Materieller und immaterieller Schadensersatz von Wohnungseigentümern bei Datenschutzverstößen

von Prof. Dr. Katrin Blasek, LL.M., veröffentlicht am 04.12.2020

Das LG Landshut (Endurteil v. 06.11.2020 – 51 O 513/20) hat hierzu eine interessante Entscheidung getroffen:

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2020-N-33148?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1

Sachverhalt: In einer Wohnungseigentumsgemeinschaft gab es in einer Wohneinheit einen Legionellenbefall, der in der Eigentümerversammlung unter Nennung des Namens des entsprechenden Eigentümers (Kläger) thematisiert wurde. Auch die Einladung zur Eigentümerversammlung enthielt diesen Namen. Der Eigentümer verlangte die Schwärzung seiner Daten vom Verwalter (Beklagter), was dieser unterließ. Im Verlaufe des Streits hat der Verwalter zudem die Emailadresse des Eigentümers an seinen Rechtsanwalt weitergegeben. Der Eigentümer sieht in seiner namentlichen Nennung gegenüber den Miteigentümern wie auch in der Weitergabe seiner Daten an den Rechtsanwalt Verstöße gegen die DSGVO.

„Der Kläger/Eigentümer trägt vor, ihm sei ein immaterieller und materieller Schaden entstanden. Es liege eine Rufschädigung vor. Zudem habe ein potentieller Käufer seiner Wohnung aufgrund der ihm aus den Reihen der informierten Eigentümer zugetragenen Information des Legionellenbefalls den Kauf abgesagt. Es bestehe eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissen Gewicht erfolgte Beeinträchtigung. Der Kläger begehrt eine Geldentschädigung von pauschal 7.000 € (70 x 100 €). Der Kläger ist insoweit davon ausgegangen, dass die Tagesordnung an 70 unterschiedliche Wohnungseigentümer übersandt worden ist…Der Kläger macht zudem weiteren Schadensersatz in Höhe von 300 € geltend. Seitens der Beklagten (Verwalter) sei die Email-Adresse des Klägers unautorisiert an deren Prozeßbevollmächtigten weitergegeben worden. Insoweit liege ein abermaliger Verstoß gegen die DSGVO vor.“

DSGVO-Verstöße des Verwalters?

Bzgl. der Nennung des Eigentümers in der Einladung und während der Eigentümerversammlung und nicht nur der konkreten Wohneinheit sieht das LG in Art. 6 Abs. 1 lit. b) und c) DSGVO Rechtsgrundlagen für diese Datenverarbeitung:

„Die Beklagte ist jedoch als Hausverwaltung vertraglich gegenüber den Eigentümern und der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, den gesetzlichen und vertraglichen Pflichten einer Hausverwaltung nachzukommen. Andere Wohnungseigentümer haben nach §§ 13, 14 WEG einen Anspruch darauf zu erfahren, in welchen Wohnungen eine Legionellenprüfung vorgenommen wird oder wurde und auch, ob es insoweit einen Legionellenbefall und in welchem Umfang gegeben hat oder nicht. Insoweit ist zunächst die Nennung der Wohnung und auch die Nennung der Prüfungsergebnisse zulässig. Die Nennung war hier sowohl in der Tagesordnung als auch in der Eigentümerversammlung als Grundlage für die „Aussprache und Beschlussfassung über weitergehende Maßnahmen zum Legionellenbefall und deren Finanzierung“ erforderlich und unabdingbar. Ohne Nennung der Zahl der Wohnungen, der konkreten Lage der jeweiligen Wohnung und des konkreten Befalls wäre eine Beurteilung und entsprechende Entscheidung in der Eigentümerversammlung nicht möglich gewesen. Nach Auffassung des Gerichts war hier auch die Nennung des Eigentümers aus den genannten Gründen zulässig. Im Hinblick auf die Finanzierung und im Hinblick auf weitergehende Maßnahmen war auch die Nennung der betroffenen Eigentümer erforderlich, gegebenenfalls auch zur Prüfung von Ausgleichsansprüchen gegenüber anderen Eigentümern. Damit lagen die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 lit. b) und c) vor.“

Und bzgl. der Weitergabe der Emailadresse an den Anwalt des Verwalters/Beklagten bejaht das LG das berechtigte Interesse ohne Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu nennen.

Rdn. 20: „Es liegt kein Verstoß gegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO vor. Die Beklagten haben in berechtigtem Interesse gehandelt. Der Kläger selbst hat wie sich aus dem Klagevortrag ergibt mit den Beklagten überwiegend per Email kommuniziert. Wie der Beklagtenvertreter zu Recht eingewandt hat, ist die E-Mail-Adresse des Klägers auch im Anwaltsportal zugänglich…“

Materieller Schaden des Eigentümers/Klägers?

Art. 82 Abs. 1 DSVGO siehe den Ersatz materieller und immaterieller Schäden durch den Verantwortlichen vor.

