Sehr gut: Therapiestunden führten zum Absehen von Regelfahrerlaubnisentziehung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.11.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1485 Aufrufe

Verwaltungsrechtlich wird der Angeklagte sicher noch Probleme bekommen haben. Für das AG jedoch hat er genau richtig gehandelt. Therapiestunden brachten ihm einen Wegfall der sonst regelmäßigen Fahrerlaubnisentziehung. Die Entscheidung selbst ist mir jetzt erst bei beck-online zwischen die Finger geraten:

 

Der Angeklagte wird wegen der im Strafbefehl vom 18.4.2019 bezeichneten fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt.

 Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 Angewandte Strafvorschriften: §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2, 21 StGB

 Gründe: 

 (abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

 Dem Angeklagten wurde in dem Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.4.2019 vorgeworfen, im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit fahrlässig im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu haben.

 Der Angeklagte befuhr am 14.1.2019 gegen 16:30 Uhr mit dem PKW Audi Q7, amtliches Kennzeichen …, die B8 in Richtung Frankfurt am Main Höchst auf dem linken von zwei Fahrstreifen.

 Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten betrug zur Entnahmezeit um 18:44 Uhr sowie zum Tatzeitpunkt mindestens 2,09%.

 Der Angeklagte war infolge Alkoholgenusses nicht mehr in der Lage, das Fahrzeug mit dem Straßenverkehr erforderlichen Sicherheit zu führen.

 Der Angeklagte fuhr in Höhe von Kilometer 120,000 auf das von dem Zeugen A geführte Fahrzeug … auf, wobei ein Fremdschaden i.H.v. 3.943,83 € entstand.

 Der Angeklagte hätte erkennen können, dass er infolge Alkoholgenusses fahruntüchtig war.

 Dieser Tatvorwurf steht aufgrund der Einspruchsbeschränkung, die der Verteidiger mit dem hier am 29.7.2019 eingegangenen Schreiben erklärt hat, fest.

 Es wurde auf die aus dem Urteilstenor ersichtlichen Maßnahmen erkannt.

 Von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB sah das Gericht ausnahmsweise ab, da es den Angeklagten zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansah. Der Angeklagte hat sich unmittelbar nach dem Unfall in psychotherapeutische Behandlung begeben. Er hat 11 Beratungsstunden, 54 Einzeltherapiestunden und 37 Gruppentherapiestunden absolviert. Hierfür wendete er insgesamt 4.876 € auf. In der Zeit vom 12.8.2019 bis zum 10.9.2019 nahm der Angeklagte sechs psychologische Einzelberatungssitzungen und vier Gruppengespräche bei einem Verkehrspsychologen in Anspruch. Des Weiteren legte er Abstinenznachweise vom 18. Februar, 25. Juni und 12. August vor. Zudem konnte der Angeklagte in der Hauptverhandlung glaubhaft machen, dass er nach dem Unfall einen Lebenswandel vollzogen hat. Daher geht das Gericht davon aus, dass sich der Angeklagte über die Gefahren des Alkoholkonsums im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges bewusst geworden ist und mit entsprechenden Situationen, die ein unkontrolliertes Trinkverhalten begünstigen, besser umgehen kann. Der Angeklagte stellt daher keine Gefahr für den Straßenverkehr mehr dar.

 Die Kostenfolge ergibt sich aus § 465 StPO.

AG Frankfurt a. M. Urt. v. 11.9.2019 – 906 Cs - 422 Js 3755/19, BeckRS 2019, 43120

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