Haushaltsführungsschaden nach Verkehrsunfall: Wie lange darf frau so kochen, putzen, Gassi gehen?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.12.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|2967 Aufrufe

Heute einmal Zivilrecht. Die Klägerin hatte einen Unfall, an dem sie erhebliche Mitschuld trug. Sie erstrebte daraufhin im Rahmen des Schadensersatzes auch Haushaltsführungsschaden. "Bekommt sie natürlich - auch für`s Gassigehen!", so das LG und schließlich auch das OLG:

 

Haushaltsführungsschaden

 Die Ausführungen der Einzelrichterin zum Haushaltsführungsschaden sind angesichts ihrer am 10. Juni 2020 durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu beanstanden. Weitere Zahlungen als die vorgerichtlich bereits erbrachten 7.274,67 EUR (14.274,67 EUR insgesamt abzüglich 7.000,- EUR für das Schmerzensgeld) müssen die Beklagten nicht an die Klägerin zahlen. Mit dieser Summe ist auch ihr Haushaltsführungsschaden abgegolten. Nach Abzug der Zuzahlungen pp. in Höhe von 519,17 EUR (1/2 von 1.038,34 EUR) sowie von Fahrtkosten in Höhe von 1.055,50 EUR (1/2 von 2.111,- EUR) verbleiben 5.700,- EUR, die den Haushaltsführungsschaden der Klägerin angemessen ausgleichen.

 „Vermehrte Bedürfnisse“ in Höhe von vorgerichtlich gezahlten 200,- EUR und weiteren 152,80 EUR, wie sie die Einzelrichterin ausgeurteilt hat, stehen der Klägerin nicht zu. Sie stellen vorliegend keinen erstattungsfähigen Schaden dar, weil Familienangehörige der Klägerin freiwillig ohne Bezahlung geholfen haben, sodass der Klägerin insoweit kein Vermögensschaden entstanden ist.

 Nach ihren eigenen Angaben hat die Klägerin ihre Haushaltstätigkeit - bis auf das Zubereiten der Mahlzeiten und die Versorgung von Hund und Katze(n) - von montags bis freitags erledigt. Selbst wenn man Fahrdienste für die Tochter am Wochenende hinzunimmt, sind die von der Einzelrichterin angesetzten 35 Stunden pro Woche vertretbar und tragfähig. Denn eine Auswertung der von der Klägerin auf Seiten 12 bis 14 der Klageschrift vom 25. März 2019 (Bl. 12 - 15 d. A.) aufgeführten Tätigkeiten ergeben bei einer Umrechnung auf eine Fünf-Arbeitstags-Woche - ohne Tierbetreuung - nur einen Aufwand von 31 Stunden pro Woche: täglich 100 Minuten für das Erdgeschoss (Seite 12 der Klageschrift) plus 111 Minuten für zusätzliche Arbeiten (Seite 12 der Klageschrift) plus 48 Minuten für das Obergeschoss (Seite 13 der Klageschrift) plus 84 Minuten für die Essenszubereitung (Seite 13 der Klageschrift) plus 30 Minuten für die Gartenarbeit (Seite 13 der Klageschrift), insgesamt also 373 Minuten, was 6,22 Stunden pro Tag bei einer Fünf-Tage-Woche entspricht. Dies deckt sich mit den Ausführungen der Klägerin auf Seite 6 in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 23. November 2020 (Bl. 301 d. A.). Dabei fällt jedoch auf, dass die Klägerin für die Entsorgung von Altglas, Flaschen und Müll mit 52,5 Minuten wöchentlich bzw. 10,5 Minuten täglich nach Auffassung des Senats einen kaum nachvollziehbar hohen Aufwand betreibt. Auch der täglich 30-minütige Aufwand für Bügelarbeiten und von täglich 84 Minuten für die Zubereitung der Mahlzeiten in einem Zwei- bis Dreipersonenhaushalt (der Ehemann ist nur am Wochenende zu Hause, eine jugendliche Tochter) ist schwer nachvollziehbar. Es ist nämlich zu beachten, dass der Ehemann - seinen eigenen Bekundungen zufolge - auch gelegentlich am Wochenende kocht.

