BGH: Kein Ausgleich einer masseschmälernden Zahlung nach § 64 S. 1 GmbHG bei Vorleistung des Zahlungsempfängers

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 30.11.2020

Mit Urteil vom 27. Oktober 2020 hat der BGH (II ZR 355/18) erstmals entschieden, dass eine masseschmälernde Zahlung aus dem Vermögen einer insolvenzreifen Gesellschaft durch eine Vorleistung der Gegenleistung grundsätzlich nicht kompensiert wird. Vorliegend hatten die Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen GmbH Gutschriften auf ein debitorisches Konto sowie Zahlungen für zuvor erhaltene Warenlieferungen veranlasst.

Der BGH verneint einen Erstattungsanspruch gegen die Geschäftsführer wegen der Gutschriften auf das debitorische Konto, denn hier wurde durch die Zahlung eine Sicherheit frei. Bei Zahlung an einen absonderungsberechtigten Gläubiger liege ein Aktiventausch vor, soweit die Sicherheit dadurch der Masse zur Verfügung stehe. Vorliegend war ein werthaltiger Anspruch auf Freigabe einer Grundschuld zur Masse gelangt. Es sei auch nicht erforderlich, dass der Gegenstand des Massezuflusses bei Insolvenzeröffnung noch vorhanden sei. Bei Nichtvorhandensein könne ggf. ein eigener Erstattungsanspruch entstehen.

Allerdings können nach den Ausführungen des Senats Leistungen, die bereits Bestandteil der Masse geworden sind, in einem Aktiventausch nicht mehr berücksichtigt werden. Damit erteilt der BGH der Ansicht, die Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung sei für den Aktiventausch unerheblich, eine Absage.

Der Zweck des § 64 S. 1 GmbHG – die Erhaltung der Masse zur Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger – werde auch erreicht, wenn die geleistete Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen werde. Dagegen trete bei der nachträglichen Bezahlung einer zuvor erhaltenen Leistung die Masseschmälerung erst mit der Auszahlung ein. Wer durch Vorleistung ein Insolvenzrisiko eingehe, müsse die Folgen bei einer Insolvenz des Vertragspartners tragen. Ob dies auch für Zug-um-Zug-Leistungen gilt, lässt der Senat offen.

Schließlich stellt der Senat fest, dass die Bezahlung von unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Ware zu einem Aktiventausch führt, wenn durch die Zahlung das Eigentum in das Gesellschaftsvermögen gelangt und werthaltig ist.

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