Nachtarbeitszuschläge I: Zuschläge im Seniorenheim

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.12.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1836 Aufrufe

Der Arbeitgeber hat Nachtarbeitnehmern für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen (§ 6 Abs. 5 ArbZG). "Angemessen" ist nach Auffassung des BAG idR ein Zuschlag von 25 %, bei Dauernachtarbeit von 30 %. Unter besonderen Umständen kann der Zuschlag aber auch geringer zu bemessen sein.

Die Beklagte betreibt eine Seniorenresidenz in Freiburg/Breisgau. Für die beschäftigten Pflegekräfte fällt regelmäßig Nachtarbeit an. Die Arbeitgeberin gewährt hierfür einen Zuschlag iHv. 15 % auf das sonst übliche Stundenentgelt. Sie meint: Als Betreiberin einer stationären Altenpflegeeinrichtung sei sie verpflichtet, in einem bestimmten Umfang Pflegefachkräfte auch nachts einzusetzen. Deswegen könne der mit Nachtarbeitszuschlägen von § 6 Abs. 5 ArbZG erfolgte Zweck, Nachtarbeit zu verteuern und dadurch möglichst zu vermeiden („Lenkungszweck“), nicht erreicht werden. Die Klägerin, die in Dauernachtarbeit beschäftigt ist, verlangt demgegenüber 30 %. Im Berufungsrechtszug hat das LAG Baden-Württemberg ihr einen Zuschlag von weiteren fünf Prozentpunkten, insgesamt also 20 %, zugestanden. Dagegen richten sich die Revisionen beider Parteien, die beide ohne Erfolg blieben.

1.-3. ... 4. Ist Nachtarbeit aufgrund überragender Gründe des Gemeinwohls unvermeidbar, kann der mit dem Nachtarbeitszuschlag verfolgte Lenkungszweck, Nachtarbeit zu verteuern und auf diese Weise möglichst einzuschränken, nicht erreicht werden. In diesem Fall kann auch ein Zuschlag von weniger als 25% - oder 30% bei Dauernachtarbeit - als angemessen iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG anzusehen sein. Ein Abschlag von zehn Prozentpunkten kann sich noch im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Tatsachengerichts halten.

5. Art. 8 bis 12 der Richtlinie 2003/88/EG machen keine Vorgaben für die Höhe des als angemessen anzusehenden Nachtarbeitszuschlags nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Konkrete Vorgaben zu der Höhe einer Entschädigung in Geld oder eines finanziellen Ausgleichs für Nachtarbeiter ergeben sich auch nicht aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG iVm. Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 des Übereinkommens 171 (1990) der Internationalen Arbeitsorganisation über Nachtarbeit.

BAG, Urt. vom 15.7.2020 - 10 AZR 123/19, BeckRS 2020, 29458

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