Das Vorliegen eines materiellen Schadens lehnt das LG zu Recht aus mehrlei Gründen ab:

Rdn. 17: „Materielle Schäden wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch belegt. Soweit der Kläger behauptet, ein potentieller Käufer seiner Wohnung habe auf Grund der ihm aus den Reihen der informierten Eigentümer zugetragenen Information des Legionellenbefalls den Kauf abgesagt, nachdem er zunächst versucht habe, den Kaufpreis auf Grund des Legionellenbefalls zu reduzieren, stellt dies bereits nicht die Darlegung eines konkreten Schadens dar. Darüber hinaus scheidet hier ein Schaden bereits deshalb aus, weil der Kläger als Verkäufer einer Wohnung bei einem konkreten Legionellenbefall - wie vorliegend unstreitig gegeben - gegenüber dem Käufer seiner Wohnung aufklärungspflichtig wäre. Die durch Legionellen hervorgerufene Legionärskrankheit kann unbehandelt einen lebensgefährlichen Verlauf annehmen, ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht dabei insbesondere beim Duschen. Von daher wäre es zudem unverantwortlich, den Legionellenbefall in der Wohnanlage nicht insbesondere den Mietern bzw. auch potentiellen Käufern zu offenbaren. Da der Kläger damit selbst aufklärungspflichtig wäre, kann ihm durch die Weitergabe von Informationen darüber hinaus kein Schaden entstehen.“

Immaterieller Schaden wegen Rufschädigung?

Immaterielle Schäden wurden nach deutscher Rspr. (ständige Rspr. des BGH) bisher nur bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen zugesprochen. Wegen des weit angelegten Schadensersatzbegriffs der DSGVO (effet utile, EWG 146 S. 3) und der Rspr. des EuGH (C-407/14 = EuZW 2016, 183, 184f.), dass der geschuldete Schadensersatz eine „wirklich abschreckende Wirkung“ aufweisen muss, wiesen Datenschutzrechtler zu Recht darauf hin, dass die hiesige Rspr. ihre Spruchpraxis würde ändern müssen (zum Meinungsbild in der Literatur Kühling/Büchner-Bergt, DSGVO, Art. 82 Rdn. 18).

Jedenfalls das LG (mit Verweis auf das LG Hamburg) weicht von den bisherigen strengen Anforderungen des BGH ab, auch wenn nicht jede Beeinträchtigung ausreicht:

Rdn. 18: „Auch ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens steht dem Kläger nicht zu. Art. 82 Abs. 1 DSGVO sieht zwar eine Erstattungspflicht für immaterielle Schäden vor. Diese Pflicht ist auch nicht nur auf schwere Schäden beschränkt. Allein die Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Person geführt haben (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 -324 S 9/19- juris). Es ist zwar eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht (mehr) erforderlich. Andererseits ist auch weiterhin nicht für einen Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuelle empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (Plath, Art. 82 DSGVO Rn. 4 c, d).“

Nach diesen Kriterien sieht das LG keine Rufschädigung des Klägers/Eigentümers:

Rdn. 18: „Bei der Nennung von Art und Höhe des Befalls handelt es sich um objektive Umstände. Eine erhöhte Kolizahl im Trinkwasser beruht zumeist auf fehlender Wasserzirkulation und Wassertemperaturen im Bereich von 25 bis 50 Grad Celsius. Die Ursache liegt also nicht in der Person des Wohnungseigentümers oder Mieters, sondern in der Regel in der Warmwasseraufbereitung und den Rohrsystemen der Wohnungseigentümeranlage. Die Weitergabe dieser objektiven Befunde an die anderen Wohnungseigentümer ist damit nicht geeignet, den Ruf des Eigentümers zu schädigen oder diesen gar bloßzustellen. Zudem wäre den Eigentümern im Hinblick auf die Wohnungsnummer eine Zuordnung zum Eigentümer durch die Teilungserklärung sowieso möglich.“

Und bzgl. der Weitergabe der Emailadresse an den Anwalt des Verwalters/Beklagten bejaht das LG auch einen Bagatellverstoß, der jedenfalls nicht zum Schadensersatz berechtigt.

Rdn. 20: „…Wie der Beklagtenvertreter zu Recht eingewandt hat, ist die E-Mail-Adresse des Klägers auch im Anwaltsportal zugänglich. Deshalb läge hier jedenfalls eine Bagatellverletzung vor, die nicht geeignet ist, Schadensersatzansprüche zu begründen.“

 

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1 Kommentar

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Die Daten wurden im vorliegenden Fall wohl nur innerhalb der Eigentümergemeinschaft weitergegeben (mit der Einladung per Post und oder per E-Mail), sowie an den Rechtsanwalt des Hausverwalters.

Die Wohnungseigentümer der WEG-Gemeinschaft hatten ein berechtigtes Interesse an diesen Informationen, ebenso der Rechtsanwalt des Hausverwalters.

Hätte der Hausverwalter die Einladung jedoch auf seiner Homepage für Jedermann (also auch für Personen ohne berechtigtes Interesse) einsehbar online gestellt, dann wäre der Fall wohl anders zu beurteilen gewesen.

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