ArbG Hamburg: Keine Neuverhandlung der SE-Mitbestimmung bei Sitzverlegung und Board-Systemwechsel

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 13.11.2020

Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 28. Februar 2020 (17 BV 20/19) entschieden, dass die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer SE nach Deutschland und der Wechsel in das dualistische Vorstand-Aufsichtsrat-System keine „strukturellen Änderungen“ im Sinne des § 18 Abs. 3 S. 1 SEBG sind.

UK-Deutschland-Sitzverlegung der Konzern-Holding

Die Entscheidung betrifft eine nach UK-Recht als monistische, arbeitnehmerlose Holding-SE gegründete Gesellschaft. Noch während der UK-Ansässigkeit beteiligte sich die SE als alleinige Kommanditistin an einer deutschen KG, ferner als Alleinaktionärin an der Komplementär-SE. Später verlegte die SE ihren Sitz gemäß Art. 8 SE-VO nach Deutschland und wechselte zugleich in die dualistische Leitungsverfassung. Gemeinsam mit Tochtergesellschaften beschäftigte die Unternehmensgruppe mehr als 2000 Arbeitnehmer in Deutschland.

(Neu-)Verhandlungspflicht bei „struktureller Änderung“

Den Antrag des Konzernbetriebsrats, aus Anlass der Sitzverlegung erstmalig gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 SEBG über die Arbeitnehmerbeteiligung in der SE zu verhandeln, lehnt das Gericht in seiner Entscheidung ab. Nach der Vorschrift müssen Leitung und Arbeitnehmervertreter über die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer verhandeln, wenn strukturelle Änderungen der SE geplant sind, die geeignet sind, Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern. Eine solche Änderung, so das Gericht, liege hier nicht vor. Das gelte zunächst für den Eintritt in die KG; denn zu diesem Zeitpunkt habe die SE nicht dem SEBG, sondern UK-Recht unterlegen.

Kein gründungsähnlicher Charakter der Sitzverlegung

Auch die Sitzverlegung sei keine Änderung im Sinne des § 18 Abs. 3 SEGB. Solche Änderungen müssten gründungsähnlichen Charakter haben, während die Sitzverlegung identitätswahrend erfolge. Jedenfalls liege keine Minderung der Arbeitnehmerrechte vor.

Board-Systemwechsel kann Arbeitnehmerrechte nicht mindern

Bei dem Wechsel in die dualistische Leitungsverfassung handele es sich zwar wohl grundsätzlich um eine strukturelle Änderung. Der Wechsel sei jedoch nicht geeignet, um Arbeitnehmerrechte zu mindern.

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