 Der von der Einzelrichterin zugrunde gelegte Aufwand von 35 Stunden pro Woche erscheint demzufolge selbst unter Berücksichtigung der Tierbetreuung gerade noch vertretbar. Der Zeitaufwand für die Versorgung eines Tieres ist grundsätzlich erstattungsfähig [Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenrechts, 2016, Bearbeiter Wessel zu 4. Kapitel F. III. 4b) ]. Allerdings ist insoweit gleichfalls zu berücksichtigen, dass die Haltung eines Familienhundes und von Katzen auch dem eigenen Vergnügen dient und nicht nur Arbeit darstellt, die im Rahmen eines Haushaltsführungsschadens vollumfänglich Beachtung finden muss. Deshalb erscheint es vorliegend angebracht, bei der Wochenstundenzahl nicht den gesamten Zeitaufwand zu berücksichtigen, den die Klägerin für die Tierbetreuung angesetzt hat, sondern einen Abschlag vorzunehmen für die allgemeine Lebensfreude, die mit der Haltung von Haustieren einhergeht. Darüber hinaus entspricht es der Üblichkeit, dass ein Familienhund ab und zu von Tochter und / oder Ehemann ausgeführt wird, wie es der Zeuge T. B. ausgesagt hat, wonach sich beide Eheleute um den Hund kümmern wollten und er mit dem Tier auch mal spazieren geht. Im Übrigen dürften erforderliche Bewegungseinheiten des Hundes auch in dem 730 m² großen Garten absolviert werden können, was gegenüber einem längeren Spaziergang eine Zeitersparnis bedeutet. Der Senat hält eine Wochenstundenzahl von bis 41 Stunden maximal für angezeigt, weil der Ehemann der Klägerin schwerbehindert ist und demzufolge für Spaziergänge mit dem Hund nur eingeschränkt zur Verfügung stehen dürfte.

 Die von der Einzelrichterin berücksichtigte Wochenzahl von 28 Wochen ist gleichfalls vertretbar. Den eigenen Angaben der Klägerin zufolge hat sie sich nach dem Unfall 3 Wochen im Krankenhaus aufgehalten und war danach 12 Wochen auf einen Rollstuhl angewiesen. Infolge der Operationen in den Jahren 2017 und 2018 war sie insgesamt weitere 5 Wochen immobil. Somit errechnet sich ein unfallbedingter 100%-iger Ausfall der Klägerin von 20 Wochen. Soweit die Klägerin weitere 23 Wochen geltend macht für die Zeit, in der sie auf Unterarmgehstützen bzw. Gehhilfen angewiesen war (17 Wochen ab Mitte Juli 2016 bis Mitte November 2016 sowie 6 Wochen nach den Operationen in den Jahren 2017 und 2018) erachtet der Senat die beanspruchte von 60% auf 20% abgestufte Beeinträchtigung nicht für vollends nachvollziehbar. Ein Großteil der Haushaltsführung war der Klägerin in dieser Zeit nämlich durchaus trotz des Angewiesenseins auf Unterarmgehstützen und Gehhilfen möglich: Im Sitzen oder angelehnt stehend kann Essen zubereitet und der Geschirrspüler befüllt und ausgeräumt werden, Wäsche gewaschen und gebügelt werden; auch gewisse Gartenarbeiten können sitzend erledigt werden; es kann mit Hilfe des Ehemannes oder der Tochter eingekauft werden; staubsaugen ist möglich. Deshalb erscheinen die von der Einzelrichterin berücksichtigten 8 weiteren Wochen zu 100% angemessen, um die vorhandenen Beeinträchtigungen der Klägerin durch die Gehhilfen zu entschädigen.

 Nach der Berechnung der Einzelrichterin standen der Klägerin für 28 Wochen à 35 Stunden à 8,- EUR ein Betrag in Höhe 7.840,- EUR insgesamt und unter Berücksichtigung eines 50%-igen Mitverschuldens in Höhe von 3.920,- EUR zu. Selbst wenn man angesichts der Tierbetreuung und der Beeinträchtigungen wegen der Gehhilfen einen längeren Zeitraum von sogar 33 Wochen bei einer Wochenstundenzahl von 41 zu je 8,- EUR berücksichtigen würde, was dem Senat ebenfalls vertretbar erscheint, errechnen sich insgesamt 10.824,- EUR, die wegen des 50%-igen Mitverschuldens der Klägerin auf 5.412,- EUR zu kürzen sind. Bei dem oben errechneten freibleibenden Betrag von 5.700,- EUR ist die Klägerin folglich immer noch (geringfügig) überzahlt.

OLG Celle Urt. v. 16.12.2020 – 14 U 108/20, BeckRS 2020, 35368

 

 

Falls jemand sich an der Überschrift stößt: "man" darf auch so lange kochen, putzen und Gassi gehen ;-)

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Es wäre schon schön, wenn es eine kleine Zusammenfassung oder einen Leitsatz gäbe oder wenigstens gefettete Sätze an den wesentlichen Stellen...

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