters und setzte eine apostolische Kommissarin ein. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 24.09.2019 außerordentlich mit einer Auslauffrist, die der einer Kündigungsfrist nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit entsprach. Zugleich erklärte die apostolische Kommissarin den Rücktritt, die Anfechtung und Widerruf des Arbeitsvertrags. Außerdem zweifelte die Arbeitgeberseite an der wirksamen Begründung des Arbeitsverhältnisses und empfand die vereinbarten Leistungen des Arbeitgebers als zu hoch. Nachdem die Klägerin zwischenzeitlich geheiratet hatte, kam eine Rückabwicklung und ein Wiedereintritt in das Kloster für diese nicht mehr in Betracht. Streitig war der Bestand eines Arbeitsverhältnisses und die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung.

Das LAG München hat ebenso wie die Vorinstanz entschieden, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Es zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Arbeitsverhältnis wirksam begründet worden ist und fortbesteht. Ein Grund, der geeignet gewesen wäre, eine Anfechtung des Arbeitsvertrages zu begründen, sei nicht gegeben. Ein Rücktritt vom Vertrag sei wegen des Vorrangs der Kündigungsschutzbestimmungen ausgeschlossen. Auch für eine von der Kirche geltend gemachte Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages wegen eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, die dessen Wirksamkeit hätte in Frage stellen können, habe es keinen keinen Anhaltspunkt geben. Die ausgesprochene Kündigung scheitere bereits an der erforderlichen, aber nicht vorliegenden Zustimmung des Vatikans. Damit besteht das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort.

Merke also: Ein ehemaliges Kloster lässt sich wieder zum Kloster machen, eine ehemalige Nonne aber nur noch schwer wieder zur Nonne, wenn sie mittlerweile verheiratet ist.

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