Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Miete

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 08.11.2020
Rechtsgebiete: Miet- und WEG-RechtZivilverfahrensrecht|3176 Aufrufe

Im Fall geht es darum, die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil einstweilen einzustellen. Es geht um die Kündigung eines Mietvertrages für eine Gaststätte. Das LG stützt sein Urteil darauf, dass jedenfalls die außerordentliche Kündigung wegen der Nichtzahlung der Mieten für Mai und Juni 2020 begründet sei. Der Beklagte habe nicht – wie von Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gefordert – den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Miete glaubhaft gemacht. Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 19.10.2020 – 13 U 3078/20) sieht das anders!

Das Fehlen liquider Mittel habe der Beklagte in der ersten Instanz zwar nicht unter Beweis gestellt, auch nicht in der Form einer für die Glaubhaftmachung ausreichenden eidesstattlichen Versicherung (§ 294 Abs. 1 ZPO). Dies habe er jedoch in der Berufungsinstanz nachgeholt und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Betriebsgesellschaft für die Monate März bis Juni 2020 (Ausdrucke aus der DATEV-Buchhaltung) vorgelegt. Weiterhin habe er eine eidesstattliche Versicherung des Steuerberaters der Betriebsgesellschaft vorgelegt, die die Übereinstimmung der Buchhaltung mit den ihm vorgelegten Buchführungsunterlagen bestätigt habe. Schlussendlich habe der Beklagte seine eigene eidesstattliche Versicherung vorgelegt, in der er angebe, seine finanziellen Reserven seien wegen der coronabedingten Umsatzausfälle weitestgehend aufgebraucht sei.

Damit sei zwar nicht die Vermögenslosigkeit des Beklagten im Mai und Juni 2020 belegt. Eines solchen Beweises bedürfe es aber auch nicht (Hinweis auf Nissen/Elzer, MDR 2020, 761 [764] und aA Klimesch/Walther, ZMR 2020, 353 [357]). Der Bezugspunkt der in Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB geforderten Glaubhaftmachung sei der Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung die Miete. Die in Satz 1 der Vorschrift geregelte Kündigungsausschluss verlange nicht den Nachweis, dass der Mieter die geschuldete Miete möglicherweise aus sonstigen Quellen als den laufenden gewerblichen oder sonstigen Erträgen aufbringen könnte.

Stellungnahme: Dem Gericht ist zuzustimmen! Für den Zusammenhang i.S.d. Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB genügt bereits die Glaubhaftmachung von erheblichen Einkommensminderungen, die aus dem pandemiebedingten, wirtschaftlichen „Shutdown“ resultieren. Der Mieter muss also weder seine Vermögenslosigkeit noch die Nichtinanspruchnahme staatlicher Hilfsprogramme oder Leistungen nachweisen (Nissen/Elzer, MDR 2020, 761 [764] zum Gewerberaum).

Für diese Auslegung spricht insbesondere der Sinn und Zweck des Kündigungsausschlusses in Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB (Nissen/Elzer, MDR 2020, 761 [764]). Die Norm hat erkennbar eine Privilegierung durch einen Kündigungsausschluss trotz Nichtzahlung der Miete für bestimmte Monate zum Ziel. Dafür sprechen bereits die Umstände, unter denen die Norm geschaffen wurde – namentlich die erheblichen, wirtschaftlichen Auswirkungen des Shutdowns, dessen Länge im Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens noch gänzlich unklar war. Diese Hilfestellung würde erschwert, wenn ein – eigentlich begünstigter – Mieter bei der Berufung auf den Kündigungsausschluss seine gesamten Vermögensverhältnisse offenlegen und glaubhaft machen müsste. Ein solch umfassendes Nachweiserfordernis wäre mit dem Wesen einer Glaubhaftmachung unvereinbar (Nissen/Elzer, MDR 2020, 761 [764]). Auch die Nicht-Inanspruchnahme staatlicher Hilfsprogramme oder Leistungen kann den Zusammenhang zwischen Nichtzahlung und COVID-19-Pandemie nicht entfallen lassen. Denn dem Gesetzgeber war bereits bei Schaffung des Art. 240 § 2 EGBGB bewusst, dass eine ganz erhebliche Zahl von Betrieben auf das Instrument der Kurzarbeit zurückgreift und noch zurückgreifen wird (Nissen/Elzer, MDR 2020, 761 [764]).

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