Rechtsänderung nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber vor Verkündungstermin: was gilt?

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 27.11.2020
Rechtsgebiete: Zivilverfahrensrecht2|7662 Aufrufe

Im Einzelfall, so etwa am 1.12. im WEG, ändert sich das Recht ganz erheblich. Wurde in diesem Falle zB am 30.11 verhandelt, der Verkündungstermin aber am 21.12 angesetzt, kann man fragen welches Recht anwendbar ist. Ich selbst meine, es wäre das am 21.12. geltende Recht, da die Entscheidung erst dann ergeht und es sei die mündliche Verhandlung notfalls nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen (BeckOK ZPO/Elzer, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 300 Rn. 12). Hierfür spricht auch die Rechtslage, wenn es keine mündliche Verhandlung gibt. Überprüft ein Rechtsmittelgericht, gilt jedenfalls neues Recht (BGH NJW 1962, 961). Die erstinstanzliche Entscheidung, die eine Rechtsänderung ignoriert, könnte daher nur ein geringes Verfallsdatum haben. Das ist prozessunökonomisch.

Das kann man aber natürlich auch anders sehen. Etwa das BSG (BSG, Urteil vom 17.2.2005 - B 13 RJ 31/04 R) ist wohl anders zu verstehen, wenn es Rn. 6 ausführt: "Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung der Tatsacheninstanz".

Den Rechtsanwälten ist jedenfalls zu raten, ein Urteil, das eine Rechtsänderung missachtet, mit dem statthaften und zulässigen Rechtsmittel anzugreifen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Es kommt auf das Rechtsverhältnis an. Welcher Zeitraum ist betroffen? Neues Recht gilt typischerweise erst ab Inkrafttreten.

0

Ich denke auch, dass es die neue Rechtslage sein müsste. Zumindest bei klassichen Leistungs- und Feststellungsklagen. Ansonsten erhielte man ggf einen Rechtstitel, der in der Berufung aufgrund anderer Rechtslage kassiert würde. Sofern man davon ausgeht, dass die Berufung nach der ZPO Reform von 2002 keine vollwertige Tatsacheninstanz ist, würde es seltsam anzumuten, da das Instanzengericht ja eig. keinen Fehler gemacht hat. Bei ner 708er Sache müsste der Beklagte die vorläufige Vollstreckbarkeit durch Sicherheitsleistung abwenden.

Zweifel könnte man höchsten bei Gestaltungsklagen wie der WEG-Beschlussanfechtungsklage haben. Hier kann man auf den Streit im Verwaltungsprozessrecht blicken, zu welchem Zeitpunkt die Rechtswidrigkeit eines VA zu beurteilen ist.

Kommentar hinzufügen