Erfolglose Verfassungsbeschwerde zu einer arbeitsrechtlichen Kündigung wegen menschenverachtender Äußerung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 25.11.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|9356 Aufrufe

Kündigungen wegen rassistischer und/oder menschenverachtender Äußerungen von Arbeitnehmern gegenüber Arbeitskollgen beschäftigen die Arbeitsgerichte immer wieder. Die Arbeitsgerichte stufen solche Vorfälle zu Recht regelmäßig als schwerwiegende Pflichtverletzungen ein, die durchaus geeignet sind, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Ein Zeichen setzt jetzt auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), genauer die 3. Kammer des Ersten Senats (Beschluss vom 2.11.2020 - 1 BvR 2727/19). Sie hat die Verfassungsbeschwerde eines gekündigten Arbeitnehmers gegen eine arbeitsgerichtliche Entscheidung, welche die Kündigung bestätigt, nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Der Beschwerdeführer war Betriebsratsmitglied. Im Rahmen einer Auseinandersetzung während einer Betriebsratssitzung über den Umgang mit einem EDV-System betitelte er seinen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als „Stricher“ bezeichnete. Auch aufgrund dieses Vorfalls erhielt der Beschwerdeführer die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Die Gerichte für Arbeitssachen erachteten diese nach umfänglicher Beweisaufnahme auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte, als rechtmäßig. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem, dass die Gerichte sein Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzt hätten.

Das BVerfG hält die Verfassungsbeschwerde mangels Bestimmtheit für unzulässig, darüber hinaus aber auch für unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen der Arbeitsgerichte hätten die Wertungen, die sich aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie aus Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Diskriminierungsverbot) ergeben, nicht verkannt. Sie verletzten den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, sei auch im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der sich gegen rassistische Diskriminierung wende, nicht zu beanstanden. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordere im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit trete aber jedenfalls zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasteten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten. Das hätten die Gerichte hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt. Sie stützten sich auf §§ 104, 75 Abs. 1 BetrVG und §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots ihren Niederschlag fänden. Sie begründeten ausführlich, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handele. Danach werde die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert werde, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt werde. Diese Wertung sei ebenso wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geforderte Gesamtwürdigung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

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